Stabilitätspakt:Brüssel will Berlin zum Sparen zwingen

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Weil Deutschland 2004 zum dritten Mal in Folge die Defizitgrenze überschreitet, drohen nun Sanktionen bis hin zu einer Milliarden-Buße.

Von Alexander Hagelüken

Mit "99 Prozent Wahrscheinlichkeit" müsse die Bundesregierung im Haushalt 2004 zusätzliche Milliarden einsparen, hieß es in Kommissionskreisen. Der nächste Schritt in dem Verfahren wären Sanktionen bis hin zu einer Milliarden-Buße.

Der EU-Plan dürfte zu einem Machtkampf mit der Bundesregierung führen. Finanzminister Hans Eichel (SPD) wehrt sich entschieden gegen neue Auflagen aus Brüssel. "Sanktionen sind für Staaten da, die nicht kooperieren", erklärte er kürzlich.

Dritte Überschreitung

Währungskommissar Pedro Solbes hält es dagegen für seine Pflicht, das Strafverfahren weiterzutreiben. Weil Deutschland 2004 zum dritten Mal in Folge die Defizitgrenze von drei Prozent überschreitet, müsse er nach Artikel 104,9 EG-Vertrag Maßnahmen mit Sanktionsdrohung vorschlagen.

Solbes will auf der Sitzung der Kommission am Dienstag weitere Einsparungen fordern, über deren Höhe jedoch noch nicht entschieden ist. Bisher will Eichel das konjunkturunabhängige Defizit um ein halbes Prozent oder etwa zehn Milliarden Euro senken.

Dramatische Konsequenzen

Das reicht Solbes offenbar nicht. Das andere Defizitland Frankreich forderte er bereits zu einer Senkung von einem Prozent auf. Im Hause Eichel heißt es, jede weitere Brüsseler Forderung hätte dramatische Konsequenzen und wäre politisch kaum durchsetzbar.

"Will Solbes, dass wir das Kindergeld kürzen oder die Mehrwertsteuer erhöhen?", fragt ein Fachmann. Jede weitere Senkung des Defizits um 0,1 Prozent bringt Einsparungen oder Steuererhöhungen um zwei Milliarden Euro mit sich.

Bundesrat blockiert

Weil der Bundesrat zahlreiche Reformgesetze zu Arbeitsmarkt und Steuern blockiere, werde es bereits schwierig sein, die angekündigten Einsparungen umzusetzen. Brüssel müsse mehr Rücksicht auf die deutsche Konjunkturkrise nehmen.

Währungskommissar Solbes will dagegen auf jeden Fall sicherstellen, dass die Bundesrepublik die Defizitgrenze von drei Prozent wenigstens im Jahr 2005 einhält, um die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspakts zu retten. Für dieses Ziel seien größere Sparanstrengungen der Bundesregierung nötig, heißt es in Brüssel.

Kommission vor Machtprobe

Damit steht die Kommission vor einer Machtprobe mit den beiden größten EU-Staaten Deutschland und Frankreich, die wiederholt gegen den Stabilitätspakt verstoßen haben.

Beide Staaten versuchten auf der letzten Sitzung der EU-Finanzminister, schärfere Maßnahmen gegen Frankreich abzuwehren.

In der Bundesregierung werden erneut Vorbehalte gegen Solbes' deutschen Generaldirektor Klaus Regling geäußert. Regling, der die Vorschläge für Solbes konzipiert, arbeitete einst unter CSU-Finanzminister Theo Waigel in Bonn. "Regling ist sicher kein Freund der rot-grünen Regierung", sagt ein Berliner Koalitionär.

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