Steuerskandal:Neuer Strafprozess wegen Cum-Ex

Lesezeit: 2 min

Das Landgericht Wiesbaden lässt nach mehr als zwei Jahren eine Anklage wegen steuergetriebenen Aktiengeschäften zu. Im Fokus steht ein früherer Staranwalt.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Seit September 2017 ist viel passiert in Deutschlands größten Steuerskandal. Beschuldigte sagten umfangreich aus, Ermittler in Köln, Frankfurt und anderswo sammelten immer wieder neue Erkenntnisse über den systematischen Griff von Banken und Börsenhändlern in die Staatskasse. Im ersten Strafprozess wegen Cum-Ex-Aktiengeschäften am Landgericht Bonn wird bald das Urteil erwartet. Die erste Anklageschrift in Sachen Cum-Ex aber lag in all der Zeit, 27 Monate lang, am Landgericht in Wiesbaden. Sechs Angeschuldigte, 50 000 Seiten Akten. Seit Dienstagmorgen haben die Beteiligten Gewissheit: Die Wirtschaftsstrafkammer hat die Anklage nach langer Prüfung zur Hauptverhandlung zugelassen.

Damit steht ein weiterer spektakulärer Prozess im Zusammenhang mit Cum-Ex bevor. Angeklagt sind Martin S. und Nick D. als frühere Aktienhändler der Hypo-Vereinsbank, die derzeit bereits in Bonn vor Gericht stehen, ihr einstiger Vorgesetzter und späterer Geschäftspartner Paul Mora, sowie ein weiterer früherer Beschäftigter der Bank. Mora hat die Vorwürfe wiederholt bestritten. Angeklagt in Wiesbaden ist auch Hanno Berger, ein Ex-Finanzbeamter, der später zu einem der berühmtesten Steueranwälte Deutschlands aufstieg, zahlreiche Banken, Konzerne und Unternehmerfamilien beriet und als genialer Kopf hinter etlichen Cum-Ex-Modellen gilt. Bei diesen Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag ließen sich die Beteiligten zuvor nicht gezahlte Kapitalertragsteuern vom Fiskus erstatten. Mehr als zehn Milliarden Euro hat das die Staatskasse schätzungsweise gekostet.

Berger bestreitet die Anschuldigungen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt glaubt hingegen beweisen zu können, dass Steuerhinterziehung vorliege. Laut Anklage sollen zwischen 2006 und 2008 zu diesem Zweck Börsengeschäfte mit deutschen Aktien im Volumen von 15,8 Milliarden Euro organisiert worden sein. Mit Bescheinigungen von Banken über angeblich gezahlte Steuern auf Dividenden sollen die Finanzbehörden gezielt getäuscht worden sein. Anhand dieser Bescheinigungen seien zuvor nicht gezahlte Steuern in Höhe von mehr als hundert Millionen Euro erstattet worden. Berger soll laut Anklage Spiritus Rector gewesen sein, bei ihm sollen die Fäden zusammengelaufen sein.

Der frühere Anwalt lebt im Schweizer Kanton Engadin im Exil und weist das alles weit von sich. Berger werde sich dem Verfahren stellen, teilte sein Strafverteidiger Gerson Trüg am Dienstag mit. "Wir erachten die Vorwürfe aus steuerlichen, kapitalmarktrechtlichen und - nicht zuletzt - strafrechtlichen Gründen für unzutreffend", hieß es schriftlich. Dazu habe man in der Vergangenheit mehr ausführlich vorgetragen, und diese Linie werde man beibehalten. Die Verteidiger des bereits in Bonn angeklagten Martin S. teilten unter Verweis auf die Wiesbadener Anklage mit, wie bisher werde S. mit der Staatsanwaltschaft Köln und dem Bonner Landgericht "aktiv zusammenarbeiten" und betonten, wie umfangreich er sowohl in Vernehmungen als auch bei Gericht ausgesagt habe. Moras Verteidiger lehnte einen Kommentar ab. Ganz anders als in Bonn ist mit Blick auf Wiesbaden nun ein konfrontativer Prozess zu erwarten, in dem zumindest Berger und Mora versuchen dürften, eine Verurteilung abzuwenden.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: