Subventionsabbau:Unterm Rasenmäher

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Von der Eigenheimzulage bis zur Steinkohleförderung: Koch und Steinbrück verschonen kaum jemanden von ihren Sparvorschlägen.

Von Robert Jacobi

(SZ-Artikel vom 1.10.2003)— So geheim sollten die Treffen ablaufen, dass Roland Koch und Peer Steinbrück einmal sogar vor Journalisten an einen anderen Ort flüchteten. Alle beteiligten Beamten schwiegen monatelang.

Selbst Bundesfinanzminister Hans Eichel bekam die Streichliste, auf die sich Koch und Steinbrück geeinigt haben, erst am Dienstagmorgen zugestellt. Die beiden halten ihr Programm für durchsetzungsfähig, weil niemand besonders benachteiligt oder bevorzugt werde: Linear wollen sie fast alle Subventionen um zwölf Prozent in drei Jahren kürzen.

Körbeweise Subventionen

Zunächst hatten Koch und Steinbrück die Gesamtsumme der Subventionen definiert, die sie für abbaubar halten - sowohl Steuervergünstigungen als auch direkte Finanzhilfen. Dabei kamen sie auf 127,3 Milliarden Euro. Ausdrücklich nicht als Subventionen werteten sie Zahlungen an Krankenhäuser, Kindertagesstätten oder Pflegeeinrichtungen. Dies gilt auch für Zuschüsse an die überlasteten Städte und Gemeinden.

Jene Subventionen, die nach Ansicht der Ministerpräsidenten in jedem Fall gekürzt werden sollen, liegen in Korb I. Die Gesamtsumme dieser Subventionen liegt heute bei 77,4 Milliarden Euro. Sie sollen in den Jahren 2004 bis 2006 insgesamt um 15,8 Milliarden Euro sinken. Danach beläuft sich der Spareffekt langfristig auf 10,5 Milliarden Euro im Jahr. Gekürzt werden sollen auch politisch umstrittene Steuervergünstigungen.

Eigenheimzulage: Während Eichel die Zulage ganz streichen will, bleiben Koch und Steinbrück bei ihrem linearen Ansatz: Wer heute ein Haus baut, bekommt bis zu 2556 Euro jährlich vom Staat, für Anbauten oder Wohnungskauf liegt der Satz 1278 Euro. Im Jahr 2006 sollen 2250 beziehungsweise 1125 Euro übrig bleiben. Das Entlastungsvolumen liegt ab 2006 bei 1,35 Milliarden Euro. Vor allem die Union hatte die Zulage verteidigt.

Bei den Pendlern gehen Koch und Steinbrück nicht so weit

Pendlerpauschale: Bei dieser Steuervergünstigung für Berufspendler gehen Koch und Steinbrück ebenfalls nicht so weit wie Eichel. Heute werden für Strecken bis zu zehn Kilometer 36Cent vom zu versteuernden Einkommen abgezogen, darüber hinaus 40Cent. Die Ministerpräsidenten weichen etwas von ihrer linearen Kürzungsmethode ab: Beide Sätze sollen bis 2006 auf 35 Cent sinken. Damit Nahpendler nicht bevorzugt werden, sinkt gleichzeitig auch der Pauschalbetrag für Arbeitnehmer. Die Entlastung für die öffentlichen Haushalte soll langfristig bei 1,18 Milliarden Euro liegen.

Sparerfreibetrag: Momentan darf ein Alleinstehender 1550 Euro an Zinseinkünften behalten, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen. Dieser Satz soll bis zum Jahr 2006 schrittweise auf 1370 Euro sinken. Ist dieses Ziel erreicht, wird der Staat 240Millionen Euro pro Jahr sparen. Der Freibetrag soll auch für Dividenden gelten.

Abschreibungsregeln: Die Bedingungen sollen verschärft werden. Neuanschaffungen sind zum Tag des Erwerbs zu verbuchen. Bisher können sie steuerlich auf Anfang Januar oder Anfang Juli vorgezogen werden, wodurch der Staat 2,43 Milliarden Euro verliert. Der halbe Steuersatz für betriebliche Veräußerungsgewinne soll nicht mehr gelten.

Ganz gestrichen wird die Umsatzsteuerbefreiung bei der Auftragsforschung. Dazu wären Jobtickets für den öffentlichen Nahverkehr nicht mehr steuerfrei. Kürzen wollen die Ministerpräsidenten auch bei den direkten Finanzhilfen. Größter Posten sind die Steinkohlebeihilfen mit circa 530 Millionen Euro. Dieser Betrag war mit den Bergwerksbetreibern und Gewerkschaften aber längst vereinbart.

Landwirte bekommen weniger

Die Erstattung an Verkehrsbetriebe, die Schülern und Behinderten Rabatte gewähren, wird um 192 Millionen Euro gekürzt. Landwirte bekommen 188 Millionen Euro weniger für ihre Kranken- und Unfallversicherung. Die Mittel für Bundeswasserstraßen werden um 161 Millionen Euro gekürzt.

Die Werftindustrie muss auf 15 Millionen Euro verzichten. Der Zuschuss für Schienenbau soll um bis zu 1,9 Milliarden Euro sinken. Für Mischfinanzierungen von Bund und Ländern gibt es 1,25 Milliarden Euro weniger. Diese Summen sollen nicht linear erreicht werden, sondern durch die Streichung ganzer Projekte.

Der Korb II beläuft sich auf 5,9 Milliarden Euro und enthält zwei Punkte, auf die sich das Duo nicht einigen konnte: Koch verteidigte die Nachlässe für Industriebetriebe bei der Ökosteuer, Steinbrück die Nacht- und Feiertagszuschläge für Arbeitnehmer.

In Korb III mit 44 Milliarden Euro liegen Subventionen für Bildung, Forschung, Kirchen und Kultur, die beide Ministerpräsidenten vollständig erhalten wollen. Ausgenommen haben Koch und Steinbrück auch den ermäßigten Satz bei der Umsatzsteuer für Lebensmittel oder Schnittblumen, weil sie nicht als Steuererhöher dastehen wollten. Sie empfehlen aber, eine generelle Erhöhung von sieben auf acht Prozent zumindest zu diskutieren.

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