Start war 1971 in Dallas:Aldi der Lüfte

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Seit 1971 gibt es Billigflieger, zuerst in Amerika. Ryanair brachte die Idee nach Europa. Wie kantige Typen die alten Airlines aufschreckten.

Von Michael Kuntz

Als in Deutschland die Studentenkrawalle für Unruhe sorgten, malte Herb Kelleher in einer verrauchten Bar in Texas seine Geschäftsidee auf eine Serviette. Die sollte den bis dato von eher behäbigen Staatsairlines beherrschten Luftverkehr weltweit revolutionieren. Das war 1968. Bis zum 8. Juni 1971 brauchte Kelleher dann noch, bis seine erste Maschine zwischen Dallas und Houston pendelte, mit geringem Sitzabstand und Selbstverpflegung, aber zu konkurrenzlos niedrigen Flugpreisen. Es gab nur eine Klasse und einen Flugzeugtyp. Wenn man versucht, "alles für alle zu bieten, schießen die Kosten in die Höhe". Kellehers Southwest Airlines gilt als die Mutter aller Billigfluggesellschaften.

Kelleher stieg fortan bei der jährlichen Kostümparty von Southwest in ein Elvis-Kostüm und er war es auch, der Michael O'Leary "ein bisschen Starthilfe" gab, als der Ire Chef bei der seinerzeit maroden Ryanair wurde. Das war 1993. O'Leary baute den erfolglosen Regionalflieger, mit dem die Familie Ryan damals viel Geld verlor am Himmel zwischen Dublin und London, zur "No frills"-Airline ("Keine Extras") um.

Die erst 1997 vollständig privatisierte Deutsche Lufthansa ließ O'Leary noch ein paar Jahre in Ruhe, jedenfalls auf ihrem Heimatmarkt. Doch dann wurde auf einer ehemaligen amerikanischen Militärbasis im Hunsrück Luftfahrtgeschichte geschrieben: Am 22. April 1999 um 9.12 Uhr landete die Boeing 737-200 mit der Flugnummer SA 752 und flog als SA 753 nach London-Stansted zurück - nach nur einer Dreiviertelstunde in Hahn. Das war damals ein in der behäbigen Branche sensationell kurzer Aufenthalt. Damals wurde Hahn als Frankfurt-West belächelt, wegen der Entfernung von 120 Kilometern zum Lufthansa-Drehkreuz, dem Rhein-Main-Flughafen. Den Managern der etablierten Airlines ist das Lächeln über den irischen Aldi der Lüfte inzwischen vergangen: Ryanair ist heute nach Passagieren mit Abstand die größte Fluggesellschaft Europas, auf Platz zwei folgt die Lufthansa.

In Hahn setzte damals die Maschine mit dem Registrierungscode EI-CNW auf, mehr als anderthalb Jahrzehnte war sie vorher als D-ABHC unterwegs gewesen - für die Lufthansa. Michael O'Leary hatte auf die Boeing den Slogan aufmalen lassen: "Auf Wiedersehen Lufthansa". Und in Interviews betätigte sich der hemdsärmelige Ire als Prophet: Wegen ihrer hohen Kosten seien die großen Konkurrenten "zum Untergang verdammt".

O'Leary lässt auch heute noch wenige Gelegenheiten aus, seine Wettbewerber zu verspotten. So betrat er bei einem Kongress die Bühne im eher schwach besetzten Saal mit der launigen Bemerkung: "Das ist ja richtig leer hier. Das sieht ja aus wie an Bord der Lufthansa."

Fünf Jahre nach Ryanair brachte dann der griechische Reedersohn Stelios Haji-Ioannou seine Günstig-Airline Easyjet nach Deutschland. Stelios klopfte nicht Sprüche wie O'Leary, war aber auch ganz gut im Erschrecken der alten (Staats-)Airliner: Der damals reichste Junggeselle in Europa kaufte beim Billig-Ableger von British Airways elf Tickets für sich und seine Freunde. Alle verteilten sie dann beim Jungfernflug an Bord Gratistickets für Easyjet.

Die Erfolgsgeschichte der Low-Cost-Airlines aus Amerika verbreitete sich nicht unbedingt über Nacht. Immerhin fast fünf Jahrzehnte hat es gedauert, bis die großen Billigflieger nun auch auf den wichtigsten Flughäfen in Deutschland präsent sind.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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