SZ-Serie Finanzplanung Teil (VI):Wenn der Berater pfuscht

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Mangelhafte Anlageberatung kann teuer werden - nicht nur für den Betroffenen, der sein Geld verliert, sondern auch für den Berater, der das Investment empfohlen hat. Immer wieder landen Streitfälle zwischen Kunden und Anlageberatern vor Gericht. Der Erfolg solcher Klagen hängt jedoch vom Einzelfall ab.

Von Daniela Kuhr

In diesem Fall traf es einen Gärtner. Gemeinsam mit seiner Frau hatte er 20.000 DM angespart, die er nun gewinnbringend investieren wollte. Die Anlageberaterin riet, alles auf eine Aktie zu setzen. Ein Vorschlag, der bereits seltsam genug ist, denn normalerweise raten Experten, das Vermögen auf verschiedene Werte mit unterschiedlichem Risikogehalt zu streuen.

So können eventuell auftretende Verluste in einem Bereich mit Gewinnen aus anderen Bereichen ausgeglichen werden. Doch hinzu kam noch, dass die empfohlene Aktie nicht börsennotiert war. Auf diesen Umstand wies die Beraterin das Ehepaar zwar hin, nicht aber auf die Gefahren, die damit verbunden sind. Als der Gärtner wenige Jahre später das Geld brauchte, stellten sich die Aktien als unverkäuflich heraus.

"Ein klassischer Fall von Falschberatung", sagt Peter Balzer, Anwalt und Experte für Beraterhaftung am Rechtszentrum für europäische und internationale Zusammenarbeit in Köln. "Der Berater ist verpflichtet, sich über die Anlageziele und das Vorwissen seines Kunden zu informieren", erklärt der Jurist. "Unterlässt er das und empfiehlt eine Investition, die völlig an den Bedürfnissen des Kunden vorbeigeht, muss er den Schaden ersetzen."

Hohe Dunkelziffer

Fachkreise schätzen die Verluste, die Anleger jährlich infolge mangelhafter Beratung erleiden, auf mehrere Milliarden Euro. "Genau wird sich die Summe nie beziffern lassen, da viele Streitigkeiten auch außergerichtlich beigelegt werden", sagt Balzer.

Die Pflichten eines Beraters sind im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Doch in seinem "Bond-Urteil" aus dem Jahr 1993 hat der Bundesgerichtshof hierzu grundsätzlich festgestellt, dass eine Bank "anlegergerecht" und "objektgerecht" beraten muss.

Das heißt: Sie muss "den - gegebenenfalls zu erfragenden - Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft" berücksichtigen, heißt es im Leitsatz des Urteils. Und: "Das von ihr empfohlene Anlageobjekt muss diesen Kriterien Rechnung tragen" (Aktenzeichen: XI ZR 12/93).

"Diese Grundsätze gelten nicht nur bei der Beratung durch eine Bank, sondern bei jeder Anlageberatung", sagt Balzer. Sie greifen also auch, wenn etwa ein selbstständiger Vermögensberater ein bestimmtes Investment empfiehlt. Voraussetzung ist lediglich, dass überhaupt ein Beratungsvertrag geschlossen wurde.

"Das geschieht in der Regel konkludent, also allein durch schlüssiges Verhalten", erklärt Balzer. "Schon mit der bloßen Aufnahme eines Beratungsgesprächs ist der Vertrag geschlossen."

Mangelhaft aufgeklärt

Auch im Fall des Gärtners hat das Oberlandesgericht Oldenburg einen Beratungsvertrag bejaht. Die Auskunft sei für das Ehepaar "erkennbar von erheblicher Bedeutung" gewesen und sollte "zur Grundlage ihrer Anlageentscheidung gemacht werden", heißt es in dem Urteil aus dem Jahr 2002 (Aktenzeichen: 6 U 66/02).

Die Richter sprachen dem Ehepaar Schadensersatz zu. Die Beraterin habe mangelhaft über die Risiken des Investments aufgeklärt. "Im konkreten Fall hätte sogar Anlass bestanden, dem Kläger und seiner Ehefrau, die in eher bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten, von dem Erwerb nicht börsennotierter Aktien abzuraten", entschieden die Richter.

Vermittler geben keine Empfehlungen

So weit gehen die Pflichten eines reinen Vermittlers nicht. Dieser schuldet lediglich die vollständige Aufklärung über Chancen und Risiken eines Investments. Von einem Berater unterscheidet er sich dadurch, dass er keine Empfehlungen aussprechen muss.

"Genau aus diesem Grund würde ich sagen, dass es den reinen Vermittler eigentlich gar nicht mehr gibt", sagt Balzer. "Denn jeder Kunde fragt doch früher oder später, ob das angepriesene Produkt für ihn denn auch geeignet ist. Sobald aber der Vermittler darauf antwortet, hat er schon einen Beratungsvertrag geschlossen - mit der Folge, dass die Grundsätze der Beraterhaftung greifen."

Nicht jedes Investment, bei dem der Anleger Geld verliert, ist jedoch gleich ein Fall von Falschberatung. Kunden, die auf eigene Initiative eine bestimmte Aktie kaufen - zum Beispiel, weil sie in einem Anlegermagazin darüber gelesen haben oder ein Bekannter ihnen einen Tipp gegeben hat, können sich hinterher nicht beschweren, wenn das Investment verlustreich war. "Wer überhaupt keinen Rat in Anspruch nimmt, kann auch nicht falsch beraten worden sein", erklärt Balzer.

Zudem hat nahezu jedes Investment auch Risiken. "Allein die Tatsache, dass diese sich verwirklichen, berechtigt noch nicht zu Schadensersatz", so der Jurist. Etwas anderes gelte, wenn der Bankmitarbeiter der Rentnerin, die ihr Leben lang nur Bundeswertpapiere besessen hat, plötzlich hochspekulative Aktien empfiehlt. "Wenn die im Kurs fallen, ist das zwar nicht ungewöhnlich. Doch da die Beratung nach den Kriterien des Bundesgerichtshof nicht anlegergerecht war, hätte die Kundin gute Chancen auf Schadensersatz."

Fehlberatung ist schwer nachzuweisen

Das große Problem sei allerdings die Beweislast, meint Balzer. "Der Anleger muss beweisen, dass er falsch beraten wurde." Und da steht dann oftmals Aussage gegen Aussage. Experten raten deshalb häufig, einen Zeugen zu dem Gespräch mitzunehmen.

Doch da ist Balzer skeptisch. Das sei zwar "besser als nichts", aber die Prozesse fänden oft erst Jahre nach dem Beratungsgespräch statt. "Bis dahin kann sich ein Zeuge nur noch schwer an den genauen Ablauf erinnern." Wenn der Kunde das wünsche, werde ein seriöser Berater aber sicher eine Gesprächsnotiz anfertigen, die die Parteien anschließend unterschreiben können.

Balzer weist zudem auf Folgendes hin: "Anleger sollten sich bewusst sein: Je höher die in Aussicht gestellte Rendite, desto höher ist auch das Risiko eines Verlusts. Wer ein großes Sicherheitsbedürfnis hat, muss das dem Anlageberater unmissverständlich klar machen."

© SZ vom 31.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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