Steuergeheimnis:Angst vor neugierigen Beamten

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Die Kritik an den geplanten schärferen Kontrollen für Steuersünder reißt nicht ab: Unter dem Deckmantel der Betrugsbekämpfung werde das Steuergeheimnis "in bisher noch nie da gewesener Weise ausgehebelt", kritisiert der Bund der Steuerzahler.

Von Daniela Kuhr

Die Einschnitte seien "außerordentlich skandalös", sagte Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), am Dienstag in Berlin. Das Bundesfinanzministerium wies die Vorwürfe zurück und warnte vor Panikmache.

Von 1. April an können Finanzämter und andere Behörden wie Sozialämter, Bafög-Stellen und Arbeitsagenturen elektronisch innerhalb kürzester Zeit sämtliche Konten und Depots eines Bürgers in Deutschland ermitteln.

Den Kontostand erfahren die Ämter dabei zunächst nicht; ergibt sich aber ein Verdacht, dürfen sie ihre Abfrage erweitern. Bislang durften solche Abfragen nur bei Anhaltspunkten für eine Straftat erfolgen. Künftig genügt es, wenn die Behörde der Ansicht ist, dass eigene Ermittlungen nicht zum Erfolg führen würden.

"Einladung zum Datenmissbrauch"

Unter dem Deckmantel der Betrugsbekämpfung werde das Steuergeheimnis "in bisher noch nie da gewesener Weise ausgehebelt", kritisierte der BdST-Verbandspräsident Däke die schärferen Kontrollmöglichkeiten. Mit dem "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" habe Rot-Grün Maßnahmen verabschiedet, die zum Datenmissbrauch und zur Verletzung des Steuergeheimnisses geradezu einlüden.

Däke hält es für möglich, dass Beamte "auch aus Neugier Daten abfragen". Das Steuergeheimnis aber sei das wichtigste Schutzrecht der Steuerzahler. Die geplanten Einschnitte führten in Kombination mit dem Einsatz modernster Informationstechniken zum "gläsernen Steuerzahler", was verhindert werden müsse.

Gleichzeitig betonte der Verbandspräsident, er wolle nicht missverstanden werden. Der Staat müsse Steuerzahlungen überprüfen und Betrug bekämpfen. "Für die Steuerkontrolle muss aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten." Es könne nicht angehen, dass alle Steuerzahler "wie Kriminelle hingestellt werden".

"Im Interesse der Ehrlichen"

Die Kritik war beim Finanzministerium offenbar erwartet worden. Noch vor Beginn der Pressekonferenz des Bundes der Steuerzahler veröffentlichte das Ministerium deshalb eine Stellungnahme, in der es die Vorwürfe zurückwies.

Das neue Gesetz schaffe weder den "gläsernen Steuerbürger" noch werde das Bankgeheimnis ausgehöhlt, erklärte das Ministerium. Alle anderen Darstellungen dienten "überzogener Panikmache und der Verunsicherung der Steuerzahler".

Dennoch werde derzeit ein Anwendungserlass abgestimmt, der ebenfalls am 1. April 2005 in Kraft treten soll. Damit will das Finanzministerium sicherstellen, dass jeder Steuerpflichtige wenigstens im Nachhinein informiert wird, wenn in seinem Steuerfall ein Kontenabruf vorgenommen wurde.

Ursprünglich war geplant gewesen, dass weder die Bank noch der Kunde etwas von den Abfragen erfährt. Datenschützer hatten kritisiert, dass damit der Rechtsschutz der Bürger verletzt werde. Denn wer nichts von einer Abfrage erfahre, könne sich auch nicht dagegen wehren - nicht einmal im Nachhinein.

"Mehr Steuergerechtigkeit"

Das Finanzministerium verteidigte den Kontenabruf mit dem Argument, Steuerhinterziehung und Steuerunehrlichkeit dürften nicht auf dem Rücken ehrlicher Steuerzahler ausgetragen werden. Das neue Gesetz solle für mehr Steuergerechtigkeit sorgen und dem Staat zugleich die ihm zustehenden Einnahmen sichern.

Das sei auch im Interesse aller ehrlichen Steuerzahler, denn die müssten letztlich für Unehrliche in Form von höheren Abgaben bezahlen. Mit der neuen Regelung werden laut dem Ministerium zudem Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt.

Karlsruhe mahnte wirksame Kontrollen an

Die Karlsruher Richter haben bereits mehrmals moniert, dass der Staat die Bürger nicht nur beim Festsetzen einer Steuer gleichbehandeln muss, sondern auch beim Durchsetzen: Es muss wirksame Kontrollen geben, um Steuersündern auf die Schliche zu kommen; andernfalls wäre der Ehrliche der Dumme.

Andererseits aber hat das Verfassungsgericht in seinem Volkszählungs-Urteil von 1983 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschaffen. Dieses wäre verletzt, wenn Bürger nicht mehr erkennen, "wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß", schrieben die Richter damals.

Ob sie diese Gefahr bei den neuen Kontrollmöglichkeiten sehen, wird sich demnächst zeigen. Zwei Verfassungsbeschwerden und ein Eilantrag auf eine einstweilige Anordnung sind anhängig. Ein Entscheidungstermin steht nach Angaben des Gerichts aber noch nicht fest.

© SZ vom 16.02.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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