Tee Gschwendner:Das Vermächtnis

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Familienunternehmer Jonathan Gschwendner ist in jungen Jahren oft mit seinen Eltern in die Teegärten der Welt gereist. (Foto: OH)

Jonathan Gschwendner führt mit 36 Jahren die Firma seiner früh verstorbenen Eltern weiter. Vor der Zentrale duftet es nach Kräutern und Gewürzen - ein Besuch.

Von Benedikt Müller, Meckenheim

Gerade ist Einkaufssaison bei der Firma Gschwendner. Jeden Tag liefern Expressboten ein paar Hundert Muster aus aller Welt in die Zentrale des Teehändlers nach Meckenheim bei Bonn. Jonathan Gschwendner und seine Mitarbeiter entscheiden, welche Ernten sie kaufen: Sie betrachten die Blätter, gießen ihre Favoriten mit wenig Wasser auf. Dann schlürfen sie den konzentrierten Tee, um Aromen und Störtöne zu schmecken. Sie trinken kleine Schlucke, den Rest spucken sie in einen Behälter. Am Ende kaufen die Verkoster im Schnitt fünf Ernten pro Tag ein.

Die Firma ist mit 125 Läden im Inland der größte Teefachhändler Deutschlands. An der Spitze der Kette steht seit diesem Frühjahr Jonathan Gschwendner, Sohn der verstorbenen Gründer Albert und Gwendalina. Der 36-Jährige übernahm das Familienunternehmen in einer Zeit, da immer mehr Kunden online einkaufen und manche Händler in den Fußgängerzonen unter Druck geraten. "Ich möchte das Lebenswerk meiner viel zu früh verstorbenen Eltern bewahren", sagt Gschwendner, "und zukunftsorientiert fortentwickeln." Schon in seiner Kindheit sei Tee "allgegenwärtig" gewesen, erzählt er. Seine Mutter kümmerte sich um das Stammgeschäft in Bonn, sein Vater um die Expansion. Beide seien "leidenschaftliche Teetrinker" gewesen. Jonathan reiste in jungen Jahren oft mit in die Teegärten der Welt: nach Indien und Sri Lanka, Japan und China. Sein Weg sei damit "ein Stück weit vorgezeichnet" gewesen, sagt er.

Während der Gründersohn in verschiedenen Teefirmen den Beruf des Groß- und Außenhandelskaufmanns lernte und an den Umschlagplätzen Hamburg und England lebte, wuchs unter Vater Albert ein Franchisesystem heran: Selbständige Unternehmer eröffneten Läden, nutzten - gegen eine Einstiegsgebühr - die Marke Gschwendner und kauften den losen Tee von der Zentrale. Solche Franchisemodelle kamen damals, in den Achtzigerjahren, gerade erst in Deutschland an. Bis heute gehören die meisten Gschwendner-Geschäfte eigenständigen Franchisenehmern.

Doch es folgten traurige Jahre: Mutter Gwendalina starb 2002 mit nur 43 Jahren, Vater Albert acht Jahre später - im Alter von 56 Jahren, nach schwerer Krankheit. In der Zentrale erinnert ein Porträtfoto im Eingangsflur an den Gründer. Dieser hinterließ fünf Kinder aus seinen beiden Ehen; es dauerte einige Jahre, bis sich die Besitzverhältnisse klärten. Heute gehört Tee Gschwendner fünf Gesellschaftern aus der Familie, darunter auch Sohn Jonathan, der seit 2005 in der Firma arbeitet.

Vor der Zentrale duftet es nach Kräutern und Gewürzen. Die Lüftung zischt, Maschinen klappern. Gschwendner verarbeitet hier etwa 1000 Rohwaren aus aller Welt weiter: Die Mitarbeiter mischen die Ernten verschiedener Tage zu einem einheitlichen Qualitätsniveau, setzen - je nach Rezept - Öle, Blüten oder Fruchtstücke zu. Schließlich verpacken sie den losen Tee zu mehr als 300 verschiedenen Mischungen und sortenreinen Waren. Etwa 150 Menschen arbeiten in der Zentrale.

Gschwendners Produkte unterscheiden sich vom allzu feinkörnigen Beuteltee aus dem Supermarkt. Das Unternehmen sucht nach eigenen Angaben Teegärten, die nicht zu sehr auf Masse setzen, sondern etwa gezielt junge Blätter auslesen. "Nur etwa 0,5 Prozent der weltweiten Tee-Ernte kommen für uns überhaupt als Rohware infrage", sagt Gschwendner. Im Büro kredenzt er einen Schwarztee aus dem Himalaja: die erste Frühjahrsernte, in der Fachwelt "First Flush" genannt. Ob ihres kräftigen Aromas ist sie derart gefragt, dass sie ausnahmsweise nicht per Schiff, sondern per Flugzeug nach Europa kommt. Ökologisch korrekt ist das nicht, dafür kosten 100 Gramm auch gut 15 Euro.

