Streit über US-Finanzreform eskaliert:Geithner: "Es reicht"

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Timothy Geithner platzt der Kragen: Bei einem Treffen mit den obersten Finanzkontrolleuren bekam der Minister einen Wutanfall - weil diese die geplante Bankenreform torpedieren.

Moritz Koch, New York

Nimmt man die Anzahl von Schimpfwörtern in einem Redeschwall zum Maßstab innerer Unruhe, liegen bei Timothy Geithner die Nerven ziemlich blank. Offenbar hat die Furcht vor einem Scheitern der Finanzmarktreform, einem der wichtigsten innenpolitischen Vorhaben der neuen US-Regierung, den Minister gepackt.

US-Finanzminister Timothy Geithner (links) und Fed-Chef Ben Bernanke: in einem wichtigen Punkt über Kreuz. (Foto: Foto: AP)

Bei einem Treffen mit den Chefs staatlicher Kontrollorgane am vergangenen Freitag entlud sich Geithners Nervosität in einen Wutanfall, wie Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Teilnehmer berichten. Er überschüttete die Anwesenden mit Flüchen.

Zu den Gescholtenen zählen Notenbank-Chef Ben Bernanke, die oberste Börsenaufseherin Mary Schapiro und die Leiterin der Einlagensicherung Sheila Bair. Geithner brüllte sie an: "Es reicht".

Große Kompetenzlücken

Die andauernde Kritik der Kontrolleure an den Plänen der Regierung hat den Geduldsfaden des eigentlich eher gehemmt wirkenden Finanzministers reißen lassen.

Das Weiße Haus sieht in der mangelnden Regulierung der Wall Street einen der Hauptgründe für die weltweite Rezession. Bisher überschneiden sich die Zuständigkeiten der Behörden in Bereichen wie der Bankenaufsicht, während in anderen Bereichen, etwa der Kontrolle von Hedgefonds, große Kompetenzlücken klaffen.

Geithner will neue Befugnisse innerhalb der Zentralbank Federal Reserve bündeln und bringt damit Schapiro und Bair gegen sich auf. Die beiden fürchten einen Machtverlust. Wiederholt haben sie sich für ein anderes Modell ausgesprochen: Die wichtigsten Kontrollbehörden sollen sich die Zuständigkeiten teilen. Geithner platzte am Freitag der Kragen: Für die Politikgestaltung seien immer noch Regierung und Kongress zuständig, polterte er, nicht die Aufsichtsbehörden.

Neue Behörde

Auch mit Fed-Chef Bernanke liegt der Finanzminister in einem wichtigen Punkt über Kreuz. Zwar will Geithner der Notenbank einerseits mehr Macht über Großbanken und andere "systemrelevante" Finanzkonzerne geben, andererseits aber plant er, eine neue Behörde zu schaffen, die die Verbraucherfreundlichkeit von Anlageinstrumenten und Darlehensformen überprüfen und gefährlichen Finanzprodukten die Zulassung verweigern soll.

Hintergrund ist die zügellose Vergabe von Hypotheken und Kreditkarten in Zeiten der Aufschwungs, die die Saat für die großen Krise legte. Millionen von Amerikanern ließen sich Kredite aufschwatzen, deren Bedingungen sie nicht verstanden und die sie in die Zahlungsunfähigkeit trieben. Bernanke hält die Gründung einer neuen Konsumentenbehörde für unnötig, da die Zentralbank bereits ähnliche Aufgaben hat.

Lobbyisten der Finanzindustrie nutzen den Streit in Washington, um wichtige Senatoren gegen die Reform in Stellung zu bringen. Die Regierung kann ihr Konzept nicht einfach erlassen. Sie muss sich darauf beschränken, Vorschläge zu machen, die dann von Senat und Abgeordnetenhaus in Gesetzesform gegossen werden.

Eine übereilte Neuregelung sei gefährlich, warnen die Interessenvertreter der Wall Street. Die Unternehmen stören sich an den neuen Kapitalvorschriften, die im Zuge der Reform eingeführt werden sollen.

Maßnahmen gegen ungehemmte Bonuskultur

Hedgefonds etwa dürften dann nicht mehr mit so viel geliehenem Geld spekulieren wie bisher, was ihre potentiellen Gewinne (und Verluste) mindern würde. Auch auf das Kernstück der Reform hat es die Industrie abgesehen: Die Maßnahmen gegen die ungehemmte Bonuskultur in Manhattan.

Die Finanzkonzerne schütteten im vergangenen Jahr riesige Erfolgsprämien an ihre Angestellten aus, obwohl sie nur darin erfolgreich waren, den Staat zu Milliardenhilfen zu nötigen.

Das Abgeordnetenhaus stimmte am Freitag für ein Bonusbeschränkungsgesetz. Da die Wall Street aber zu den wichtigsten Geldgebern für Politiker gehört, hat sie den Kampf gegen die unliebsamen Kontrollen noch lange nicht verloren.

Im Senat regt sich Widerstand gegen die Vorlage des Abgeordnetenhauses. Eigentlich sollte die gesamte Finanzmarktreform noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Doch dass der Zeitplan der Regierung eingehalten werden kann, ist zweifelhaft. Die Lobbyisten freut das: Je mehr Zeit vergeht, desto weniger drakonisch werde das Gesetz, glauben sie.

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