Spuren der Preisreform:Die Bahn verliert massiv Kunden

Lesezeit: 2 min

So viele Kunden wie noch nie haben der Deutschen Bahn den Rücken gekehrt. Im ersten Halbjahr brach der Umsatz im Personenfernverkehr um gut 13 Prozent ein.

Von Ulf Brychcy

(SZ vom 22.08.2003) — Damit die DB ihre Ertragsziele einhalten kann, werden die Kosten weiter gesenkt. "Wir müssen die Zügel kräftig anziehen", sagte ein Bahnsprecher. Der Fehlschlag des neuen, zum 1.August bereits wieder geänderten Preissystems dominiert die nun vorgelegten Geschäftszahlen des ersten Halbjahres 2003.

In der Fernverkehrssparte der Deutschen Bahn brach der Umsatz um 13,1 Prozent auf knapp 1,44 Milliarden Euro ein. "Einen solchen Rückgang hat es in der Bahngeschichte noch nicht gegeben", sagte Albert Schmidt, verkehrspolitische Sprecher der Grünen. Das Bahnmanagement dokumentiere damit erstmals öffentlich die erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen des gescheiterten Tarifsystems. "Das ist die Quittung", sagte Schmidt.

Sorgen auf weiten Strecken

Tatsächlich hat DB Fernverkehr in den ersten sechs Monaten ein tiefes Loch in die Bahnbilanz gerissen. Für diese Sparte weist der Konzern einen Betriebsverlust von 266 Millionen Euro aus. Im Vorjahreszeitraum wurde hier noch ein Gewinn von 50 Millionen Euro erwirtschaftet.

Der Fernverkehr ist damit zum größten Sorgenkind der Deutschen Bahn geworden — sowohl was den rückläufigen Umsatz als auch den hohen Verlust betrifft. Alle anderen großen DB-Geschäftsbereiche konnten in der ersten Jahreshälfte ihre Erlöse steigern.

Neben dem Fernverkehr weist lediglich die Sparte Fahrweg einen Betriebsverlust aus, und zwar in Höhe von 170 (Vorjahreszeitraum: minus 226) Millionen Euro.

Die Bahn sieht das neue Preissystem allerdings weiterhin nicht als die Hauptursache für die enttäuschende Entwicklung im Fernverkehr. Die Konkurrenz durch die Billigflieger und die schwache Konjunktur seien die Gründe, teilte das Unternehmen mit.

In wirtschaftlich unsicheren Zeiten verzichteten eben viele Menschen auf Reisen, was die Bahn vor allem auf Langstrecken spüre, sagte ein DB-Sprecher. Die Bahn werde hier auch im zweiten Halbjahr leiden.

Insgesamt konnte die Personensparte leicht um 0,3 Prozent zulegen, weil der Regionalverkehr seinen Umsatz um sechs Prozent auf 4,1 Milliarden Euro gesteigert hat. Für Bahnvorstandschef Hartmut Mehdorn wird es offenbar zunehmend schwerer, seine zuletzt Mitte Mai erneuerte Ergebnisprognose einzuhalten.

Betriebsverlust soll 220 Millionen Euro nicht überschreiten

Demnach soll der Betriebsverlust im Gesamtjahr 220 Millionen Euro nicht überschreiten. In den ersten sechs Monaten lag das Betriebsergebnis bei minus 143 (235) Millionen Euro. Hier schlägt sich maßgeblich der positive Effekt von Stinnes (Gewinn: 129 Millionen Euro) nieder. Die Bahn hatte den Logistikkonzern für 2,5 Milliarden Euro übernommen. Ohne Stinnes stieg der Halbjahresumsatz um 2,3 Prozent auf 7,9 Milliarden Euro, mit Stinnes schnellten die Erlöse auf 14 Milliarden Euro nach oben.

Die bundeseigene Bahn will ihr Kostensenkungsprogramm beschleunigen. "Das macht jedes Unternehmen, wenn sich Umsatz und Gewinn nicht wie gewünscht entwickeln", sagte ein Bahnsprecher. Es laufen mehr als 25 Maßnahmen. So soll der Personaleinsatz im Konzern mit seinen knapp 250.000 Mitarbeitern verbessert werden. Es müssten rasch Rationalisierungseffekte gehoben werden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: