Tarifstreit bei der Bahn:Kein Rad dreht sich am Freitag von acht bis elf Uhr

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Der angekündigte Streik der Lokführergewerkschaft GDL konkretisiert sich: Morgen ab acht Uhr sollen die Züge für drei Stunden stillstehen. Die Bahn bemüht erneut das Gericht, um den Streik noch in letzter Minute zu verhindern.

Die Lokführergewerkschaft GDL will mit einem dreistündigen Streik im Berufsverkehr an diesem Freitagmorgen den Zugbetrieb in Deutschland lahmlegen.

Von 8.00 bis 11.00 Uhr werde sich "kein Rad bei der Bahn drehen", sagte GDL-Chef Manfred Schell am Donnerstag in Chemnitz.

Geplant ist demnach ein flächendeckender Ausstand im Fern-, Güter- und Regionalverkehr sowie bei den S-Bahnen. Vor dem Arbeitsgericht Chemnitz stand am Donnerstag jedoch erst noch eine Entscheidung aus, ob die Arbeitsniederlegungen im Tarifstreit mit der Bahn überhaupt zulässig sind.

Eingeschränkter Betrieb wird angeboten

Der Konzern hatte Einstweilige Verfügungen dagegen beantragt, kündigte aber schon an, auch bei Streik einen eingeschränkten Betrieb anbieten zu wollen.

Nach einem Notfahrplan sollen am Freitag in jedem Fall rund zwei Drittel der Fernzüge verkehren, vor allem ICE-Verbindungen. Im Regionalverkehr ist geplant, dass die Hälfte aller Züge rollt, wie die Bahn mitteilte. Regional könne dies aber unterschiedlich sein.

Güterzüge, die nicht ans Ziel kommen, sollen am Wochenende weiterfahren. Zur Information der Fahrgäste auf den Bahnhöfen sowie in Netzleitstellen sollen mehr als 1000 zusätzliche Mitarbeiter eingesetzt werden.

Ultimatum bis Anfang nächster Woche

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) setzte der Bahn ein Ultimatum bis Anfang nächster Woche, um ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Sollte der Konzern nicht einlenken, würden die Arbeitsniederlegungen in der kommenden Woche fortgesetzt, sagte Schell.

"Unsere Mitglieder sind jedenfalls nicht länger bereit, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf ein vernünftiges Angebot zu warten."

Die Bahn kündigte unterdessen einen Notfahrplan an. Trotz der Streiks will das Unternehmen weite Teile des Zugverkehrs aufrechterhalten.

Zwei Drittel der Fernverkehrszüge sollen fahren. Von den täglich rund 750 Fernverkehrszügen würden rund zwei Drittel am Freitag fahren, sagte Bahn-Sprecher Gunnar Meyer am Donnerstag in Berlin.

Regionale Unterschiede

Dabei handele es sich vor allem um die ICE-Züge. Im Regionalverkehr sei geplant, dass bis zu 50 Prozent der täglich 19.000 Züge führen. Es werde regional Unterschiede geben.

Der Ersatzfahrplan, für den die Bahn nicht bei der GDL organisierte Lokführer einsetzen will, soll ab Donnerstag 18.00 Uhr im Internet abrufbar sein.

Güterzüge, die am Freitag wegen des Arbeitskampfes ihr Ziel nicht erreichen, sollen laut Meyer am Wochenende fahren. Für die Kunden wird bei den Fahrkarten die Zugbindung aufgehoben, so dass die Fahrgäste auch eine andere als die bezahlte Verbindung nutzen können. Für ausgefallene Fahrten werde bis Ende Oktober das Geld erstattet.

GDL-Chef Manfred Schell kritisierte, die Bahn wolle beamtete Lokführer einsetzen und sie zu Streikbrechern machen. Die GDL will mit ihrem mehrstündigen Streik den Bahnverkehr in Deutschland weitgehend lahm legen.

Eigenständiger Tarifvertrag gefordert

Die GDL fordert einen eigenständigen Tarifvertrag und 31 Prozent mehr Geld für das Fahrpersonal.

Die Bahn lehnt einen separaten Tarifvertrag kategorisch ab und verweist auf ihr bereits vorgelegtes Angebot. Demnach soll die GDL den mit den anderen Gewerkschaften Transnet und GDBA erzielten Abschluss mit 4,5 Prozent Einkommensplus übernehmen.

Durch mehr Geld für mehr geleistete Arbeitsstunden könnten die GDL-Mitglieder demnach am Ende bis zu zehn Prozent mehr Geld in die Tasche bekommen.

Die GDL versicherte, das Votum des Arbeitsgerichts Chemnitz zur Zulässigkeit erneuter Streiks zu befolgen. GDL-Chef Schell sagte im Fernsehsender n-tv, bei einer Niederlage in Berufung und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen zu wollen.

Gemischte Gefühle

Zugleich äußerte er "gemischte Gefühle", da das Chemnitzer Gericht im Sommer einmal Streikverbote ausgesprochen hatte. Mit einer Entscheidung wurde nach Verhandlungsbeginn am Nachmittag womöglich erst am Abend gerechnet.

Die größeren Gewerkschaften Transnet und GDBA kritisierten den eskalierenden Tarifstreit zwischen Bahn und GDL.

Die juristische Vorgehensweise des Konzerns gegen drohende Streiks sei nicht der richtige Weg, ein tarifpolitisches Problem zu lösen, sagten Transnet- Vorstand Alexander Kirchner und GDBA-Vize Heinz Fuhrmann.

Kurs der GDL kritisiert

Scharf kritisierten sie auch den Kurs der GDL: "Mit Erpressungspotenzialen zu spielen, Tarifforderungen nach Belieben zu verändern, nur auf Krawall gebürstet zu sein und sogar nach der Politik zu rufen, zeugt nicht von solider und vorausschauender Tarifpolitik."

Aus Sicht des Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts in Köln, Heinz-Jürgen Kalb, lässt sich der Tarifkonflikt nicht vor Gericht lösen. "Wenn Arbeitsgerichte angerufen werden, ist es ihre gesetzliche Aufgabe, eine Entscheidung zu fällen. Ob es zweckmäßig ist, Arbeitsgerichte einzuschalten, steht auf einem anderen Blatt", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes.

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