Tabak-Lobbyistin:Mit Charme und zweifelhaften Argumenten

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Zum Job von Ilona Luttmann gehört es, die umstrittenen Produkte der Tabakindustrie zu verteidigen. Auf kritische Fragen hat sie schnell die passende Antwort parat.

Steffen Ermisch

Michael Ballack im schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer - Öl auf Leinwand. Das Bild hängt gegenüber von einem Schreibtisch in einem kleinen Büro der deutschen Niederlassung von British American Tobacco (BAT) am Alsterufer in Hamburg.

Bekennender Genussmensch: Ilona Luttmann. (Foto: Foto: Ralf Buscher)

Das Büro gehört Ilona Luttmann, ,,Leiterin für Gesellschafts- und Verbraucherpolitik''. Die kryptische Positionsbeschreibung versteckt, dass sie als führende deutsche Lobbyistin des zweitgrößten Tabakunternehmens einen der schwierigsten Jobs der Branche hat: Sie vertritt die Positionen des Unternehmens bei Abgeordneten, Staatssekretären und Verbänden.

Hin und wieder ist sie auch im Fernsehen zu sehen - vor einigen Wochen war sie zum Beispiel bei Sabine Christiansen.

Lob von der Gegnerin

Dass die Vertreter der Tabakindustrie ihren Job gut machen, bescheinigt ausgerechnet Tabakgegnerin Bärbel Höhn. In der aktuellen Diskussion um Rauchverbote schimpft die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, SPD und Union seien ,,vor der Tabaklobby eingeknickt'', weil sie das Rauchen in Gaststätten entgegen dem Rat von Gesundheitsexperten nicht vollständig verbieten wollen.

Luttmann lässt sich nicht dazu hinreißen, das einen Erfolg zu nennen. Sie formuliert vorsichtiger: ,,Ich freue mich, dass sinnvolle Argumente in die Debatte einzufließen scheinen.''

Vom Stress im Beruf entspannt sich die 41-Jährige beim Malen. Der Ballack in ihrem Büro ist während der Weltmeisterschaft entstanden. Hobby und Beruf haben bei Luttmann eines gemeinsam: Es geht darum, Bilder zu kreieren - mal mit Pinseln, mal mit Worten.

Das Bild vom Genussmensch

Im Job geht es Luttmann vor allem darum, von BAT das Bild eines ,,verantwortungsvollen Tabakunternehmens'' zu hinterlassen. Der dazugehörige Wunschkunde ist nach Luttmanns Darstellung natürlich nicht der Sucht-, sondern der Genussmensch.

Dass nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 110.000 Deutsche jährlich an den Folgen des Rauchens sterben, passt kaum in Luttmanns Raucherbild. Sie sagt: ,,Es ist unbestritten, dass Rauchen mit Risikofaktoren verbunden ist, darüber informieren wir unsere Kunden auch.''

"Nicht bewiesen"

Kann rauchen denn tödlich sein? ,,Das ist nicht so monokausal zu sagen''. Auch die Gefahren des Passivrauchens, durch das dem Deutschen Krebsforschungszentrum zufolge 3.300 Menschen jährlich sterben, wischt sie schnell vom Tisch: ,,Nicht bewiesen.''

Spätestens im Jurastudium hat Luttmann die Kunst der geschickten Argumentation gelernt. Ihre zweite Waffe in Wortgefechten ist ihr Charme: Sie lacht oft und laut. Sie erzählt, dass sie gerne im Garten arbeitet. Dass sie ,,zur Zeit'' nicht verheiratet ist.

Persönliche Anfeindungen selten

Persönliche Anfeindungen habe sie wegen ihres Berufs noch nicht erlebt, beteuert Luttmann. ,,Wenn ich erläutere, was ich so tue, begegnet mir große Aufgeschlossenheit.''

Ungefähr ein Drittel ihrer Arbeitszeit verbringt sie mit Gesprächen bei Verbänden, Ministerien und Politikern. Dabei ist sie oft in Berlin, wo BAT gerade ein kleines Hauptstadtbüro in der Straße Unter den Linden eröffnet hat.

