Stellenbörse im Internet:Bundesagentur schaltet Staatsanwalt ein

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Bei der Bundesagentur für Arbeit besteht der Verdacht, dass die enormen Kostensteigerungen für die Internet-Stellenbörse auf Korruption zurückzuführen sind.

Von Robert Jacobi und Jonas Viering

Die Innenrevision der BA schaltete deshalb die Nürnberger Staatsanwaltschaft ein. Es wurde aber noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, da die Bundesagentur (BA) noch keine verdächtigen Personen nennen konnte.

Stellensuche am PC. (Foto: Foto: dpa)

BA-Chef Frank-Jürgen Weise sagte, die Staatsanwaltschaft wolle den Fall erneut prüfen, sobald weitere Unterlagen beschlagnahmt und ausgewertet seien. Weise setzte den Online-Projektleiter ab und stoppte den Ausbau der Jobbörse.

Die Kassenprüfer der BA hatten in dieser Woche festgestellt, dass sich die Kosten für die Stellenbörse von ursprünglich 65 Millionen Euro auf etwa 165 Millionen Euro erhöhen könnten.

Kostenexplosion

Der bisherige Projektleiter Jürgen Koch soll dem Vorstand der BA diese Kostenexplosion verschwiegen haben. "Im äußersten Fall war es Korruption, es kann aber auch gar nichts dran sein", sagte BA-Chef Weise der Süddeutschen Zeitung.

Koch habe bis vor zwei Monaten erklärt, der Kostenrahmen liege bei 77 Millionen Euro. "Meine Controller sind dann reingegangen und mussten feststellen, dass dies schon zu diesem Zeitpunkt falsche Angaben waren."

Weise entband Koch am Mittwoch mit sofortiger Wirkung von seiner Aufgabe. Ob es sich bei dem Vorgang "um Täuschung oder um schlechtes Management" handele, sei zu prüfen, sagte Weise. Die Unternehmensberatung Accenture, die das Onlineportal im Auftrag der Behörde entwickelt, wollte am Donnerstag keine Stellungnahme abgeben.

"Lückenlose Aufklärung"

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth verzichte vorerst auf ein Ermittlungsverfahren. Zunächst müsse die BA konkrete Verdachtspersonen benennen und weitere Akten vorlegen.

Die Staatsanwaltschaft teilte mit, sie führe "derzeit kein Ermittlungsverfahren wegen Bestechung bei der Bundesagentur für Arbeit durch". Dies könne "zu einem anderen Zeitpunkt anders sein", sagte ein Sprecher.

Bei der BA gingen verlässlichen Informationen zufolge detaillierte anonyme Hinweise auf Bestechung und Vorteilsnahme ein. Zwischen Behörde und Auftragnehmern soll es persönliche Verwicklungen geben. Weise sprach von Hinweisen auf eine "zu große Nähe" beider Seiten. Ohne Rücksprache mit dem Vorstand seien Aufträge vergeben worden, die nicht ins Budget passten.

Weise sagte, die Staatsanwaltschaft habe der BA "geraten, Unterlagen zu beschlagnahmen und auszuwerten". Dann werde sie den Fall erneut prüfen.

Bundesrechnungshof alarmiert

Zusätzlich alarmierte Weise den Bundesrechnungshof. Dieser hatte im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Affäre um Beraterverträge des ehemaligen BA-Chefs Florian Gerster mit einer Prüfung des virtuellen Arbeitsmarkts begonnen, diese aber unterbrochen. "Es gibt klare Erkenntnisse, dass aus dem Projekt Aufträge an der Vergabestelle vorbei vergeben worden sind", sagte Weise.

Offenbar enthält der Rahmenvertrag mit Accenture einen rechtlich bedenklichen Passus: Zusätzliche Leistungen, die zum Erreichen des vereinbarten Ziels notwendig seien, könnten auf Basis des Erstvertrags abgewickelt werden.

Die Folgeaufträge haben den Informationen zufolge die nach dem Vergaberecht zulässige Höchstsumme von 50 Prozent des Erstauftrags überschritten. In solchen Fällen müsste aber neu ausgeschrieben werden.

"Hinter dieser Sache stehen Aktivitäten, die weit über Schlampereien in der Verwaltung hinausgehen", sagte Peter Clever, Vizechef des BA-Verwaltungsrats.

"Bewusst falsch informiert"

Sowohl das Aufsichtsgremium als auch der Vorstand seien bewusst falsch informiert worden. "Diese Angelegenheit muss lückenlos aufgeklärt werden", sagte Clever. Den Behördenchef nahm er in Schutz. Weise sei der "richtige Mann".

Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) lobte Weise für sein schnelles Handeln. "Es war vereinbart, dass der neue Chef alles überprüft, und das tut er jetzt", sagte eine Sprecherin. Auf Vorschlag des Verwaltungsrats hatte das Kabinett den bisherigen Vize zu Gersters Nachfolger ernannt.

© SZ vom 27.02.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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