Springer-Chef ohne Fortune:Bildstörung auf allen Kanälen

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In dieser Woche hat es Mathias Döpfner erwischt: Nachdem die vollständige Übernahme der Pro Sieben Sat1 Media AG geplatzt ist, hat das Siegerimage des Steil-Aufsteigers gelitten. Jetzt geht es um ein Weitermachen in Würde.

Hans-Jürgen Jakobs

Er zupft in seiner Freizeit den Bass zu Jazz-Weisen. Er sang früher gerne einmal im Kreis von Freunden russische Lieder. Er promovierte über "Musikkritik in Deutschland nach 1945", schrieb Bücher zur Neuen Deutschen Welle und zur Erotik in der Musik und betreute die Schallplatten-Seite der Frankfurter Allgemeinen. Und er leitete für zwei Jahre eine Münchner Agentur für Kultursponsoring und Public Relations.

Scheiterte mit seinem Wunsch-Coup: Mathias Döpfner. (Foto: Foto: dpa)

Mathias Oliver Christian Döpfner ist ein Bildungsbürger, der etwas ganz Aufregendes entdeckt hat: das Abenteuer Wirtschaft. In der Zone der Zahlen hat der in Frankfurt Aufgewachsene die wohl verblüffendste Karriere der vergangenen Jahrzehnte gemacht: Als Vorstandschef der Axel Springer AG kam er nach ganz oben und kann in dieser Rolle die schönsten Träume für das größte Zeitungshaus Deutschlands verfolgen.

Zur Dramaturgie solcher Geschichten aber gehört, dass auf das Glück das Zurück folgt, auf die große Nummer der bloße Kummer, auf den Sieg die Niederlage.

Von Anfang an skeptisch

In dieser Woche hat es den Steil-Aufsteiger Döpfner erwischt, den kühnen Verlagschef, der mit seinem über Monate ausgelobten Wunsch-Coup scheiterte: der vollen Übernahme der Münchner Pro Sieben Sat1 Media AG, des größten deutschen Privatfernsehunternehmens.

Fünf Sender in schöner Harmonie mit der auflagenstarken Bild-Zeitung und den anderen Blättern des Hauses Springer - das erlauben die Medien- und Wettbewerbswächter nicht. Am Dienstag sperrte sich die Medienbehörde KEK ("nicht genehmigungsfähig") gegen den Deal. Auch das Bundeskartellamt hatte eine Untersagung angedroht - da half auch Döpfners wortreicher Charme nicht.

Am Mittwoch, zehn Uhr, hatte der Springer-Chef erneut mit seinen Anwälten Termin im Kartellamt in Bonn. Er bot nun an, was vorher ausgeschlossen schien: den Verkauf des Senders ProSieben in München an einen unabhängigen Käufer, aus steuerlichen Gründen allerdings erst nach dem Jahr 2006.

Glückloser Vorstandschef: Mathias Döpfner (Foto: Foto: dpa)

Andernfalls würde der Verlag eine dreistellige Millionensumme verlieren, heißt es in einem Schreiben der Springer-Kanzlei an die Kartellbeamten. Die jedoch fordern den sofortigen Verkauf von Pro Sieben.

Was bedeutet das neue Angebot für die wirtschaftlichen Pläne? Bringt dies das schwierige Verfahren wirklich weiter? Ist es ein Schein-Angebot? Das waren erste Fragen nach der Neuigkeit. Bliebe es wirklich bei dem Verkauf von ProSieben, würde auch die KEK der Fusion zustimmen.

"Projekt Shalom"

Längst hat die verunglückte TV-Operation den Berliner Großverlag einer Zerreißprobe ausgesetzt. Seit dem Sommer schien es im Top-Management kein anderes Thema zu geben. Gleichzeitig gewannen immer mehr den Eindruck, das "Projekt Shalom", wie die Pro-Sieben-Übernahme intern genannt wurde, verlaufe nicht gerade friedlich.

Höhepunkt der Irritation: Im Dezember bot Döpfner an, die meisten der Springer-Zeitschriften zu verkaufen, sogar das Objekt Hörzu, mit dem der Verleger Axel Cäsar Springer 1946 sein Presse-Reich gegründet hatte.

Dieses Manöver, das gleichwohl das Kartellamt unbeeindruckt ließ, bestärkte die interne Kritik, hier laufe etwas aus dem Ruder. Viele fühlten sich an die langen Verhandlungen um den Kauf der Zeitung Daily Telegraph in London erinnert, die im Frühjahr 2004 jäh endeten.

Als das Hamburger Abendblatt in der vorigen Woche zum traditionellen Neujahrsempfang lud, redete der Vorstandschef, anders als früher, nicht. Fürchtete er, der Applaus könne zu kläglich ausfallen?

"Kredite mehrfach überzeichnet"

Am Dienstag dieser Woche dann trat Döpfner beim Empfang des Verlags in der Berliner Zentrale auf. Im blauen Nadelstreifenanzug, kontrastiert von einer weihnachtskugelroten Krawatte, redete der Zwei-Meter-Mann über den "runden Deal", von dem die Banken so begeistert waren, "dass die Kredite mehrfach überzeichnet sind".