In der Geschäftsführung teilt sich Gschwendner die Aufgaben mit Thomas Holz, einem Freund des Gründers Albert, der schon seit 25 Jahren in der Firma arbeitet und das Unternehmen nach dem Tod des Gründers zunächst alleine führte. Holz kümmert sich nun um Franchisepartner, Finanzen und Personal, Gschwendner um Teeeinkauf und Verarbeitung. Alleine die Zentrale erwirtschaftet einen Umsatz von etwa 33 Millionen Euro pro Jahr - vor allem mit dem losen Tee, den die Franchisenehmer einkaufen. Die Meckenheimer betreiben aber auch den zentralen Onlineshop von Tee Gschwendner.

Dieser hat auch Befürchtungen unter Franchisepartnern geweckt: Verzichten die Fachgeschäfte vor Ort mit dem Internet nicht auf das Geschäft der Zukunft schlechthin?

Der Unternehmen soll in der Familie bleiben. Die dritte Generation trinkt schon fleißig Tee

Gschwendner betont, dass der Onlineshop heute "die volle Akzeptanz" der Franchisepartner genieße. Die Zentrale erreiche im Internet eine jüngere Zielgruppe und werbe auch gezielt für die stationären Läden. "Ich möchte weiter partnerschaftlich und vertrauensvoll mit unseren Franchisenehmern zusammenarbeiten", sagt er. Schließlich könne es der Zentrale nur gut gehen, wenn es auch den Partnern gut gehe. Doch Gschwendner stellt auch klar: "Wir sollten und werden die Digitalisierung unserer Branche keinesfalls versäumen." Man könne sich nicht erlauben, nicht im Internet zu sein. Wie viel Prozent des Umsatzes bereits online erwirtschaftet werden, verrät er nicht.

Gleichwohl glaubt Gschwendner nicht, dass der stationäre Fachhandel keine Zukunft hat. Der Absatz in seinen Geschäften sei "erfreulich stabil bis wachsend". Gschwendner will, dass die Verkäufer in den Läden gut ausgebildet sind und das Einkaufen zum häufig beschworenen Erlebnis machen: Sei es mit Verkostungen und Lesungen nach Ladenschluss oder auch, wo es das Ladenlokal hergibt, mit einer Teestube mit kleinen Speisen. "Wir glauben an die Zukunft des stationären Teehandels."

Er sieht sogar Potenzial für mehr Geschäfte; auch wenn er sagt, dass er "organisch und gesund" wachsen wolle. Beispielsweise biete Berlin noch Möglichkeiten, und in einer Stadt wie Erfurt sei man noch gar nicht vertreten. "Es gibt hier und da noch weiße Flecken, die wir gerne besetzen möchten", sagt der Firmenchef. "Auch im Ausland könnten wir noch Potenziale heben, aber auch hier organisch und gesund." Bislang zählt Gschwendner zwölf Standorte außerhalb Deutschlands, etwa in Luxemburg und Österreich, aber auch in Chicago oder Riad. Der Fokus liege freilich "ganz klar im Inland".

Gschwendner gibt sich auch deshalb zuversichtlich, weil er glaubt, dass sein Produkt in den Zeitgeist passt: Tee sei gesundheitsfördernd und wie ein Ruhepol im hektischen Alltag. "Kaffee hingegen steht eher für den schnellen, wach machenden Effekt", sagt der Händler.

Er selbst trinkt nach eigenen Angaben bis zu drei Liter Tee pro Tag - und wechselt vom schwarzen am Vormittag über den Grüntee am Nachmittag zum Kräutertee am Abend. Zwischendurch treffen sich seine Einkäufer zur kleinen Matchapause im Büro: Den gemahlenen Grüntee aus Japan schlagen die Verkoster dann mit kaltem Wasser schaumig auf. Das Matchapulver habe vor einigen Jahren einen "enormen Hype" erlebt, sagt Gschwendner, und sich mittlerweile etabliert, wenn auch "auf niedrigerem Niveau".

Um die Zukunft ist ihm nicht bang. "Ich sehe Tee Gschwendner auch in Zukunft als familiengeführtes Unternehmen", sagt er. "Die dritte Generation ist zumindest geboren und trinkt bereits fleißig und genussvoll Tee."

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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