Streit um die "Buschzulage":Ein Stück aus dem Tollhaus

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Die Auseinandersetzung um die Sonderzulage für die Arbeit von früheren Telekom-Beamten in Ostdeutschland ist die jüngste, aber sicher nicht die letzte Aufgeregtheit um die Arbeitsmarktreform.

Von Nina Bovensiepen

Es wäre gelogen, zu behaupten, das Chaos käme unerwartet. Monatelang hat sich der Streit um die Verabschiedung der seit Jahrzehnten größten Arbeitsmarktreform hingezogen.

Mit jeder Woche, die verstrich, zeichnete sich deutlicher ab, dass es ein Kraftakt werden würde, die Reform pünktlich zum 1. Januar 2005 umzusetzen.

Nun ist das Desaster da: Täglich geistern neue Meldungen durchs Land, welche Ungeheuerlichkeiten das Hartz-IV-Gesetz angeblich bereit hält.

16-seitige Formulare, die die Antragsteller für das neue Arbeitslosengeld II überfordern; einen Monat kein Geld für Arbeitslose; Probleme mit der Software; Schwierigkeiten bei der pünktlichen Auszahlung - und jetzt auch noch die "Buschzulage" für West-Beamte, die im Osten bei der Bearbeitung der Anträge aushelfen sollen.

Empörter Aufschrei

Als "unnötig und geschmacklos" bezeichnete es Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) am Mittwoch, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) frühere Telekom-Beamte zu West-Tarifen mit hohen Sondervergütungen in ostdeutsche Bundesländer schicke.

Seine Kollegen aus Brandenburg und Sachsen, Matthias Platzeck (SPD) und Georg Milbradt (CDU), stimmten sogleich ein: In den neuen Ländern gebe es genug Arbeitslose, die für die entsprechenden Tätigkeiten in Frage kämen.

Diesem Druck sah sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) offensichtlich nicht gewachsen. Schnell ließ er mitteilen, man könne die Aufregung verstehen und nehme die Bedenken im Osten ernst. Deshalb habe er die Bundesagentur und die Telekom gebeten, einen Weg zu finden, auch ostdeutsche Mitarbeiter einzusetzen.

Was manchen aufgeregten Ministerpräsidenten befriedete, löste an anderer Stelle umgehend Empörung aus. "Ein Stück aus dem Tollhaus" spiele sich in Berlin ab, verlautete am Donnerstag aus Kreisen der kritisierten BA.

Hier empfindet man die Äußerungen von Clement als Affront. Dessen Ministerium habe die BA schließlich angewiesen, die 3000 Beamten der Telekom-Auffanggesellschaft Vivento als Hartz-IV-"Task Force" in den Arbeitsagenturen einzusetzen, heißt es.

Hintergrund ist, dass von vornherein klar war, dass die BA den zusätzlichen Aufwand, der durch die Bearbeitung der Anträge für das Arbeitslosengeld II entsteht, nicht alleine würde bewältigen können.

Ebenso klar war, dass die Behörde nicht tausende neuer Stellen schaffen sollte. Die Lösung mit Vivento lag daher aus mehreren Gründen nahe.

Erstens kann die BA die Mitarbeiter im Wege der Amtshilfe ausleihen. Es entstehen also keine zusätzlichen Arbeitsplätze.

Zweitens trägt die Telekom einen Teil der Bezüge der eingesetzten Beamten - auch die viel kritisierte Sonderzulage in Höhe von 5000 Euro.

Drittens war die BA unter erheblichem Zeitdruck, was Auswahl, Einstellung und Einarbeitung der Helfer betraf. Die Vivento-Lösung sei daher die "einfachste, wirtschaftlichste und qualitativ beste" gewesen, hieß es, zumindest bis vor kurzem. Denn einen Makel hatten alle Beteiligten eben nicht bedacht: Im Wege der Amtshilfe können nur Beamte entliehen werden - und solche hatte die Telekom in Ostdeutschland nicht.

Wem dieses Problem wann bewusst wurde, wird sich kaum mehr klären lassen. Offensichtlich ist, dass niemand einen derart empörten Aufschrei aus dem Osten einkalkuliert hatte. Anders lässt sich nicht erklären, dass Clement derart schnell einlenkte - auch wenn er damit neuen Ärger in Kauf nimmt.

Der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur, Peter Clever, wollte sich am Donnerstag offiziell zu den Vorgängen nicht äußern. Er zeigte sich aber extrem verwundert darüber, dass eine Sache, die in der Verantwortung der Regierung und Vivento gelegen habe, nun der BA angelastet werde.

Eine Fortsetzung in diesem, sicher nicht letzten Streit um die Arbeitsmarktreform, ist garantiert.

© SZ vom 23.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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