Stadtplan-Erbe:Prozess gegen einen Absteiger

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Vom heutigen Freitag an steht Alexander Falk vor Gericht, um die Vorgänge um die "Internet-Bude" Ision zu klären. Allein für die Prozessakte musste eigens ein Raum freigeräumt werden - ein Mammutverfahren.

Von Meite Thiede

Alexander Falk wird nichts erspart bleiben: Seit 18 Monaten sitzt der 35 Jahre alte Hamburger nun schon im Untersuchungsgefängnis und muss mit einer neun Quadratmeter großen Zelle auskommen. Und wie ein ganz normaler Häftling wird er am heutigen Freitag in Handschellen in den Plenarsaal 300 des Landgerichts geführt, wenn dort der Prozess gegen ihn beginnt.

Der frühere Ision-Vorsitzende Alexander Falk in besseren Tagen. (Foto: Foto: dpa)

Die Staatsanwaltschaft wirft Falk Kursmanipulation in zwei Fällen, Betrug in einem besonders schweren Fall - der Mindestschaden soll 46,7 Millionen Euro betragen - sowie Beihilfe zur unrichtigen Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft vor.

Das reicht im schlimmsten Fall für zehn Jahre Freiheitsstrafe. Es geht bei den Vorwürfen um jene Dinge, die sich im Jahr 2000 bei der damals am Neuen Markt gelisteten Ision AG abgespielt haben sollen. Ision war eine jener Internet-Firmen, die noch in letzter Sekunde auf den Zug der New Economy aufspringen wollten.

Teurer Verkauf

Im März 2000, als der Neue Markt schon schwächelte, ging das Unternehmen an die Börse. Falks Schweizer Firma Distefora besaß die Mehrheit an Ision und verkaufte diese zum Jahresende an die britische Energis, für stolze 812 Millionen Euro.

Was in der Zwischenzeit geschah, wird nun das Gericht beschäftigen. Denn während die Kurse zahlreicher "Internet-Buden" in die Knie gingen, weil deren ehrgeizige Umsatz- und Ertragsprognosen verfehlt wurden, hielt Ision sich gegen den Trend erstaunlich stabil.

Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass damals Umsätze manipuliert und vorgetäuscht wurden und dass die Bücher entsprechend gefälscht wurden.

Verhängnisvolles Treffen

Falls die Vorwürfe stimmen, müssen Falk und andere ziemlich dreist agiert haben. Im Zentrum der Beweislage dürfte ein Treffen von Falk und sechs weiteren Männern am 19. September 2000 stehen, dem die Herren den Namen "Kick-off Meeting" gegeben hatten und das erstaunlicherweise von einem der Beteiligten minutiös protokolliert worden war.

Falks Anwalt Gerhard Strate bezweifelt aber die Echtheit des Protokolls. In dem Strafverfahren werden sechs der sieben an dem Meeting Beteiligten angeklagt; das Verfahren gegen den siebten sowie einen weiteren wurde abgetrennt.

Wie Falk sitzt auch der 40 Jahre alte Maarten R. seit 18 Monaten in Hamburg in Untersuchungshaft. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft dieselben Dinge vor wie Falk. Bei den übrigen Angeklagten handelt es sich um den Vorwurf der Beteiligung, Mitwirkung oder Beihilfe.

700 Ordner

Schon wegen der Zahl der Angeklagten gilt das Verfahren als ein Mammutprozess. 700 Ordner mit jeweils 200 bis 250 Seiten umfasst die Prozessakte, für die eigens ein Raum freigeräumt wurde.

Die Anklageschrift ist 283 Seiten lang und benennt 76 Zeugen, einige davon aus dem Ausland. Das Gericht hat vorerst 38 Verhandlungstage bis Juni 2005 festgelegt und ist darauf eingerichtet, dass das Verfahren länger dauern kann. Die Angeklagten werden von 13 Rechtsanwälten vertreten, allein drei Verteidiger bietet der Hauptbeschuldigte Falk auf.

Verteidiger Strate hofft noch immer, Falk aus der U-Haft frei zu bekommen. Am Freitag wird er vermutlich einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stellen. Mehrfach schon hat er in den vergangenen 18 Monaten versucht, Falk die Zelle zu ersparen.

Haftverschonung abgelehnt

Alle Anträge auf Haftverschonung wurden abgelehnt; selbst als das Landgericht Falk im September gegen eine Kaution von 2,5 Millionen Euro freilassen wollte, wurde das - nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft - vom Oberlandesgericht verhindert.

Als Grund galt meist Fluchtgefahr - schließlich hatte Falk schon einmal aus der Zelle Vorbereitungen für eine Flucht getroffen. Nun könnte Strate auf Zeit spielen - und den Prozessbeginn mit Anträgen verzögern. Denn das Oberlandesgericht hatte im September entschieden, dass Falk zwar in Haft bleibe, aber der Prozess spätestens im Dezember beginnen müsse. Falk könnte theoretisch freikommen.

Auf jeden Fall wird sich das Gericht am Freitag, falls Strate den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stellt, vertagen. Das Publikum würde noch keine Gelegenheit bekommen, den als Selbstdarsteller bekannten Falk in Aktion zu erleben. Strate hat angekündigt, dass sein Mandant "umfassend" aussagen wird, falls der Prozess nicht ausgesetzt werde.

Schelte für den Richter

Das Interesse nicht nur der Medien an dem Prozess dürfte groß sein. Der Erbe des Falk-Verlags, der im noblen Blankenese aufgewachsen ist und mit Frau und Kind nahe der Alster gelebt hat, gehörte vor seiner Verhaftung Pfingsten 2003 in Hamburg zur High Society.

Er war als Freund schneller Autos und Segelyachten bekannt, galt als passionierter Surfer und besaß ein Anwesen in Südafrika. Aber es dürfte auch eine Reihe von "Falk-Geschädigten" geben, die den Prozess gegen "den Sascha", wie Freunde Falk nannten, interessiert verfolgen.

Gegen den Unternehmer liefen bereits Prozesse - angestrengt von Geschäftspartnern, die sich getäuscht oder über den Tisch gezogen fühlten. Angeblich hinterließ Falk Firmen, mit denen er zu tun hatte, oft in schlechterem Zustand.

Engagement bei Hornblower Fischer

Nach dem Verkauf von Ision schließlich hatte sich Falk bei der Frankfurter Investment-Bank Hornblower Fischer als Großaktionär engagiert. Als er verhaftet wurde, geriet die Bank in Probleme. Die Staatsanwaltschaft hatte Falks Vermögenswerte arrestiert, so dass die finanziell klamme Hornblower Fischer in Liquiditätsnot geriet. In diesem Frühjahr konnte Hornblower ein drohendes Insolvenzverfahren gerade noch abwenden.

Auch Falk selbst dürfte nach der langen Untätigkeit großes Interesse daran haben, sich nun vor Gericht rechtfertigen zu können. Vor wenigen Wochen hatte der Angeklagte einen langen Brief an seine Richter geschrieben, in dem er eine "skandalös dilettantische" Staatsanwaltschaft beschimpft und von "Geständniserzwingungshaft" redet.

Falk bezweifelt die Unbefangenheit des Richters und dessen Sachverstand. Von dieser Richterschelte konnte selbst der Anwalt seinen Mandanten nicht abbringen.

© SZ vom 02.12.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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