Tastensinn:Mit Gottes Segen zum guten Klang

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Seit 150 Jahren baut Blüthner in Leipzig Flügel und Klaviere.

"Möge Gott mein Werk segnen." Diesen Ausruf soll vor 150 Jahren Julius Blüthner getan haben, ehe er in seiner "Pianofortefabrik" in Leipzig zum ersten Mal die Säge an einem Stück Holz ansetzte, das Teil eines Flügels wurde.

Flügel-Rohlinge (Foto: Foto: dpa)

Ob allein Gottes Segen oder auch handwerkliches Können den Ausschlag für den Erfolg seines Unternehmens gaben, mag dahingestellt bleiben.

Fest steht, dass seither mehr als 150.000 Instrumente die Leipziger Produktionsstätten verlassen haben und in alle Welt verkauft wurden.

Tschaikowksys Choice

Seit der Gründung im Jahr 1853 hat das Familienunternehmen eine wechselvolle Geschichte hinter sich gebracht. Konnten der Erste Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre noch einigermaßen unbeschadet überstanden werden, so hätte der Zweite Weltkrieg durchaus das Aus für das Unternehmen bedeuten können: "Bei einem Bombenangriff wurde das Werk total zerstört, lediglich die Mauern blieben stehen", berichtet Christian Blüthner-Haessler, Ur-Ur-Enkel von Firmengründer Julius Blüthner und gemeinsam mit seinem Bruder Knut Geschäftsführer der Pianofortefabrik Blüthner.

Doch sein Großvater Rudolf baute in einem ehemaligen Sägewerk eine neue Fertigung auf.

Dass er voller Zuversicht an die Aufgabe ging, lag wohl in dem guten Ruf begründet, die die Instrumente seines Hauses weltweit genossen. Bekannte Komponisten wie Edvard Grieg, Franz Liszt oder Peter Tschaikowksy schätzten den Klang der Flügel aus dem Hause Blüthner.

Verkaufsniederlassungen gab es in den USA ebenso wie in Großbritannien, in Südamerika oder Indien. "Unsere Firma hatte und hat internationales Renommee", meint Blüthner-Haessler.

Vor diesem Hintergrund begab sich sein Großvater an den Wiederaufbau, zumal er sich sicher war, dass man sich "über die Kommunisten" keine Gedanken machen müsse, die hätten bald abgewirtschaftet. "Das hat dann aber doch immerhin 40 Jahre gedauert", lächelt Enkel Christian.

80 Prozent der Instrumente werden exportiert

In der DDR wurde es für das Familienunternehmen über die Jahre immer schwieriger: Zunächst gingen zahlreiche Instrumente aus dem Hause Blüthner als Reparationsleistungen in die Sowjetunion, dann wurden die Absatzmöglichen für die "bourgeoisen Instrumente" deutlich eingeschränkt, schließlich wurde das Unternehmen bei der Zuteilung von Material auf niedrigem Niveau gehalten. "Für das Haus bedeutete dies einen empfindlichen Verlust von Marktanteilen", so Blüthner-Haessler.

Selbst als Devisenbringer war die Firma in dieser Zeit allenfalls wohlgelitten: "In den 70er Jahren zählte Moral noch mehr als der Dollar", erklärt er die verhärtete Ideologie der damaligen Machthaber.

1972 schließlich wurde das Unternehmen verstaatlicht. Ingbert Blüthner-Haessler, der die Führung der Firma sechs Jahre zuvor von seinem Vater übernommen hatte, blieb als staatlich eingesetzter kommissarischer Leiter im nunmehr volkseigenen Betrieb am Steuer.

Der politische Umbruch nach dem Herbst 1989 brachte auch für Blüthners die Wende, 1990 wurde das Unternehmen reprivatisiert. Obwohl selbst als Firma gesund, begann eine Zeit des Bangens: Bisherige Partner aus der ehemaligen DDR verschwanden vom Markt, neue Zulieferer etwa für Spezialschrauben mussten gefunden werden.

Heute verlassen jährlich etwa 500 Flügel und 700 Klaviere der Marken "Blüthner" und "Haessler" die am Rande Leipzigs gelegene Fertigung. Mit Preisen zwischen 11.000 und 20.000 Euro für die Klaviere und 30.000 bis 100.000 Euro für einen Flügel gehören die Instrumente zu den Spitzenprodukten der internationalen Szene.

Der Exportanteil liegt nach Blüthner-Haesslers Angaben bei 80 Prozent und damit weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 50 Prozent. "Wir wollen mit unseren Instrumenten den Mythos der Musikstadt Leipzig mit in die Welt hinaustragen", erklärt Blüthner-Haessler. Und so steht auf jedem Flügel die Aufschrift "Made in Leipzig/Germany" zu lesen.

Flügel für Linkshänder

Doch auch das so genannte Einstiegssegment kann inzwischen bedient werden: 1999 wurde in China ein Joint-Venture unter dem Namen "Irmler" gegründet, seit 2000 werden auch in Polen Klaviere für "Irmler" gefertigt. "Damit decken wir jetzt den kompletten Markt ab", sagt der Geschäftsführer. "Blüthners" und "Haesslers" werden jedoch ausschließlich am sächsischen Heimatort des Unternehmens gebaut.

Hier ist man auf Spitzenhandwerk orientiert: "Wir wollen das individuelle Instrument", unterstreicht Blüthner-Haessler.

Besonders deutlich wurde dies im Jahr 2000, als man für einen Kunden den weltweit ersten Flügel für Linkshänder baute: Bei dem ist alles spiegelverkehrt.

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