Streit um Praxisgebühr:Ärzte verschonen säumige Zahler

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Die Kassenärztlichen Vereinigungen wollen nicht mehr das Inkasso-Risiko für säumige Zahler übernehmen. Dadurch müssen Patienten vorerst keine Strafen fürchten, wenn sie bei einem Arztbesuch ihre zehn Euro nicht gezahlt haben.

Von Andreas Hoffmann

Für Manfred Richter-Reichhelm ist die Sache klar. "Wir warten mit den Mahnverfahren erst einmal ab", sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Damit stellt er eine verabredete Arbeitsteilung zwischen Kassen und Ärzten in Frage. Im Dezember hatte das Schiedsamt von Ärzten und Kassen ein abgestuftes Verfahren festgelegt. Danach sollte zunächst der behandelnde Arzt den säumigen Patienten erinnern.

Helfen diese Aufforderungen nicht, soll die Kassenärztliche Vereinigung (KV) tätig werden und Mahnungen verschicken. Erst wenn diese Bemühungen erfolglos sind, sollen die Kassen für den Ausfall der entgangenen Gelder haften.

An dieses Modell will sich Richter-Reichhelm nun nicht mehr halten. Anlass ist ein Schiedsspruch für die Zahnärzte. Dort müssen AOK und Co. die nicht gezahlten Gebühren eintreiben, die kassenzahnärztlichen Vereinigungen bleiben außen vor. "Eine solche Regelung wollen wir auch haben", sagte Richter-Reichhelm und verwies darauf, dass es für Ärzte und Zahnärzte keine verschiedenen Verfahren geben könne.

Die Zögerlichkeit der Ärzte könnte Folgen haben. Branchenkenner befürchten, dass mehr Patienten die Gebühr prellen könnten - weil die Sanktionen ausblieben.

"Kein guter Stil"

Nach Schätzungen der KBV haben bundesweit bis 200 000 Patienten ihre Gebühr bislang nicht bezahlt, der harte Kern der Gebührenpreller gilt aber als wesentlich kleiner. Die KVen haben laut Richter-Reichhelm kaum Mahnbriefe verschickt, Ausnahme ist die KV Nordrhein.

Einzelne Kassenvertreter lehnen das Vorgehen des KBV-Vorsitzenden ab. "Das ist kein guter Stil", sagte der Chef des AOK-Bundesverbandes Hans Jürgen Ahrens. Man habe einen Kompromiss vereinbart.Zugleich forderte Ahrens mehr Realismus bei den Hausarztmodellen.

In der öffentlichen Diskussion wird häufig der Eindruck erweckt, die Aufwertung des Hausarztes als erste Anlaufstelle der Patienten helfe Kosten sparen. "Das wird aber bestenfalls ein Nullsummenspiel für viele Kassen", sagte Ahrens. Große Spareffekte erwartet er nicht.Die Kassen müssten Ärzten und Patienten Anreize bieten, damit sie daran teilnehmen. Dazu gehöre etwa ein Erlass der Praxisgebühr oder höhere Medizinerhonorare.

Unklar ist, wie die Modelle konkret aussehen sollen. Die AOK will nur mit besonders befähigten Hausärzte solche Modelle vereinbaren: "Wir können aber sicher keine Qualitätsprüfung für Ärzte machen". Derzeit testet die AOK Baden-Württemberg ein Modell, auch andere Kassen, wie Barmer, DAK oder Techniker planen solche Konzepte, bei denen der Patient zuerst den Hausarzt aufsuchen soll.

So sollen überflüssige Doppeluntersuchungen, unnötige Klinikeinweisungen und eine nicht abgestimmte Arzneitherapie vermieden werden. Im Gegenzug soll dem Bürger die Praxisgebühr erstattet werden. Die ersten Programme dürften in der zweiten Jahreshälfte starten, weil viele Details noch unklar sind.

Der Gesundheitsökonom und Berater von Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD), Karl Lauterbach, erwartet dagegen, dass die Hausarztmodelle schnell Kosten sparen könnten. Dadurch würde die Zahl der Arztbesuche sinken und weniger Arzneien verordnet.

Lauterbach widersprach auch einer Studie, wonach das deutsche Gesundheitssystem besser sei als sein Ruf. Die Untersuchung von Fritz Beske vom Kieler Forschungsinstitut IGSF sei ein "Auftragsgutachten für die Kassenärzte", sagte er der SZ.

So blieben die Qualitätsmängel in der Versorgung weitgehend unberücksichtigt.Beske hatte ermittelt, dass Deutschland im internationalen Vergleich über viele Ärzte, Fachärzte und Klinikbetten verfüge. Das hiesige System sei nicht weniger leistungsfähig als jene in vergleichbaren Ländern.

© SZ vom 20.04.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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