Staatshaushalt:Jetzt wird getilgt

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Die Schulden von Bund, Ländern und Sozialversicherungen sind 2015 gesunken. Nur die Gemeinden mussten mehr Geld ausgeben. Auch dieses Jahr dürfte der Schuldenberg kleiner werden.

Von Guido Bohsem

Die Zahl ist beeindruckend. Jeder Einwohner der Bundesrepublik hat Schulden. 24 829 Euro Schulden waren es 2015, die er persönlich gar nicht aufgenommen hat, sondern der Staat. Diese Summe würde laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes fällig, wenn Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen ihre Schulden begleichen müssten. Jedoch: 2014 war der Betrag noch um 428 Euro höher. Der Staat hat 2015 etwa ein Prozent seiner finanziellen Last abbauen können. Der Schuldenstand ist dadurch auf 2022,56 Milliarden Euro gesunken. Das ist, zur Veranschaulichung, eine Zahl mit 13 Stellen.

Es liegt vor allem an der guten Konjunktur und der Rekordbeschäftigung, dass die Schulden sinken. Weil immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten, zahlen auch immer mehr von ihnen Steuern und Abgaben. Zudem sind die Gehälter und die Renten in den vergangenen Monaten teils kräftig gestiegen, was ebenfalls zur besseren Lage in der Staatskasse beigetragen hat und noch trägt.

Am deutlichsten trug der Bund seinen Schuldenberg ab. Durch die günstige Wirtschaftslage gelang es Wolfgang Schäuble (CDU) die Schulden um knapp 25 Milliarden Euro zu drücken - und das obwohl der Finanzminister ja bekanntlich kein Geld für eine Tilgung zur Verfügung gestellt hat. Hierzu muss man wissen, dass das Statistische Bundesamt einen anderen Blick auf die Zahlen des Haushalt hat. So stellte Schäuble aus seinen Haushaltsüberschüssen ja bekanntlich zwölf Milliarden Euro für einen Sonderfonds zur Verfügung, der zur Bewältigung der Integrationskosten der Flüchtlinge gedacht ist.

Gute Zeiten für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Die Steuereinnahmen steigen deutlich. Die Neuverschuldung liegt bei null, es wird sogar zurückgezahlt, der Schuldenstand sinkt. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Der Bund hat in drei Monaten mehr an Zinsen eingenommen, als zu zahlen waren

Rein technisch wird das Geld dabei aber nicht etwa bei der Bundesbank angelegt, sondern der Bundeshaushalt geht lediglich eine Verpflichtung ein, die Summe zu zahlen, wenn sie dann fällig wird. Sprich, das Geld ist nicht mehr da. Real nutzte das Finanzministerium die Summe, um 2015 alte Kredite zu tilgen. Genauso wurde auch mit dem Fonds für finanzschwache Kommunen umgegangen, der Anfang Juni vom Bund aufgelegt wurde und der rund 3,5 Milliarden Euro schwer ist.

Zugute kommt Schäuble in der Bilanz des Statistischen Bundesamtes auch noch ein erfolgreiches Jahr der Bad Bank FMS. In sie waren 2010 die ganzen Risikopapiere und nicht mehr benötigten Geschäftsbereiche der in der Finanzkrise ins Wanken geratenen HRE-Bank geflossen. Seitdem baut die FMS die Papiere kontinuierlich ab. 2015 hat sie nach eigenen Angaben ihre Bilanzsumme um 12,5 Milliarden Euro auf 171,1 Milliarden Euro verringert - und damit auch die vom Statistischen Bundesamt gemessenen Schulden des Bundes.

SZ-Grafik; Quelle: Statistisches Bundesamt (Foto: ipad)

Auch fast allen Ländern gelang es im vergangenen Jahr, ihre Schulden zu reduzieren. Insgesamt sank die Schuldenlast um 1,1 Milliarden Euro auf 612,9 Milliarden Euro. Besonders erfolgreich waren dabei die beiden Freistaaten. Die Sachsen verringerten ihre Verbindlichkeiten um 27 Prozent, und die Bayern die ihren um zehn Prozent. Zu einer höheren Verschuldung kam es unter anderem in Niedersachsen (6,4 Prozent) und in Bremen (5,5 Prozent).

Die Schulden der Gemeinden hingegen stiegen an. Hier wuchs der Schuldenberg um 4,7 Milliarden auf 144,2 Milliarden Euro, ein Plus von 3,4 Prozent. Besonders deutlich stiegen die Schuldenstände dabei in Baden-Württemberg (3,1 Prozent) und in Nordrhein-Westfalen (3,6 Prozent) an.

Nach den bisherigen Ergebnissen der Steuereinnahmen wird die positive Entwicklung für die Haushalte weiterhin andauern. Laut aktuellem Monatsbericht stiegen die Einnahmen von Bund und Ländern im ersten Halbjahr mit 5,6 Prozent etwa doppelt so kräftig wie von den Steuerschätzern für 2016 unterstellt.

Zudem profitieren die Haushalte sehr stark von den Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank und dem großen Vertrauen, das die Anleger der Bundesrepublik entgegenbringen. So gelang es der Finanzmarktagentur kürzlich, erstmals eine zehnjährige Bundesanleihe auszugeben, bei der die Sparer draufzahlen müssen. Das macht sich bei den Ausgaben des Bundeshaushalts deutlich bemerkbar.

Schaut man sich den Zinsdienst der vergangenen sechs Monate an, stellt man fest, dass der Bund hier in drei Monaten mehr an Zinsen eingenommen hat als zu zahlen waren. Das hat auch damit zu tun, dass die Anleger für die negativ verzinsten Anleihen nicht einmal im Jahr Zahlungen leisten müssen. Sie zahlen vielmehr bei der Ausgabe der Anleihen mehr und erhalten dann bei Fälligkeit weniger zurück.

Und hier relativiert sich übrigens auch die Einschätzung, dass jeder Einwohner über den Staat verschuldet ist. In vielen Fällen schulden sie sich das Geld selbst, weil es auch vor allem deutsche Anleger sind, die dem Staat Geld leihen.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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