Tabubruch bei CDs:Pop, Piraten und Profit

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Wenn es ausgerechnet den Musikmanagern die Sprache verschlägt, dann muss etwas wirklich Schockierendes geschehen sein: Ein Anbieter hat erstmals die CD-Preise im großen Stil gesenkt.

Von Ulf Brychcy

(SZ vom 06.09.03) - In der Plattenbranche wird über alles lustvoll geredet, über die Marotten der Popstars und ihre Affären, und über Erfolge und Pleiten sowieso.

Doch nun, nachdem der weltgrößte Musikkonzern Universal bei seinen CDs Preissenkungen von bis zu einem Drittel angekündigt hat, herrscht Ruhe. "Kein Kommentar", heißt es überall. Sogar kleine, konzernunabhängige Plattenlabel wie V2 (mit Musikern wie Paul Weller, Moby, Heather Nova) tauchen ab. Der Schreck sitzt tief.

Universal hat endlich ein Tabu gebrochen - zunächst in den USA, aber schon bald bestimmt auch in Deutschland: Der Musikriese (No Angels, Bryan Adams, U2) will es in der schweren Krise mit einem bewährten ökonomischen Mechanismus probieren: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

Umsätze brechen weg

Vor allem die Jugendlichen kaufen immer weniger CDs, die Umsätze brechen dramatisch weg. Um die miesen Verkaufszahlen wieder anzukurbeln, senkt Universal jetzt die Preise.

Dieser mutige Schritt ist, man glaubt es kaum, ein Novum seit der Einführung der CD vor gut zwanzig Jahren. Bislang kannte die Industrie beim Preis immer nur eine Richtung - nach oben.

Universal versucht nun als erstes großes Plattenunternehmen, ein folgenschweres Missverständnis zu beheben. Die Musiktrends wechseln immer rascher, die meisten Popstars werden zunehmend austauschbar, das Geschäft gibt sich immer banaler und schnelllebiger.

Kein außergewöhnlicher Wertgegenstand mehr

Pop- und Rockmusik ist ein Phänomen der Alltagskultur und längst nicht mehr ihr wichtigstes. Die CD aber, der silbrige Datenträger aus Plastik, wird von der Industrie beharrlich als außergewöhnlicher Wertgegenstand angepriesen, für den es sich notfalls zu sparen lohnt.

Die zumeist jungen Musikfans setzen schon längst ihre Discount-Strategie dagegen - sie kopieren ihren Lieblingssound kostenlos aus dem Internet und brennen CDs. Das wilde Überspielen erschüttert die gesamte Plattenbranche. Universal Music gehorcht dieser Not und unternimmt zugleich viel mehr.

Billigere CDs regen tendenziell die Nachfrage an. Und die Konsumenten werden neu rechnen, ob sich für sie die Zeit raubende, zumeist illegale Musikbeschaffung weiterhin lohnt.

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