SZ-Serie I: Erben:Immer schön der Reihe nach

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Auf den Staat ist Verlass. Er regelt die Erbfolge, falls der Patriarch die Hände in den Schoß gelegt und einfach abgewartet hat. Wer aber nicht schon zu Lebzeiten über sein Vermögen verfügt, programmiert oft den späteren Familienzoff. Die SZ zeigt in einer vierteiligen Serie, worauf es beim Vererben und Schenken ankommt.

Von Antje Schweitzer

(SZ vom 09.10.2003) — Michael Schumacher ist schon weg, Jan Ullrich ebenso. Jetzt auch noch Boris Becker. Und Theo Müller, der Chef der Unternehmensgruppe, macht es sogar mit Ansage im Nachrichtenmagazin Spiegel. Er wandert aus, und zwar in die Schweiz. Beim Milchbaron spielt die Erbschaftssteuer wohl eine entscheidende Rolle.

Nicht jeder Erbe würde so zur Kasse gebeten, wie die Nachkömmlinge von Theo Müller. Doch auch weniger Vermögende beziehungsweise ihre Verwandten müssen im Erb- oder Schenkungsfall regelmäßig einen Teil des Familiensilbers an den Fiskus abgeben; es sei denn, sie haben sich vorab eine steuerlich günstige Übertragungsstrategie zurecht gelegt.

Um zu verstehen, in welchem Fall das Finanzamt wie viel Erbschafts- oder Schenkungsteuer verlangt, muss man zunächst das dahinter stehende rechtliche Regelwerk kennen.

Gesetzte Folge

Alternative eins: die gesetzliche Erbfolge. Das Regelwerk, das der Gesetzgeber für die gesetzliche Erbfolge vorgesehen hat, ist vergleichsweise kompliziert und starr. "Die gesetzliche Erbfolge kommt immer dann zum Tragen, wenn der Erblasser keine eigenen Vorkehrungen hinsichtlich seiner Vermögensübertragung getroffen hat", sagt der Kölner Rechtsanwalt Günter Reinert. Dann können sorgsam aufgebaute Vermögen auf ungeliebte Verwandte übergehen oder in der Erbengemeinschaft die Fetzen fliegen.

Gesetzliche Erben sind - neben dem Ehepartner - die Blutsverwandten, vor allem Kinder, Eltern und Geschwister, niemals aber angeheiratete Verwandte. Mit einer Ausnahme: Auch Adoptionen können gesetzliche Erbrechte begründen. Seit dem 1. April 1998 gilt im übrigen zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern das gleiche gesetzliche Erbrecht wie zwischen ehelichen Kindern und ihren Vätern.

Das Gesetz teilt die Verwandten und Angehörigen des Erblasser in unterschiedliche Ordnungen ein (siehe unten) und legt so die Reihenfolge fest, mit der sie im Erbfall zum Zug kommen. Faustregel bei der Verteilung: Die Verwandten einer näheren Ordnung schließen die Angehörigen aus einer entfernteren Ordnung von der Erbfolge aus.

Innerhalb der einzelnen Ordnungen wird der Nachlass unter den Abkömmlingen nach bestimmten Prinzipien verteilt. Faustregel auch hierbei: In der jeweiligen Ordnung schließen die näheren Verwandten des Erblassers die entfernteren Verwandten von der Erbfolge aus.

Den ersten Zugriff auf den Nachlass haben beispielsweise in der I. Ordnung die Kinder vor den Enkeln und Urenkeln.

Innerhalb der I. Ordnung wird die Erbfolge nach Stämmen verteilt. Einen Stamm bildet jeweils jedes Kind des Erblassers zusammen mit seinen Abkömmlingen. Beispiel: Ein Erblasser hat zwei Kinder, Sohn und Tochter. Wenn er stirbt, teilen sich die Geschwister zu gleichen Teilen das Erbe ihres Vaters. Ist der Sohn vor seinem Vater gestorben und hinterlässt er ebenfalls zwei Kinder, treten diese an seine Stelle. Die Tochter erbt dann die Hälfte, die beiden Enkelkinder je ein Viertel.

In der II. und III. Ordnung wird das Erbe nach Stämmen und nach Linien (väterliche oder mütterliche Linie) verteilt. Vater und Mutter bilden mit ihren Abkömmlingen je eine Linie. Auch innerhalb einer Linie gilt: Der mit dem Erblasser am nächsten Verwandte schließt die anderen Angehörigen dieser Linie von der Erbfolge aus. Beispiel: Ein kinderloser Sohn stirbt. Es lebt nur noch seine Mutter. Dann fällt die "Stammportion" des Vaters an die Geschwister des Erblassers. Mehrere Geschwister erhalten diese "Portion" zu gleichen Teilen.

Sind bereits Geschwister vorher verstorben, treten deren Kinder an ihre Stelle. Leben beide Elternteile noch, dann erben sie den gesamten Nachlass ihres Sohnes zu gleichen Teilen. Ab der IV. Ordnung wendet sich der Gesetzgeber von der Erbfolge nach Stämmen ab und geht zum so genannten Gradualsystem, das bedeutet: zum Alleinerbe der Nächstverwandten, über. Bei identischem Verwandtschaftsgrad wird die Erbmasse nach Köpfen verteilt.

Staat als Nutznießer

Für den Ehegatten besteht ein Erbrecht selbständig neben dem der Verwandten. "Erben kann er immer nur das, was ihm sein Partner hinterlässt", erläutert Rechtsanwalt Reinert. Von Erbschaften innerhalb der Verwandtschaft der Ehefrau oder des Ehemannes erhält der jeweils andere nach der gesetzlichen Erbfolge nichts.

Wie hoch die Erbschaft vom Ehegatten ausfällt, hängt aber wiederum von dessen verbleibenden Verwandten ab:

-Ein Viertel des Nachlasses erbt der Ehegatte, wenn Verwandte der I. Ordnung (Kinder, Enkel usw.) noch leben. -Den Nachlass teilen muss sich der Partner mit Verwandten der II. Ordnung sowie den Großeltern. -Gibt es weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung, noch Großeltern, erhält der Ehegatte die ganze Erbschaft.

Haben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, bestimmt der Gesetzgeber, dass der Zugewinnausgleich pauschal durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel erfolgt. Wurde Gütertrennung vereinbart und hinterlässt der Verstorbene Kinder, erben der überlebende Partner und jedes Kind zu gleichen Teilen.

Nicht immer lassen sich jedoch gesetzliche Erben ermitteln. Dann geht das Erbe an den Staat. Wer das, aber auch den Zoff im Familienclan verhindern will, macht am besten ein Testament.

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