Tabakindustrie:Dunkle Geschäfte mit Zigaretten

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Die Ermittlungen wegen Beihilfe zum Schmuggel, Verdacht auf Geldwäsche und Bruch der Irak-Sanktionen gegen den Zigarettenhersteller Reemtsma laufen - nun will die Muttergesellschaft Imperial Tobacco in Hamburg durchgreifen.

Gerd Zitzelsberger

(SZ vom 11.7.2003) — Ist die Freistellung des Deutschlandchefs schon ein halbes Schuldeingeständnis, dass Reemtsma dem organisierten Schmuggel von Zigaretten in großem Stil Vorschub geleistet hat?

Aus der Sicht von Manfred Häussler sicher nicht. Der Manager war bis zum späten Mittwochabend Vorstandvorsitzender beim Hamburger Zigaretten-Hersteller Reemtsma und zugleich Vorstandsmitglied für Verkauf und Marketing bei dessen britischer Muttergesellschaft Imperial Tobacco, dem weltweit viertgrößten Tabak-Konzern.

Jetzt ist Häussler der prominenteste von sieben Personen, die Imperial - bei vollem Gehalt - von ihrer Arbeit suspendiert hat.

Nach einer Schamfrist hat der Konzern damit auf die Ermittlungen des deutschen Zolls und der Staatsanwaltschaft reagiert. In einer spektakulären Aktion hatten die Behörden im Januar Reemtsma-Büros und Privatwohnungen von leitenden Angestellten von 1000 Beamten durchsuchen lassen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Viel wurde seitdem über die Ermittlungen wegen Beihilfe zum Schmuggel, Verdacht auf Geldwäsche und Bruch der Irak-Sanktionen nicht bekannt; nach Auskunft der Hamburger Staatsanwaltschaft gestalten sie sich langwierig. Aber die sieben Freistellungen deuten daraufhin, dass die Vorwürfe gegen Reemtsma handfester werden.

Zugleich kommen die Ermittlungen der Imperial Tobacco vielleicht gar nicht so ungelegen. Das Verhältnis zwischen Hamburg und der Konzernzentrale im englischen Bristol ist nicht besonders herzlich. Den Briten seien die herrschaftlichen Umstände, unter denen in Hamburg gearbeitet wird, ein Dorn im Auge, heißt es.

Sie wollten die Reemtsma-Zentrale an die kürzere Leine nehmen. Richtig daran ist auf jeden Fall, dass in der obersten Führungsetage von Imperial Tobacco jetzt kein Reemtsma-Mann mehr sitzt: Nicht nur Häussler fehlt, auch Ludger Staby, der als Aufsichtsrat bei Imperial amtierte, ist zurückgetreten.

Hinzu kommt, dass Imperial versuchen muss, die eigene Weste in Bristol weiß zu waschen. Bei den Briten laufen zwar keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, aber ein Parlamentsausschuss förderte anrüchige Praktiken zu Tage. So lieferte der Konzern zeitweise Unmengen von "Superkings" und "Embassy" in Mini-Staaten wie Litauen, Andorra oder Kaliningrad.

Diese Märkte sind nicht nur klein, sondern die Marken aus England sind dort auch kaum bekannt. Gleichzeitig aber sind von unbekannten Schmuggler-Ringen Unmengen dieser Zigaretten zurück nach England geschleust worden. Der britische Zoll schätzt, dass von den 7,4 Millionen "Superkings", die in Großbritannien jährlich in Rauch aufgehen, zeitweise 4,4 Millionen illegal ins Land gekommen sind.

Schmuggel Vorschub geleistet?

Der Verdacht der britischen Parlamentarier: Imperial habe sehenden Auges an dubiose Zwischenhändler geliefert und damit dem Schmuggel Vorschub geleistet.

Auch Reemtsma ist einschlägig bekannt: Nach Angaben der World Customs Organisation war deren Spitzenmarke "West" im Jahr 2000 die am häufigsten geschmuggelte Zigaretten-Sorte in Europa. Und mit der massiven Tabak-Steuererhöhung, die die deutsche Regierung für den Jahreswechsel plant, dürfte der Schmuggel noch zunehmen, heißt es etwa bei Philip Morris ("Marlboro").

Die Gewinnspannen bei dem illegalen Handel sind allzu verlockend. Schon jetzt kassiert der Fiskus bei jeder Schachtel Marlboro 2,50 Euro; ab Januar sind es womöglich mehr als 3,50 Euro.

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