Steuermodelle:"Je radikaler, umso ungerechter"

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Die verschiedenen Pläne für eine radikale Steuervereinfachung reißen Milliardenlöcher in die öffentlichen Etats und nutzen vor allem Besserverdienenden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten der Länderfinanzminister.

Auf 93 Seiten haben die Steuerabteilungsleiter der Länder und des Bundes die Auswirkungen von sechs radikalen Konzepten untersucht, darunter die Modelle von CDU, CSU, FDP sowie Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof.

Die Senkung der Steuersätze würde noch tiefere Löcher in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden reißen. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Acht Kategorien wurden bewertet, von Rechtsfragen bis zu den Kosten. Die Ergebnisse sind angesichts der Haushaltslage ernüchternd: Würde eine Reform 2005 umgesetzt, wären im CDU-Konzept im ersten Jahr Ausfälle von 32 Milliarden Euro zu verkraften, mittelfristig würden diese auf 25,2 Milliarden sinken. Bei der CSU wären es anfangs 16 Milliarden und zwei Jahre später 13 Milliarden.

Auch im radikalsten Modell, dem von Kirchhof, würde sich erst nach mehreren Jahren auszahlen, dass alle Vergünstigungen gestrichen werden: Kirchhofs Einheitssatz von 25 Prozent kostet 2005 knapp 42,9 Milliarden und 2007 noch 23,9 Milliarden.

Zeitliche Verzögerung

Zur Erklärung heißt es in dem Gutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt: "Eine radikale Senkung der Steuersätze belastet die öffentlichen Haushalte sofort und auf Dauer, während die Maßnahmen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage grundsätzlich erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung zu Mehreinnahmen führen."

Teuer ist auch das Modell der FDP mit Sätzen von 15, 25 und 35 Prozent: Es reißt im ersten Jahr ein Loch von 20,2 Milliarden Euro; auf Dauer sinkt die Lücke auf 14,5 Milliarden Euro.

Am günstigsten ist das Modell des Sachverständigenrats: Dieser macht sich für die duale Einkommensteuer stark, bei der Kapitaleinkommen mit einem Einheitssatz von 30 Prozent belastet werden, während für Arbeitseinkommen ein steigender Tarif von 15 bis 35 Prozent gilt. Dies würde im ersten Jahr 9,4 Milliarden Euro kosten und zwei Jahre später noch die Hälfte.

Tendenzielle Gewinner

Als "sehr aufschlussreich" werden in Kreisen der Finanzminister-Konferenz auch die Berechnungen zur Verteilungswirkung bezeichnet. "Tendenzielle Gewinner", heißt es in dem Gutachten, wären "Steuerpflichtige in derzeit hoher Progressionsstufe mit wenigen Abzügen", etwa leitende Angestellte.

"Tendenzielle Verlierer" wären dagegen Steuerpflichtige mit geringen Einkommen und hohen Abzügen oder hohen steuerfreien Einkünften, etwa Pendler oder Feiertags- und Nachtarbeiter.

Die "mehr oder weniger starke Umverteilung der steuerlichen Belastung" ist dabei in den Reformmodellen von Kirchhof, der FDP und Merz besonders ausgeprägt; ausgewogener ist das Konzept des bayerischen Finanzministers Kurt Faltlhauser (CSU), der nur einen Teil der Ausnahmen streichen will und mit 39 Prozent den höchsten Spitzensteuersatz vorschlägt

So wird jemand mit einem zu versteuernden Einkommen von 15.000 Euro von der CSU um 286 Euro entlastet, von Kirchhof um 441 Euro, von der FDP um 507 Euro und von Merz um 787 Euro. Liegt das Einkommen bei 60.000 Euro, steigt die Entlastung bei der CSU auf 1752 Euro, bei der FDP auf 3103 Euro, bei Merz auf 3551 Euro und bei Kirchhof auf 5313 Euro.

Noch deutlicher sind die Unterschiede, falls jemand 150.000 Euro zu versteuern hat: Die CSU entlastet hier um 4601 Euro, Merz um 9248 Euro, die FDP um 9749 Euro und Kirchhof um 21.000 Euro.

Extreme Differenzen

Ganz extrem sind die Differenzen bei Einkommen von einer halben Million Euro: Im CSU-Modell liegt die Entlastung der Top-Verdiener bei 15.678 Euro, bei Merz beträgt sie 31.403 Euro, bei der FDP sogar 35.597 Euro und bei Kirchhof satte 84.227 Euro.

Kritisiert wird in dem Gutachten zudem, dass es auch den Radikalreformern nicht gelingt, alle Steuertricks zu unterbinden. Die typischen Felder der Steuergestaltung würden "mit den vorgelegten Reformentwürfen nicht nur oder nur punktuell trockengelegt". Unter diesem Blickwinkel würden die Modelle "dem Ziel einer umfassenden Vereinfachung des Steuerrechts voraussichtlich nur in Teilbereichen näher kommen".

© SZ vom 26.02.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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