Spritschlucker:Der Hummer stirbt

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Wie die US-Autoindustrie auf ein falsches Produkt gesetzt hat: Wegen hoher Benzinpreise sind jetzt sparsame Fahrzeuge attraktiv.

Andreas Oldag

Phil Macklin aus New Jersey hat genug von seinem roten Chevy Trail-Blazer. "Das Auto macht mich arm. Es schluckt zuviel Sprit", schimpft der 38-jährige Büroangestellte. Er muss jeden Tag 120 Kilometer zum Arbeitsplatz nach Manhattan fahren.

Hier, bei einem Händler im kalifornischen Carlsbad, warten viele Hummer auf Käufer. (Foto: Foto: Reuters)

Am Ende des Monats sind Benzinrechnungen von mehreren hundert Dollar auf der Kreditkarte. Nun hat Macklin sein eigenes Sprit-Sparprogramm gestartet: Er will sein sogenanntes SUV (Sport Utility Vehicle) - die Bezeichnung von vierradgetriebene Großraumautos - verkaufen und künftig mit einem schicken Mini Cooper in die Stadt flitzen.

Sowie Macklin machen es viele. Angesichts von Benzinpreisen, die in vielen Gebieten der USA die von den Autofahrern als Schallmauer empfundene Marke von drei Dollar pro Gallone (1 Gallone sind 3,8 Liter) durchbrochen haben, entdecken Amerikaner die Vorzüge kleinerer Limousinen. Der Blick richtet sich damit zwangsläufig nach Europa: Kein Zufall, dass der von BMW hergestellte Mini nicht nur auf New Yorks Straßen Furore macht.

Ein Lebensgefühl, eine ganze Kultur des Autofahrens, die bislang vor allem vom Motto "länger, breiter, höher und schwerer" geprägt war, ist im Umbruch. Dabei wurde der Gipfel der SUV-Leidenschaft noch mit dem martialischen Hummer von General Motors erklommen. Er war der letzte Schrei, um auf New Yorks Pracht-Einkaufsstraße, der Fifth Avenue, auf sich aufmerksam zu machen. Der vom Militärjeep Humvee abgeleitete SUV avancierte nicht nur zum Statussymbol gut verdienender Börsenmakler und Banker an der Wall Street.

Bis zu 30 Liter je 100 Kilometer

Der Filmstar und jetzige Gouverneur des US-Bundesstaats Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, war einer der ersten Prominenten, die in den 90er Jahren in dem Geländewagen herumkurvten. Lange Zeit galt der H1 als das Statussymbol schlechthin in den USA.

Doch plötzlich erscheint es nicht mehr zeitgemäß zu sein, sich in einem spritfressenden Monster zu zeigen. Vor kurzem hat GM angekündigt, die Produktion des H1 einzustellen. Wer trotzdem noch Jeep fahren will, muss sich mit den Versionen H2 und H3 zufrieden geben. Allerdings sollte man auch bei dem fast drei Tonnen schweren H2 lieber nicht auf den Benzinverbrauch schauen.

Wie kaum ein anderes Fahrzeug stehen Hummer und andere SUV für die Krise der amerikanischen Autoindustrie. Zu lange haben General Motors (GM) und Ford auf die Fahrzeuge gesetzt, die auf hundert Kilometer locker 20 bis 30 Liter Benzin schlucken. Der Zusammenbau der Vehikel war relativ einfach: Aus den Regalen konnten sich die Ingenieure simple Fahrgestelle nehmen, die bereits für Pickups und Kleinlaster verwendet wurden. Drumherum wurde ein voluminöses Blechkleid geschneidert - fertig war die prestigeträchtige Hollywoodschaukel. Kein Wunder, dass die Geländewagen den Herstellern Gewinnmargen von etwa 10000 Dollar pro Stück bescherten.

Noch im vergangenen Jahr machten Sport Utility Vehicle knapp ein Viertel des Neuwagenverkaufs in den USA aus. Mit dem massenhaften Absatz dieses Typs, das in der Werbung zudem das Gefühl von Abenteuer und Freiheit ansprach, gelang es der Industrie ihre strukturelle Krise zu übertünchen. Man brauchte nicht in neue, fortschrittliche Technologien von Kraftfahrzeugen zu investieren.

Konkurrenz aus Asien

Doch mit drastischen Ölpreiserhöhungen drohen die SUV nun zu Ladenhütern zu werden. Händler locken die Kunden mit großzügigen Rabatten. Zum Ärger von Umweltschützern werden sogar Benzingutscheine angeboten, um die Amerikaner vom Spritsparen abzuhalten. Dennoch erwarten Branchenexperten, dass die SUV-Verkaufszahlen in diesem Jahr auf 750000 zurückgehen - im Vergleich zu etwa einer Million, die im Spitzenjahr 2003 erreicht wurde.

Experten erwarten, dass sich der amerikanische Automarkt in Zukunft stärker aufspalten wird. Während Luxus-SUV wie der Ford Navigator oder der 400 PS starke GM Cadillac Escalade eine kleine, betuchte Käuferschicht anlocken, der es egal ist, ob der Benzinpreis auf 3,50 oder sogar vier Dollar pro Gallone steigt, wird der Kampf um Marktanteile im unteren Massensegment erheblich härter.

Andererseits besinnt sich die Industrie nun erstmals auch auf innovative, spritsparende Technologien. So schalten sich zum Beispiel auf langen Autobahnfahrten beim GM Yukon vier von acht Zylindern ab. Doch gerade mit solchen Modellen drängen auch die Japaner und Koreaner in den Markt. Für Walter McManus, Forscher am verkehrswissenschaftlichen Institut der Universität Michigan, gibt es keinen Zweifel: "Die Hersteller haben weiter Probleme. Je länger die Benzinpreise hoch bleiben, desto schwieriger wird es für SUV."

© SZ vom 22.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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