Tchibo:Der Knoten löst sich

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Günter Herz und die ihm nahe stehenden Aktionäre ziehen sich aus dem Tchibo-Konzern zurück.

Die zerstrittene Herz-Familie, eine der reichsten in Deutschland, hat damit ein Problem weniger. Der seit Jahren währende Zwist zwischen Günter Herz und seiner Schwester Daniela auf der einen sowie den Brüdern Michael, Wolfgang und Joachim Herz auf der anderen Seite geht zu Ende.

Über die Firmenpolitik müssen die Geschwister nicht mehr streiten. Das war ein Herzenswunsch ihrer Mutter Ingeborg Herz.

Wirtschaftlich bedeutsamer sind die neuen Perspektiven, die sich für den Tchibo-Konzern mit seinen mehr als 10.000 Mitarbeitern erschließen.

Beiersdorf profitiert

Die Börse witterte Morgenluft für die Beiersdorf-Aktie, die bis zum Nachmittag gegen den Markttrend zulegte. Tchibo möchte seit langem seinen Anteil von 30 Prozent an dem Nivea-Konzern aufstocken und verfügt aus dem Verkauf des Zigaretten-Herstellers Reemtsma auch über die notwendigen Mittel.

Die Allianz-Versicherung, die rund 44 Prozent an Beiersdorf hält, ist auch durchaus verkaufsbereit. Doch über den angemessenen Preis gibt es keine Einigung. Ausländische Konzerne wie L'Oreal und Procter&Gamble wollen wiederum den großen Tchibo-Einfluss bei Beiersdorf nicht akzeptieren und winken ab.

Ob nun Bewegung in die seit zwei Jahren schwelende Hängepartie kommt, hängt vor allem vom neuen Tchibo-Chef Dieter Ammer ab, der erst seit Beginn dieses Monats im Amt ist. Er hat Erfahrung mit schwierigen Familienunternehmen. Bei der Bremer Brauerei Beck & Co brachte er das Kunststück fertig, 67 Kommanditisten unter einen Hut zu bekommen und den Verkauf des Unternehmens zu bewerkstelligen.

Zwei Modelle

An der Gerüchtebörse werden nun zwei Modelle kolportiert, die Tchibo voranbringen würden: Ammer könnte der Allianz ein neues Angebot für die Beiersdorf-Anteile zu einem Preis unterbreiten, den die Versicherung akzeptiert.

Das könnte alle Aktien oder nur einen Teil des Allianz-Paketes betreffen, während ein anderer Teil über die Börse verkauft würde. Oder der neue Tchibo-Chef akzeptiert einen anderen Kosmetikkonzern als Großaktionär und reduziert den Tchibo- Einfluss bei Beiersdorf. Das gilt als eher unwahrscheinlich.

Die Gruppe um Günter Herz wird für ihren Rückzug mehrere Milliarden Euro erhalten. Über die Einzelheiten der Transaktion schweigen sich die Beteiligten aus. Aber vielleicht wird das Geld noch gebraucht. "Für den Fall, dass die Tchibo Holding AG Gelegenheit zur substanziellen Aufstockung ihrer Beteiligung an der Beiersdorf AG erhält, haben die Familienmitglieder vereinbart, ihre Kräfte gegebenenfalls wieder zu bündeln", heißt es in der Mitteilung.

Mit Günter Herz verlässt ein Unternehmer den Konzern, der weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit den Wert von Tchibo enorm gesteigert und ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat.

Nach dem Tod des Firmengründers Max Herz 1965 übernahm er als ältester Sohn die Unternehmensleitung und baute Tchibo zum führenden deutschen Kaffeeunternehmen aus. Er ergänzte das Kaffeeangebot um wöchentlich wechselnde Gebrauchsartikel, die heute den größeren Teil des Tchibo-Umsatzes ausmachen. Günter Herz stieg auch erfolgreich bei Beiersdorf und Reemtsma ein und übernahm schließlich 1997 den größten Konkurrenten Eduscho.

Tchibo soll mittlerweile rund zehn Milliarden Euro wert sein. Dennoch setzte die Gruppe um Michael Herz ihrem Bruder Günter nach erfolgreichen Jahrzehnten vor gut zwei Jahren den Stuhl vor die Tür. Mit der Berufung Ammers zum Tchibo-Chef wuchs bei Günter die Einsicht, keinen Einfluss mehr auf das Unternehmen gewinnen zu können.

Er ist nicht einmal im Aufsichtsrat vertreten. Schon vor einem Jahr hatte Günter Herz die nun gefundene Lösung ins Spiel gebracht: "Wenn es in Zukunft nicht gelingt, die Verhältnisse in einer sachlichen Form zu lösen, gibt es nur die Trennung."

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