SZ-Serie:Was Börsenweisheiten bedeuten

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Die SZ beleuchtet den Expertensprech in den nächsten Tagen im Kursteil.

Von Victor Gojdka

Messerscharf kombinieren, das wollen viele an der Börse. Doch die Beziehung der Börsianer zu Messern ist zweischneidig. Schließlich überliefern Börsendoyens seit Jahrzehnten eine alte Weisheit unbekannter Herkunft: Niemals in ein fallendes Messer greifen! Was diese und andere Weisheiten im Umgang mit Aktien bedeuten, beleuchtet die Süddeutsche Zeitung in den kommenden Tagen immer über ihrem Kursteil.

Ein "fallendes Messer" fangen Anleger im Börsensprech auf, wenn sie bei fallenden Kursen Aktien kaufen. Viele können nicht von solchen Aktionen lassen: Wenn der Kurs schon so stark gesunken ist, sagen sie sich, muss es nun wieder aufwärts gehen. Doch ausgerechnet in dieser Annahme haben sich die Anleger oft geschnitten. Denn vielmals geht es mit einer Aktie nach dem ersten Fall nicht sofort wieder nach oben, sondern weiter abwärts. Schließlich hat es oft einen triftigen Grund, dass die Notierungen fallen: Das Unternehmen musste vor sinkenden Gewinnen warnen, die Manager hinken bei der Digitalisierung hinterher, ein Skandal lässt das Unternehmen auch nach Monaten nicht los. Dass eine Aktie einst neunzig Euro kostete und heute weniger als zehn, ist kein hilfreicher Maßstab - ein fallender Preis allein ist ein schlechtes Kaufargument.

Anleger, so legt es das Sprichwort nahe, sollten daher abwarten, bis das Messer auf den Boden gefallen ist, bis sich auch in den Kursen ein "Boden bildet". Bis die Stimmung also nachhaltig umgeschlagen ist und das Unternehmen wieder glänzt oder zumindest ein bisschen funkelt.

Doch manche Anleger lockt der Glanz der Klinge, sie können vom Spiel mit dem Messer nicht lassen. Auch sie haben durchaus Argumente auf ihrer Seite: Viel zu oft übertreiben die Börsen im Rausch nach unten. Viel zu weit prügeln Investoren die Kurse aufgrund von Schlagzeilen runter, viel zu häufig verpuffen die Auswirkungen vor allem politischer Hiobsbotschaften an den Finanzmärkten schon nach wenigen Stunden. Und vielleicht ist ein Skandal, in dem alle Urteile schon gesprochen sind, ja tatsächlich schon fast ausgestanden.

Wer es auf den Messerkampf ankommen lassen will, muss also detailliert analysieren, aus welchen Gründen die Aktie fällt: Ob die restlichen Anleger in ihrem Verkaufswahn übertreiben oder grundlegende Probleme im Geschäft die Ursache für den Absturz sind. Wer als Privatanleger jedoch ruhig schlafen will und seine Finger noch braucht, der muss das Glück nicht herausfordern.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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