Stillschweigen

Luttmann war auch beim SPD-Abgeordneten Lothar Binding, der zusammen mit anderen den Gruppenantrag zum ,,effektiven Schutz vor Passivrauchen'' Anfang der Woche in den Bundestag eingebracht hat. Über den Gesprächsinhalt wahrt sie Stillschweigen.

Auf besonders offene Ohren dürfte sie bei Binding aber nicht gestoßen sein. ,,In der Regel sind Politiker aber dankbar für die Argumente, die sie aus den unterschiedlichen Kreisen bekommen.''

Es wird schwerer für die Tabaklobbyisten in Deutschland, seit in Europa Länder wie Italien Rauchverbote in Restaurants verhängt haben und die EU Tabakwerbeverbote forciert. ,,Die Zigarettengegner sind im Moment sehr laut'', gibt Luttmann zu. Sorge um die Zukunft der Tabakindustrie habe sie dennoch nicht. Das ,,traditionelle Genussmittel'' werde immer bestehen bleiben.

Die Gefährlichkeit des Produkts

In ihren Gesprächen gehe es auch kaum noch um die Zigarette als Gesundheitsrisiko. ,,Fast jeder weiß um die Gefährlichkeit des Produktes.''

Themen seien derzeit vielmehr das drohende Werbeverbot, Passivrauchen und Zigarettenschmuggel. Auch Jugendschutz ist ein zentraler Aspekt - ein Thema, bei dem die Lobbyistin argumentativ in einer komfortablen Lage ist: BAT spricht sich für ein Mindestabgabealter für Tabakprodukte von 18 Jahren aus.

Wenig glaubwürdiger Absender

Trotzdem sei das ,,ein schwieriges Feld''. Wenn es um Programme gehe, die Kinder und Jugendliche vom Rauchen abhalten sollen, sei es ,,für die Industrie schwierig, als glaubwürdiger Absender aufzutreten''.

Wie aber entkräftet sie die Vermutung, dass Minderjährige existenziell für die Tabakindustrie sind, wo doch kaum Erwachsene mit dem Rauchen anfangen? BAT habe keine Zahlen über minderjährige Raucher, behauptet Luttmann einfach und erwähnt, sie selbst habe erst mit 25 Jahren angefangen.

Dass sie raucht, findet Luttmann wichtig für ihren Job. Sie raucht in einem ungewöhnlichen Zyklus: ,,Am Wochenende gar nicht, zu Hause selten und an einem Bürotag schon so ein Päckchen.'' Vielleicht kommt das daher, dass sie im Büro schon von Berufs wegen ständig an die Glimmstängel denken muss.

Zum "Ausgleich" ins Fitnessstudio

Es sei reizvoll, für ein Unternehmen zu arbeiten, ,,wenn man das Produkt selbst mag und konsumiert.'' Zum ,,Ausgleich'' gehe sie ins Fitnessstudio und Joggen. Ärzte würden sie vermutlich darauf hinweisen, dass in dem Fall auch Joggen nicht das Lungenkrebsrisko mindern kann.

Auch bei ihrem ersten Job in einer Hamburger Anwaltskanzlei waren Zigaretten schwer auszublenden: Gegenüber der Kanzlei hatte die Firma Rothmans Cigaretten ihren Deutschlandsitz. In einem Aushang war eine Stelle in der Rechtsabteilung ausgeschrieben. Das habe sie herausgefordert. Auch wegen des Gehalts? ,,Die Bezahlungen sind nicht anders als bei Kollegen in anderen Unternehmen'', sagt Luttmann. ,,In der Vergangenheit haben Tabak- und Erdölfirmen aber sehr gut bezahlt.''

Seit zwei Jahren in der heutigen Position

Nach der Übernahme von Rothmans durch BAT hat Luttmann zunächst noch in der Rechtsabteilung gearbeitet. Seit fast zwei Jahren ist sie in ihrer heutigen Position.

© SZ vom 28.09.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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