Studie der Böckler-Stiftung:Arbeit macht krank

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Die Hälfte aller Betriebe vernachlässigen die Gesundheitsvorsorge für ihre Mitarbeiter. Dabei müssten die Arbeitgeber nach dem Gesetz zum Arbeitsschutz seit 1996 regelmäßig prüfen, wie stark ihre Beschäftigten am Arbeitsplatz gesundheitlich beansprucht werden.

Von Michael Kläsgen

Die Studie kommt zwar von einem gewerkschaftsnahen Institut, repräsentativ ist sie aber dennoch. Insgesamt 2200 Betriebe und 1400 Personalräte hat das Düsseldorfer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) befragt und kam anschließend zu dem Ergebnis: Seit fast zehn Jahren wird das Arbeiten in Deutschland ungesünder.

Der Stress nimmt zu, die Arbeit wird mehr, und die Zeit, sie zu erledigen, kürzer. In neun von zehn Betrieben ist das so, ergab die Umfrage. Den meisten Arbeitnehmern dürfte das aus dem Herzen sprechen.

Aber die Forscher der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten die Daten nicht aus diesem Grund. Die Umfrage platzt vielmehr in eine Zeit, da über längere Arbeitszeiten diskutiert wird, um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.

"Dabei hat noch vor etwa sechs Jahren eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey ergeben, dass die Produktivität umso höher ist, je kürzer die Arbeitszeit ist", sagt Claus Schäfer, der beim WSI für die Erhebung verantwortlich ist.

Gesundheitsvorsorge ist kein Thema

Das Ziel der Forscher ist es, diese Debatte mit ihrer Studie zu konterkarieren. Zumindest ist das ein gewünschter Nebeneffekt. In erster Linie wollen die Wissenschaftler aber darauf hinweisen, dass sich gerade einmal die Hälfte aller Betriebe überhaupt um die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer kümmert.

Je kleiner die Firma, desto geringer das Interesse daran. Der Bundesverband Deutscher Arbeitgeber bestätigt dies indirekt. Der Verband hat noch nie eine Studie darüber angefertigt, ob die jeweiligen körperlichen oder psychischen Belastungen in einem Unternehmen die Mitarbeiter schädigen könnten.

Dabei fordert das Arbeitsschutzgesetz die Firmenchefs seit 1996 dazu auf, regelmäßig zu prüfen, wie stark die Beschäftigten gesundheitlich an ihrem Arbeitsplatz beansprucht werden. Dass solche "Gefährdungsbeurteilungen" selten erstellt werden, führt das WSI darauf zurück, dass Gesundheitsvorsorge in den meisten Betrieben überhaupt kein Thema ist.

Ganz abgesehen davon, dass sich Stress schlecht messen lässt, und das Interesse daran, ihn festzustellen, auf Arbeitgeberseite nicht außerordentlich groß sein dürfte. Kein Wunder, dass nur 14 Prozent aller befragten Firmen Betriebsvereinbarungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz haben.

Freiwillige oder verpflichtende Gesundheitsvorsorge?

Dass die Umfrage des WSI eine so große Wirkung hat, überrascht. Denn streng genommen ist es nur auf eine Kampagne aufgesprungen, die die Bundesregierung und die Industriegewerkschaft Metall getrennt voneinander seit längerem führen - allerdings ohne sichtbaren Erfolg.

Weil sich die Düsseldorfer Forscher damit nicht zufrieden geben, werfen sie nun die Frage auf, ob das Arbeitsschutzgesetz denn tatsächlich seinen Zweck erfüllt, solange es auf der Freiwilligkeit der Unternehmen basiert und diese nicht zu einer innerbetrieblichen Gesundheitspolitik verpflichtet.

Denn die Studie ergab: Nur jede achte Firma hat von sich aus vorbeugende Maßnahmen gegen die Überlastung ihrer Mitarbeiter ergriffen. Kurzum: Im Prinzip steckt hinter der Erhebung des Instituts die Forderung nach einer Reform des Arbeitsschutzgesetzes.

Dass es bald dazu kommen wird, bezweifeln die Forscher. Denn in Anbetracht der Wirtschaftslage scheuten die Arbeitgeber wohl die Kosten.

© SZ vom 28.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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