Staatsbesitz:Streit um Aktien von Post und Telekom

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Politiker diskutieren darüber, ob Bundesbeteiligungen an Post- und Telekom-Aktien sinnvoll sind. (Foto: dpa)

Die Politik diskutiert über Sinn und Unsinn der Bundesbeteiligungen.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

FDP und Grüne hatten ihren Reformwillen schon im Wahlkampf angekündigt. Zu Beginn dieser Woche hat FDP-Chef Christian Lindner nun erneut die Beteiligungen des Staates an der Deutschen Post und der Deutschen Telekom infrage gestellt: "Aus den Aktien an der Telekom, die wir nicht mehr brauchen, machen wir ein Glasfasernetz", schlug Lindner im SZ-Interview vor. Nun diskutieren CDU und CSU, ob der Bund seine Telekom-Aktien tatsächlich zügig verkaufen sollte, wie es auch die Mittelstandsvereinigung der Union fordert. Einen Monat nach der Bundestagswahl scheint es somit nicht unwahrscheinlich, dass ein Jamaika-Bündnis die Beteiligungen des Bundes reduzieren würde. Dabei sind Post und Telekom gar nicht unzufrieden mit ihrem Großaktionär.

Doch schon ein Teilverkauf der Beteiligungen brächte dem Bundeshaushalt Milliarden ein: Gut 20 Jahre nach dem Börsengang halten der Bund und die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mehr als 30 Prozent der Telekom-Aktien. An der Börse sind die Beteiligungen etwa 23 Milliarden Euro wert. Zwar plant das Bundesfinanzministerium, die Anteile nach und nach zu veräußern; der jüngste Verkauf liegt aber schon elf Jahre zurück. Auch den Post-Konzern will der Bund "schrittweise vollständig" privatisieren. Noch hält die KfW gut ein Fünftel der Post-Anteile; die Aktien sind knapp zehn Milliarden Euro wert. Insgesamt stecken also fast 33 Milliarden Bundesvermögen in den beiden Konzernen.

Geht es nach FDP und Grünen, sollte der Bund mit diesem Geld besser den Ausbau des Glasfasernetzes fördern. Bislang sind nur gut drei Millionen Haushalte bundesweit bis in ihr Haus an das schnelle Internet angebunden; nur etwa 880 000 Haushalte nutzen die hohen Bandbreiten auch - ein niedriger Anteil im internationalen Vergleich. Privatleute und Unternehmen verschicken aber von Jahr zu Jahr mehr Daten, weil sie etwa Filme streamen oder ihre Maschinen vernetzen. Deshalb dürften die alten Kupferkabel vielerorts bald nicht mehr ausreichen.

Der Staat steckt im Dilemma: Er soll die Konzerne regulieren, verdient aber an deren Gewinn

Nun ruft es im Telekom-Konzern einige Verwunderung hervor, dass die liberale FDP staatliche Subventionen für den Glasfaserausbau fordert. Allerdings bemerken auch Liberale, dass die Telekommunikationsbranche in diesem Jahr von sich aus etwas weniger Geld in die Netze investiert als im Vorjahr. So prognostiziert es der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). Offenbar braucht es neue Anreize, um zusätzliche Investitionen zu fördern.

Die Befürworter einer Komplett-Privatisierung argumentieren, dass bei der Telekom- und Postpolitik Interessenskonflikte drohen: Einerseits reguliert die Bundesnetzagentur den Markt, sodass beispielsweise das Porto erschwinglich bleibt und Briefe an sechs Tagen die Woche zugestellt werden müssen. Andererseits profitiert der Bund von hohen Gewinnen seiner Beteiligungen.

Dieser Zwiespalt ist brisant, weil beide Konzerne auf Reformen drängen: So hofft die Post etwa, dass der Staat die Vorgaben zur Briefzustellung bald lockert, weil die Kunden von Jahr zu Jahr weniger Briefe verschicken, die Kosten aber gleichbleiben. Und die Telekom hofft, dass sie ihre Konkurrenten künftig nicht mehr zum Festpreis durchlassen muss, wenn sie Glasfaserleitungen bis ins Haus verlegt. In beiden Fällen streiten Politik und Wirtschaft, wie viel Regulierung notwendig ist.

Der Bund sollte an der Telekom beteiligt bleiben, fordert die Gewerkschaft Verdi

Gegen einen Verkauf der Anteile spricht, dass sie dem Staat jährlich Einnahmen bescheren: Alleine dieses Jahr haben die Telekom-Aktien dem Bund und der KfW knapp 900 Millionen Euro Dividenden eingebracht. Die Post hat weitere 260 Millionen Euro an den Staat gezahlt.

Die Gewerkschaft Verdi betont zudem, dass das Grundgesetz den Bund in die Verantwortung für Post- und Telekommunikation nimmt. "Das beinhaltet vor allem, dass der Bund dafür sorgen muss, dass diese Dienstleistungen flächendeckend angeboten werden und gleiche Lebensverhältnisse gesichert werden, auf dem Land wie in der Stadt", sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende Andrea Kocsis. Gerade weil so viel über eine flächendeckende Breitband-Versorgung und Postzustellung diskutiert werde, müsse der Bund "seine Verantwortung auch durch eine Beteiligung an der Deutschen Telekom wahrnehmen", sagt Kocsis.

In Kreisen der Telekom wird darauf verwiesen, dass die Telekommunikationsnetze in Zeiten von Hacker-Angriffen und staatlicher Überwachung zur kritischen Infrastruktur gehören. Deshalb fragen sich die Bonner, in wessen Hände die staatlichen Anteile gerieten, so sie zum Verkauf ständen. Der Bund gilt in Bonn als ruhiger Aktionär, der auch Investitionen auf dem Land unterstützt, die zunächst geringere Renditen versprechen als andere Geschäfte. Ein allzu kurzfristig orientierter Investor könnte ganz andere Forderungen an den Vorstand richten, so die Sorge.

Der Bund hatte die Telekom, die Post und die Postbank im Jahr 1995 in Aktiengesellschaften umgewandelt. Seit November 1996 kann jedermann T-Aktien kaufen; die Post folgte vier Jahre später an die Börse. Bund und KfW behielten zunächst mehr als 70 Prozent der Aktien beider Konzerne, beteiligen sich aber nicht an größeren Kapitalerhöhungen - und verkauften mehrmals Aktienpakete. Zuletzt veräußerte die KfW vor fünf Jahren fünf Prozent der Post-Aktien an institutionelle Investoren. "Wir begrüßen ausdrücklich jeden neuen Aktionär in unserem Unternehmen", teilt die Post am Montag mit. Mögliche Absichten und Aktivitäten der KfW kommentiere der Konzern jedoch grundsätzlich nicht.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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