Streit um überhöhte Preise:Gaswirtschaft brüskiert Kartellamt

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Die großen Gasunternehmen stellen sich nach wie vor quer: Im Streit mit den Wettbewerbsbehörden enthalten sie Daten vor, die sie bis zu dieser Woche einreichen sollten.

Hans-Willy Bein und Wieland Kramer

Der Streit zwischen den Wettbewerbsbehörden und der Gaswirtschaft verschärft sich. Nach Informationen der SZ enthalten große Gasunternehmen dem Bundeskartellamt Daten vor, die sie bis zu dieser Woche einreichen sollten. Gasverbrauchern stehen erneut drastige Preisanstiege bevor.

Die Wettbewerbshüter hatten Missbrauchsverfahren gegen die großen Gasanbieter eingeleitet und sie aufgefordert, bis nach Ostern zu ihren Preiskalkulationen Stellung zu nehmen. Bislang liegen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung keine Reaktionen vor.

Vielmehr wollen die meisten der betroffenen Unternehmen offenbar Zeit herausschlagen und eine Fristverlängerung beantragen. Kartellamtspräsident Bernhard Heitzer hat aber bereits durchblicken lassen, dass seine Behörde Preisunterschiede von 60 Prozent zwischen einzelnen Anbietern nicht tolerieren wird und daran denkt, die wirtschaftlichen Vorteile der Konzerne "eventuell abzuschöpfen".

Der Streit dürfte neue Nahrung bekommen, denn vielen deutschen Gasverbrauchern stehen in den kommenden beiden Monaten kräftige Preiserhöhungen bevor. Mindestens 182 Gasversorger werden ihre Preise um durchschnittlich 6,7 Prozent anheben, wie das Verbraucherportal Verivox für die Frankfurter Allgemeine Zeitung errechnet hat. Ursache ist der Ölpreisanstieg. Der Gaspreis ist an den Ölpreis gekoppelt und folgt diesem mit einer Verzögerung von etwa sechs Monaten. Es lässt sich schon jetzt ausrechnen, dass Gas im Sommer erneut teurer werden wird. Seit 2005 sind die Gaspreise in Deutschland um knapp 40 Prozent gestiegen.

Erdgas aus Sibirien oder aus der Nordsee

Gegen die Entwicklung der Rohstoffpreise sind das Kartellamt und die Bundesnetzagentur machtlos. Beide Behörden schreiten aber gegen Geschäftsmodelle der Gaswirtschaft ein, an denen die Unternehmen kräftig verdienen. Besonders bei den vertikal integrierten Konzernen Eon und RWE, die sich durch ihre mehrstufige Gasversorgung "Speckringe" zulegen konnten, erzeugen diese Aktivitäten Unruhe.

Diese Unternehmen vereinen das Geschäft vom Import über den Ferntransport bis zum Gas-Verkauf an Stadtwerke, Industriekunden und teilweise sogar Privathaushalte.

Die Verdienstspannen dieser Konzerne werden deutlich, wenn man sich die gesamte Lieferkette vor Augen führt. Erdgas wird unter teilweise extrem schwierigen Bedingungen in Sibirien oder in der Nordsee gefördert.

Wenn der Brennstoff per Pipeline aus Russland oder Norwegen die deutsche Grenze erreicht, kostet er nach jüngsten Berechnungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn im Durchschnitt etwas mehr als 2 Cent je Kilowattstunde. Haushalte bezahlen dagegen durchschnittlich zwischen 5,5 und 7 Cent für die Kilowattstunde, also zum Teil mehr als dreimal so viel. Dazu kommt ein monatlicher Grundbetrag, der je nach Versorger zwischen 5 und 30 Euro schwankt.

Nur ein Drittel des Endpreises geht also an die Förderer und an die Lieferanten bis zur deutschen Grenze. Dazu kommen Transportkosten innerhalb Deutschlands von etwa 0,3 Cents je Kilowattstunde. Die Stadtwerke als die Nächsten in der Lieferkette geben jedoch an, dass ihre Bezugspreise mindestens 50 Prozent des Endpreises ausmachen. Damit bliebe eine Spanne von etwa 2,5 Cent, wovon der Staat über Steuern und Abgaben 1,5 Cent abschöpft. Importeure und Lieferanten der Stadtwerke wie Eon Ruhrgas operieren nach dieser Rechnung derzeit mit einer Marge von rund einem Cent, während für Stadtwerke und Endverteiler 1,5 Cent übrig bleiben. Darin enthalten sind die Entgelte für die örtlichen Netze (1 Cent), während der Rest (0,5 Cent) auf den Vertrieb und Leistungen wie Messung und Abrechnung entfällt.

Das Kartellamt sieht angesichts dieser Einnahmen Möglichkeiten, die Verbraucher zu entlasten. Vor allem der größte deutsche Gasimporteur Ruhrgas hat es bisher verstanden, der Öffentlichkeit Auskünfte zu den Preisen vorzuenthalten. Die Abrechnungen für den Transport des Brennstoffs sind intransparent. Ruhrgas beliefert vor allem Großunternehmen sowie Stadtwerke und regionale Gasversorger, vorzugsweise Unternehmen des eigenen Konzerns. Mehrstufigkeit kennzeichnet auch das Gasgeschäft bei RWE. Vom Gaseinkäufer RWE Gas Midstream über die Zwischenholding RWE Energy und die großen Regionalgesellschaften fließt das Gas durch viele Rohre und Bilanzen, bis es beim Verbraucher ankommt.

© SZ vom 25.03.2008/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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