Streit um Uber:Auf der Bremse

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Das alte Europa gegen die Zerstörer aus der neuen Welt: In Paris wird der erste Strafprozess gegen Manager von Uber geführt. Der umstrittene Fahrdienst reagiert - mit einer Strategie, die plötzlich auf Kooperation setzt.

Von Leo Klimm, Paris

Wie die Schuljungen stehen sie da, diese mutmaßlichen Kriminellen von Uber. Sie wirken brav. Die Angeklagten Pierre-Dimitri Gore-Coty, 30, Westeuropa-Chef des US-Onlineunternehmens; Thibaud Simphal, 34, der das Frankreich-Geschäft leitet, und Zachary de Kievit, 40, Uber-Justiziar für Europa, lauschen aufmerksam jedem Wort, das im Gerichtssaal gesprochen wird. Und wenn die Richterin mit der strengen Hornbrille sie zu sich nach vorn ruft, dann klammern sie sich an das Pult, wie Gore-Coty, oder sie zuppeln an ihrem Gürtel, um die zu weite Anzughose wieder hochzuziehen, wie Simphal. Sie rattern der Richterin die Angaben zur Person herunter. Ansonsten schweigen sie.

Ihre Augenringe verraten, dass es um viel geht für diese jungen Erfolgsmenschen, die eigentlich nur mit einer Onlinevermittlung für Fahrdienste Geld verdienen wollten, jetzt aber mehrere Jahre Gefängnis und sechsstellige Geldstrafen fürchten müssen. Weil der besonders umstrittene, im Sommer eingestellte Dienst Uber Pop, die Kunden an Fahrer ohne offizielle Beförderungslizenz vermittelte, wohl gegen französisches Recht verstieß. Gore-Coty und Simphal wissen schon, wie ungemütlich es hinter Gittern ist: Im Juni mussten sie eine Nacht in Polizeigewahrsam verbringen.

Überall wird Uber vor Gericht angegriffen, denn die Plattform bricht manchmal Gesetze - und fast immer althergebrachte Taxi-Monopole. Im Pariser Justizpalast wird seit Mittwoch aber zum ersten Mal ein Strafprozess gegen Verantwortliche des rasant wachsenden Konzerns geführt. Das Verfahren hat Signalkraft in der Auseinandersetzung zwischen dem, was einerseits technisch und wirtschaftlich machbar ist durch Onlinevermittler wie Uber, und dem, was andererseits rechtlich erlaubt und politisch vertretbar ist. Und weil dies, wie die Uber-Führung lernen musste, in Europa eng definiert ist, markiert der Pariser Prozess auch einen Strategiewechsel des US-Konzerns auf dem Alten Kontinent.

Die Amerikaner wollen aus der Rolle des Schurken raus

"Wir merken in der Praxis, dass unsere Vermittlung zwischen Privatpersonen in Kontinentaleuropa extrem schwer zu entwickeln sind", so ein Sprecher mit Blick auf Uber Pop. "Daher konzentrieren wir uns heute auf Dienstleistungen mit professionellen Fahrern." Uber will raus aus der Rolle des bösen US-Unternehmens, das vielen in Europa nicht als kreativer Zerstörer gilt, sondern nur als Zerstörer. Raus aus der Konfrontation, die Uber-Gründer Travis Kalanick einst anheizte, als er vom "Arschloch namens Taxi" sprach. Raus aus der Grauzone, die Uber bisher ausnutzte. Eine Grauzone, in der Fahrer keine Beförderungserlaubnis, keine Versicherung, keinen klaren Mitarbeiterstatus haben. "Wir geben uns diskret", sagt nun ein Sprecher.

In den USA hat Uber auch Ärger mit der Justiz. Dort ließ ein Richter eine Sammelklage von Fahrern zu, die eine Anstellung erzwingen könnten - eine Gefahr für das Geschäftsmodell. In Europa aber sind die Attacken allumfassend: Am Dienstag gab es in der europäischen Uber-Zentrale in Amsterdam eine Razzia. In Deutschland, Italien, Spanien und Belgien ist Uber Pop schon verboten, in Polen droht dasselbe.

In Deutschland offenbart sich die neue Uber-Strategie auch. Zwar legte das Unternehmen kürzlich Berufung ein gegen das Verbot von Uber Pop durch das Landgericht Frankfurt. Zugleich räumt Deutschland-Chef Christian Freese aber ein, dass sein Konzern es schwer habe in Europa. Er wolle fortan mit Partnern arbeiten, die eine Beförderungserlaubnis haben. Den Taxis bietet er sogar an, mittels einer provisionspflichtigen App ihre Geschäfte in Fahrt zu bringen. Doch die Taxiverbände trauen Uber nicht.

Am heftigsten aber ist der Widerstand in Paris. Die Stadt vereinigt die ganze Symbolik des Kampfes um Uber in sich: Sie ist der Ort, der die Firmengründer um Kalanick auf die Idee für die Onlinevermittlung brachte. Als sie sich 2008 zu einer Tech-Konferenz in Paris aufhielten, verzweifelten sie an der Taxi-Knappheit in Frankreichs Hauptstadt, die durch Überregulierung und bis zu 200 000 Euro teure Beförderungslizenzen erzeugt wird. Weil die Pariser Taxifahrer besonders viel zu verlieren haben, ist die Stadt auch der Ort, an dem es zuletzt im Juni zu brutalen Protesten gegen Uber-Fahrer und -Kunden kam. Die Politik - bis hin zum Staatspräsidenten - reagierte mit Verbotsforderungen. Gegen Uber.

"Wir wollen nichts erzwingen", sagt der Sprecher. Der Konzern versucht lieber, gut Wetter zu machen: Nachdem Frankreichs Verfassungsrat jüngst das Verbot von Uber Pop bestätigte, verkündete das Unternehmen die Absicht, die Mitarbeiterzahl zu verdoppeln. Frankreich ist mit etwa einer Million Kunden und 10 000 berufsmäßigen Uber-Fahrern nach Firmenangaben der wichtigste europäische Markt nach Großbritannien.

"Uber ist nicht Marie Antoinette", scherzt ein Taxifahrer. Der weitere Prozess wird vertagt

Für die Uber-Manager im Justizpalast könnte der Strategieschwenk allerdings zu spät kommen. Sie haben auf Klappstühlen Platz genommen, die als Anklagebank dienen. Über ihnen die hohe goldverzierte Kassettendecke des Gerichtssaals. Ganz altes Europa. Neben der Richterin türmt sich ein Aktenstapel aus Papier. Ganz alte Schule.

Die Richterin verliest sechs Anklagepunkte, für die sich die Männer persönlich und für die Uber als Unternehmen verantworten müssen. Es geht etwa "Komplizenschaft zur illegalen Ausübung eines Taxigewerbes", aber auch um Verstöße gegen Datenschutzgesetze. Auf manches steht bis zu fünf Jahre Haft. Die Angeklagten lassen ihre Anwälte sprechen und unterdrücken den reflexhaften Griff zum Smartphone. Dann irgendwann vertagt die Richterin den Prozess auf Februar. Und der Anwalt eines Taxi-Verbandes erlaubt sich einen kleinen Scherz: "Uber ist nicht Marie Antoinette", sagt er in Anspielung auf die französische Königin, die unter der Guillotine endete. "Uber wird nicht dasselbe Schicksal erleiden." Wie tröstlich für die Angeklagten.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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