SZ-Reihe:Das Depot sommerfest machen

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Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Wetten vermeiden, Grenzen setzen und vor allem immer einen kühlen Kopf bewahren - was Anleger zum Ferienstart beachten sollten und was sie von den Profis lernen können.

Von Simone Boehringer, München

Juli ist in den meisten Bundesländern schon Ferienzeit - so auch in Frankfurt, London und New York, den wichtigsten Finanzzentren. Das heißt: Die Handelsumsätze an den Aktienmärkten dünnen in diesem Monat in der Regel immer mehr aus. Schon kleinere Ereignisse können daher die Kurse stärker bewegen als üblich. Grund genug, das eigene Depot sommerfest zu machen - vor allem dann, wenn man selbst in den Urlaub fährt. Man kann sich hierbei durchaus an den Profis orientieren. Die SZ fasst die wichtigsten Aspekte für den Depotcheck zusammen.

Strategie überprüfen

Was bei Investmentgesellschaften regelmäßig in Strategiegesprächen passiert, sollten Privatanleger wenigstens ein bis zweimal im Jahr gleichfalls tun. Die richtigen Fragen stellen: Passt mein Depot noch zu meinem Anlageziel? Also langfristige Werte angelegt für langfristige Ziele und kurzfristige Geldanlagen für kurzfristige Ziele? Sind meine Risiken breit gestreut? So darf zum Beispiel der Niedergang in einer Branche nicht das Gros der Aktien berühren, die Krise in einem Land nicht zur Folge haben, dass das komplette Aktiendepot abstürzt.

Gewinne mitnehmen

Daran knüpft sich die Frage an, welche Werte bis zum Zeitpunkt des Urlaubschecks außergewöhnlich gut gelaufen sind oder durch ein stark überdurchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis auffallen. Dies sind potenzielle Verkaufskandidaten, zumal, wenn es sich dabei um Werte aus konjunkturabhängigen oder anderweitig riskanten Branchen handelt.

Riskantes verkaufen

Neben Dividendentiteln aus Risikobranchen gehören auch Termingeschäfte und auslaufende Zertifikate oder Zinstitel zu den Wertpapieranlagen, die einem den Urlaub vermiesen können. "Auch viele Profis fahren die großen Wetten in den Sommermonaten zurück und vertrauen stark auf die Klassiker", verrät Marco Herrmann, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter Fiduka. Die Alternative ist, dass der gemütlich geplante Familienurlaub einen dauernd ins Hotel zurück oder gar ins Internet-Café treibt - wenn die Handy-Verbindung unterwegs nicht ausreicht, um sicher Bankgeschäfte zu betreiben. Für diesen Fall ist wichtig, wenigstens die Depotkennungen und Passwörter irgendwo auf einem Stick oder auch auf Papier mitzuführen.

Fristen beachten

Zeitlich befristete Anlagen wie Optionen oder Zertifikate sollten am besten nicht während der eigenen Urlaubsabwesenheit auslaufen. Andernfalls ist es ratsam, solche Papiere entweder vorher zu verkaufen oder vor Reiseantritt die Laufzeit zu verlängern, wenn das betreffende Papier auch längerfristig zur Anlagestrategie passt.

Limits setzen

Das ist meist der erste und beliebteste Rat von Anlegerschützern zum Thema Depotabsicherung. Es ist immer wichtig, zu jedem Wert, egal ob Aktien, Anleihe, Zertifikat oder für ein Währungs- oder Rohstoffdepot, eine sogenannte Stopp-Loss-Order zu setzen. Das heißt, man legt vorher fest, entweder für sich oder im Gespräch mit der Bank oder dem Vermögensverwalter, bei welchem Preisniveau bestimmte Titel automatisch verkauft werden. Um dabei nicht in eine allgemeine Verkaufswelle zu geraten - etwa zum Kurs 10, 100 oder 150 Euro - ist es wichtig, die Limits möglichst immer ungerade zu setzen, im Beispiel etwa auf 13 Euro, 103 oder 148. Bei stark schwankenden Papieren ist es zudem ratsam, das Limit nicht zu eng an den aktuellen Kurs zu setzen, sonst wird man eventuell zu schnell ausgebremst, und am Ende des Urlaubs ist das Depot stark dezimiert. Vorteil solcher Limits: Im Falle eines Crashs macht man diesen nur zu einem geringen Teil mit, und Emotionen wie Angst oder Panik bestimmen nicht das Handeln.

Umgekehrt ist auch eine Stop-Buy-Order möglich. Das bedeutet, dass Titel automatisch gekauft werden, wenn ein bestimmter Kurswert überschritten wird. In beiden Fällen ist darauf zu achten, dass die zeitlich beschränkten Limits auch bis zum Ende der Urlaubszeit reichen. Achtung: Manche Banken erheben Limit-Gebühren.

Bevollmächtigten benennen

"Die meisten Profis im Fondsmanagement arbeiten im Team. Das heißt, wenn der eine krank oder in Urlaub ist, übernimmt der andere und verantwortet eventuell nötige aktuelle Eingriffe", erklärt Herrmann von Fiduka. Privatanleger können sich daran orientieren, falls sie eine kundige und vertrauenswürdige Person in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis haben. Diese Person kann dann für vorher genau festgelegte Eventualitäten das Depot entsprechend steuern, wenn man dies nicht ohnehin an den Bankberater delegiert hat.

Cash-Reserve vorhalten

Profianleger haben meist 90 Prozent oder mehr der ihnen anvertrauten Gelder fix verbucht; falls es die Anlagestrategie zulässt, halten sie sich manchmal, und eben auch gerne in Urlaubszeiten, eine bis zu zehnprozentige "Reserve" für kurzfristige Kaufgelegenheiten oder auch für Nachkäufe, sollte eines der bestehenden Papiere im Depot sich kurzfristig für ein größeres Engagement empfehlen. Dies können sich Privatanleger zu eigen machen. Die Cash-Reserve fürs Depot ersetzt jedoch nicht die übliche Haushaltsreserve, zu der Verbraucherschützer ganz generell jedem raten, um größere Reparaturen, Krankheiten in der Familie oder plötzliche Arbeitslosigkeit besser abfedern zu können.

Langfristig orientierte Anleger müssen sich ansonsten wenig Sorgen machen. Wer einen zehn- oder mehrjährigen Anlagehorizont hat, etwa zur Aufbesserung der eigenen Altersvorsorge, kann einen Sommersturm im Depot mit den paar Routinetipps normalerweise gut aussitzen. Zudem, beruhigt Fiduka-Geschäftsführer Herrmann: "Die Ertragslage der meisten Unternehmen in Europa ist gut, die Gewinnerwartungen wurden zuletzt eher nach oben korrigiert." Kein Grund also, im Liegestuhl wegen irgendwelcher Lappalien nervös zu werden.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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