SZ-Serie: Rohstoffe (IX):Heiße Ware

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Öl ist der meistgehandelte Rohstoff der Welt. Nun können auch Privatanleger am Boom teilhaben.

Gerd Zitzelsberger

Viele ballen die Faust in der Tasche, wenn sie auf die Rekordpreise beim Öl schauen: Die meisten, weil ihnen vor dem nächsten Tank-Stopp graut, und manche, weil sie an verpasste Spekulationschancen denken. Kein anderer Rohstoff wird unter den Profis so viel gehandelt wie Öl, doch deutsche Privatanleger müssen nach entlegenen Instrumenten suchen, wenn sie auf den Ölpreis wetten wollen.

Öl-Raffinerie des französischen Öl-Konzerns Total in Leuna. (Foto: Foto: dpa)

Selbst vor wenigen Monaten noch hatte kaum einer damit gerechnet, dass der Rohölpreis so hoch steigen könnte wie zuletzt; an diesem Freitag erreichte die Notierung einen erneuten Rekordstand. Seit Jahresbeginn ist es damit um 60 Prozent nach oben geschnellt; verglichen mit Ende 2003 hat sich der Preis sogar mehr als verdoppelt, und für die Europäer dämpft auch keine weitere Dollar-Abschwächung mehr den Höhenflug.

Fast immer Terminkontrakte

Noch im Frühjahr gingen die Händler davon aus, dass die Preise im August unter 50 Dollar liegen würden. Nachzuweisen ist dies, weil das Öl, das jetzt auf den Markt kommt, schon damals gehandelt wurde: An den Börsen geht es schließlich kaum um Öl, das gerade aus den Tankern fließt, sondern fast immer um Terminkontrakte, also um das Öl von morgen und übermorgen.

Diese künftigen Lieferungen, vor allem jene in vier Wochen bis vier Monaten, wechseln in atemberaubendem Tempo ihre Beisitzer: An der New Yorker Terminbörse Nymex beträgt der Tagesumsatz bei WTI, der wichtigsten Öl-Sorte für Amerika, im Schnitt derzeit 238.000 Kontrakte - Tendenz steigend. Das entspricht einem Umschlag von 38 Milliarden Litern, dem vierfachen Tagesverbrauch an physischem Öl weltweit.

Kein homogenes Gut

Und an der International Petroleum Exchange (IPE) in London werden täglich nochmals um die 180 Millionen Barrel (Fass) ver- und gekauft. Die IPE ist die zweitgrößte Ölbörse, und ihr Kontrakt auf das Nordsee-Öl der Sorte Brent bildet eine Art Leitpreis für 65 Prozent des weltweiten Handels: Öl ist kein homogenes Gut, sondern jedes Feld liefert Öl mit einem anderen Schwefelgehalt oder anderer Dichte. Zusammen decken diese Öl-Lieferungen immer noch 35 Prozent des weltweiten Energiebedarfs.

Institutionelle Spekulanten wie Investmentbanken, großen Industrieunternehmen oder etwa Hedge-Fonds drehen beim Öl ein größeres Rad als bei jedem anderen Rohstoff. Doch Privatanleger spielen bislang praktisch keine Rolle. Denn ein traditioneller Öl-Kontrakt entspricht dem Kauf oder Verkauf von 1000 Barrel oder 159.000 Litern Öl und damit derzeit einem Wert von 53.000 Euro.

Selbst wer über genug Geld für Spekulationen in dieser Dimension verfügt, hat es schwer bei deutschen Banken: Die fürchten Scherereien, etwa dass sie das Öl, mit dem ihr Kunde spekuliert, physisch abnehmen müssten, heißt es in der Branche.

"Lieber Aktien oder Fonds"

Viel lieber empfehlen die Anlageberater der Kundschaft, doch Aktien von Öl-Konzernen oder Rohstoff-Fonds zu kaufen; aber auch diese Fonds setzen meist nicht unmittelbar auf Öl, sondern auf Rohstoff-Konzerne.

Tatsächlich aber laufen Öl-Preis und Öl-Aktien keineswegs immer parallel. BP oder Shell etwa haben speziell in den vergangenen zwei Jahren eine deutlich schwächere Kurs-Entwicklung genommen. Die Deutsche Bank beispielsweise bietet deshalb ihrer Kundschaft so genannte Öl-Zertifikate oder etwa eine Rohstoff-Anleihe an.

Achtung Kleingedrucktes

Doch wer sich nicht die Mühe macht, das Kleingedruckte sehr genau zu lesen, kauft unter Umständen etwas völlig anderes, als er haben wollte.

Eines der ganz wenigen Angebote auf dem deutschen Markt, die noch relativ einfach zu verstehen sind, ist ein Öl-Zertifikat der Baden-Württembergischen Bank. Dessen Wertentwicklung spiegelt quasi im Miniatur-Format exakt den Kursverlauf eines Terminkontrakts auf Brent-Öl mit Fälligkeit im Dezember 2006 wider. Der Nachteil: Die Anleger können damit nur auf steigende Öl-Preise wetten, aber nicht auf fallende.

Ein ähnliches Zertifikat bietet in Deutschland noch die ABN-Amro-Bank an. Der Vorteil dabei: Es läuft nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt aus. Dafür ist aber nicht ganz einfach zu durchschauen, wie hoch die Spesenbelastung wirklich ist.

Mini-Kontrakt

Auf internationalem Parkett beginnen jetzt freilich auch Kleinanleger zunehmend, auf Öl zu spekulieren. Die Nymex etwa hat dafür einen so genannten Mini-Kontrakt geschaffen, bei dem der Spekulant allerdings immer noch 500 Barrel Öl auf einen Schlag kauft oder verkauft. Und in London startete dieser Tage die Öl Securities Ltd den weltweit ersten Investment-Fonds, der nur Öl-Kontrakte enthält. Gewissermaßen als Schirmherren fungieren die schweizerische Großbank UBS und die amerikanische Citigroup.

Einen weiteren Weg, auf Öl zu wetten, und zwar auch auf fallende Preise, bieten so genannte Differenz-Zertifikate. Zu den großen Anbietern gehört die Londoner Man Group, die in der Schweiz eine deutschsprachige Außenstelle unterhält.

Prognosen liegen weit auseinander

Eine heiße Spekulation ist es auf jeden Fall, und die Prognosen über die künftige Entwicklung liegen weit auseinander: Portfoliomanager Torsten Dennin von der Deutschen Bank etwa rechnet für die nächsten Monate mit einer Ermäßigung auf 55 Dollar pro Barrel. Bei der amerikanischen Investmentbank Merrill Lynch dagegen argumentiert Expertin Catherine May kurz und bündig: "Man muss kaufen, was in China knapp ist."

© SZ vom 13.08.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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