SZ-Serie Finanzplanung Teil II:Beratung mit System

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Großbanken buhlen um private Sparer wie selten zuvor. Für Kunden birgt das die Chance, gründlich ihren Anlage- und Kreditbedarf zu analysieren, bevor sie Verträge schließen.

Von Simone Boehringer

Rund 2000 Privatkundenbetreuer der HypoVereinsbank drücken derzeit die Schulbank. In dreitägigen Seminaren üben sie sich in Gesprächsführung.

(Foto: N/A)

"Es geht darum, im Beratungsgespräch gemeinsam Anlage- und Finanzierungsstrategien zu entwickeln und dabei ohne zu frühe Produktdiskussionen die Wünsche und Ziele der Kunden einzubeziehen", erklärt Anja Welsch, Leiterin des Kundengruppen-Managements bei der HVB.

Das Ziel dahinter beschreibt sie so: "Die Kunden möglichst genau kennenlernen, um ihnen später in jeder Lebensphase die passenden Lösungen bieten zu können."

"Strukturierte Beratungen sind die Basis, um mit den Kunden ständig im Gespräch zu bleiben", bestätigt auch Birgit Krupp, Leiterin des Referats private Finanzplanung bei der Dresdner Bank.

Keine Verknüpfung mit Verkaufsquoten

Die Bank-Tochter der Allianz-Versicherung arbeitet besonders hartnäckig daran, ihr Image als "Beraterbank" zu pflegen.

Im Gespräch bleiben heißt freilich auch, regelmäßig und besser als bislang mit dem Kunden ins Geschäft zu kommen. Bis auf die Ausnahme der Deutschen Bank bleiben die Renditen im Privatkundengeschäft bei fast allen heimischen Instituten im internationalen Vergleich deutlich zurück.

Wesentlicher Grund dafür: Die deutschen Banken konnten in den vergangenen Jahren im Schnitt mit jedem Kunden kaum mehr als zwei Anlage- und/oder Kreditgeschäfte abschließen. In stärker konsolidierten Märkten wie etwa Frankreich oder Skandinavien liegt die Quote bei deutlich mehr als drei.

Erstaunlicherweise gilt es unter leitenden Privatkundenbankern trotzdem zunehmend als Tabu, konkrete Absatzziele mit den Finanzplan-Konzepten in einem Atemzug zu nennen. "Wir haben mit dem neuen Konzept keine Verkaufsquoten verknüpft. Denn damit gewinnt keine Bank das Vertrauen ihrer Kunden", meint HVB-Vertreterin Welsch.

Wandel beschleunigt

Jörg Brock, Leiter für Anlageprodukte des Privatkundengeschäfts der Commerzbank, spannt den Bogen sogar noch viel weiter: "Die Bankenbranche hat seit dem Aktiencrash 2000 ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Umfassende Beratungsansätze ohne direkten Verkaufsdruck spielen eine wesentliche Rolle dabei, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen."

Hinter vorgehaltener Hand sind sich die Bankvertreter freilich einig, dass sie "das Privatkundengeschäft mit den Finanzplan-Konzepten nicht neu erfinden", wie es ein Produktmanager ausdrückt.

"Die Erfolge von unabhängigen Finanzvertrieben wie MLP oder AWD, die schon seit vielen Jahren mit produktunabhängiger Beratung werben, haben den Wandel sicherlich beschleunigt", glaubt auch Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt.

Gewichtung in Anlageklassen

Unabhängige Branchenbeobachter begrüßen den Trend bei den Banken, stärker zu beraten. "Eine intensivere Beschäftigung mit den Wünschen der Kunden ist auf jeden Fall ein Fortschritt", meint Thomas Bieler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Gleichzeitig warnt er davor, die Dauer der Beratung mit der Qualität gleichzusetzen. Etwa eine Stunde Zeit müssen die Kunden im Schnitt ohnehin für ein Erstgespräch mitbringen. "Entscheidend bei der Finanzplanung ist zudem, dass am Ende nicht gleich lauter Produktverträge stehen, sondern erst einmal eine Gewichtung in Anlageklassen."

Als eindeutig unseriös stuft Bieler Finanzpläne ein, "die das verfügbare Einkommen der Kunden vollständig für Sparpläne abschöpfen und keine Luft für außerplanmäßig laufende Ausgaben lassen."

Auf Anfrage der SZ bestätigen alle befragten Großbanken eine ähnliche Vorgehensweise bei der Beratung (Tabelle).

Ein Planer für jeden Kunden

Die Deutsche Bank hat ihre Planung am detailliertesten aufgebaut. Vom Grundfinanzstatus bis zum Immobilienplaner bekommen die Kunden jeweils zehn bis fünfzehnseitige Ausdrucke mit nach Hause, einschließlich konkreten Produkttipps. "Wir wollen uns an unseren konkreten Empfehlungen messen lassen, liefern aber immer auch eine ausführliche Begründung dazu", erklärt Knut Fischer, dessen Abteilung die Pläne für den Branchenprimus entwickelt.

Selbst wer sich als Neukunde nur über das Konten- und Kartenangebot der Deutschen Bank informiert, bekommt einen Planer mit nach Hause. "Wir hoffen, dass wir die Kunden damit schon beim Einstieg davon überzeugen, dass wir ihre Finanzangelegenheiten von Anfang an systematisch angehen", so Fischer.

Erst kennen lernen, dann informieren

Die HypoVereinsbank dagegen verfolgt eine andere Strategie: "Wir wollen die Kunden besser kennen lernen, sie aber nicht gleich mit Informationen überfrachten", beschreibt HVB-Managerin Welsch die Philosophie dahinter.

Der hinter dem sechsseitigen Fragenkatalog liegende Produktkanon, der in Folgegesprächen angesprochen werden kann, umfasst daher nur 17 Komponenten und explizit keine Tipps zu Einzelaktien. Erst im zweiten Schritt erfolgt eine Liquiditäts-, Vorsorge- oder auch Vermögensplanung mit konkreten Vorschlägen.

Musterdepots

Die Dresdner Bank macht von der eingangs vorhandenen Anlagesumme abhängig, ob gleich Produkttipps mitgeliefert werden oder nicht. Wer wenigstens 50.000 Euro mitbringt, erhält eine allgemeiner gehaltene Bilanz, die Vermögen und Finanzierung gegenüberstellt und daraus abgeleitet Gewichtungsempfehlungen in einzelnen Anlageklassen.

Ähnlich hält es auch die Commerzbank, die das Ergebnis der Anlageberatung ihrer Kunden je nach Risikoprofil in sechs verschiedenen Musterdepots von "Sicherheit" bis "Chance" ausdrückt. Die Kuchendiagramme sind zunächst aufgeteilt in die Anlageklassen Renten, Aktien, Immobilien und Liquidität. "Für kleinere Portfolios etwa bis 15.000 Euro empfehlen wir Dachfonds, danach Einzelfonds und erst bei deutlich höheren Beträgen Einzelaktien", erläutert Commerzbank-Anlagenspezialist Brock.

© SZ vom 30.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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