Dann erzählte er den Witz von dem gläubigen Mann, der nach dem Tod in den Himmel kommt und an der Pforte von einem Teufelchen mit zwei Hörnern erwartet wird. Er habe Petrus erwartet, stammelt der Unglückliche und hört als Antwort: "Tut mir leid, da muss ich Sie enttäuschen. Wir haben vor kurzem fusioniert."

Dass Springers Fusion des Teufels sein könnte, das hätte der pointensichere Verlagsmanager eigentlich seit langem wissen können. Schon im Frühjahr, während der Verhandlungen mit dem Pro-Sieben-Verkäufer Haim Saban, zeigte sich das Bundeskartellamt skeptisch.

In ihrer Abmahnung vom Dezember schrieben die Bonner Beamten, sie hätten "in allen Gesprächen" darauf hingewiesen, "dass bei dem geplanten Zusammenschluss Bedenken bestehen". Befürchtet wurde "die Verstärkung eines bereits bestehenden wettbewerbslosen Duopols" zwischen Bertelsmann (RTL) und Springer/Pro Sieben Sat 1. Auch sah das Kartellamt "eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der Bild-Zeitung auf dem Lesermarkt" voraus.

Gleichwohl verkündete Döpfner am 5.August im überfüllten "Königssaal" des Münchner Hotels Bayerischer Hof das Geschäft. Es schien ein großer Tag zu sein. Kameras klickten, Geschäftspartner Saban zog seine Hollywood-Show ab, und der Springer-Chef lächelte fast ein wenig zu jungenhaft.

"Die richtige Transaktion zur richtigen Zeit", sagte er, zum Jahresende 2005 sei vielleicht alles geschafft: "Wir haben allen Respekt vor der unabhängigen Entscheidung der zuständigen Behörden." Offenbar wurden die Probleme unterschätzt.

Die Offerte zur rechten Zeit

Die Causa Glotze, frisch und fröhlich begonnen, entwickelte sich zum Politikum. SPD und Grüne äußerten Bedenken, und auch die CDU der Angela Merkel, der die Verlegerin Friede Springer zugetan ist, signalisierte offenbar, für diese Fusion nicht zum Äußersten gehen zu wollen, also zu einer Ministererlaubnis. Ein Plan B, fürs Scheitern, war nirgendwo zu entdecken.

Ein Verlierer ist sicherlich auch der Mann, der weit weg in den Hügeln von Los Angeles sitzt und sich schon sicher wähnte, zusammen mit seinen Investoren auf einen Schlag mehr als zwei Milliarden Euro für seinen Münchner TV-Besitz zu kassieren: Haim Saban. Es müssen neue Investoren her. Vor allem aber ist das "Projekt Shalom" ein Rückschlag für den Verlag und ein Schlag gegen das Image des juvenilen Chefs, der an diesem Sonntag 43 Jahre alt wird.

Ist ihm nicht immer alles gelungen, dem Wunderkind der Verlagswirtschaft, dem Aufsteiger? Sein Vater, ein Architekturprofessor, war in den sechziger Jahren von rebellierenden Studenten mit Tomaten beworfen worden. Mathias, das einzige Kind, wollte Förster werden, schrieb dann aber als freier Journalist für die Offenbach Post und die FAZ, wo Mathias Oliver Christian Döpfner jenes Kürzel M.O.C. stilprägend unter die Artikel setzte, das heute seine Hemdmanschetten ziert. Schon in jungen Jahren ging er nicht ohne Krawatte aus dem Haus. Manche halten ihn für einen Snob, andere für kultiviert.

Die guten Manieren und das schöne Parlieren, das gefiel im Pressewesen all jenen, die sich zum Kapital auch Kultur wünschen, weil sich über Zinsen, Cashflow und Rendite auf Abendveranstaltungen nun mal schlecht reden lässt.

Döpfner kam 1992 zum Bertelsmann-Großverlag Gruner+ Jahr in Hamburg, wo ihn der damalige Chef Gerd Schulte-Hillen zum Vorstandsmitglied aufbauen wollte. Doch bei den Bewährungsproben- in den Chefredaktionen von Wochenpost und Hamburger Morgenpost - war für ihn wenig zu gewinnen.

Beide Blätter wurden später verkauft. Da kam 1998 eine Offerte Springers gerade recht: Er sollte Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt werden.

Zum Netzwerk des Mathias Döpfner, das er auch mit internationalen Journalisten-Programmen geknüpft hatte, gehörte Kai Diekmann von der Bild-Zeitung, der ihn frühzeitig mit dem TV-Unternehmer und Springer-Großaktionär Leo Kirch bekannt machte.

Über Diekmann und den einstigen Springer-Zeitungsvorstand Claus Larass kam der wertkonservative Journalist zur Welt und ins konservative Medienhaus.

Die Hauptaktionärin Friede Springer wiederum hatte Döpfner bereits 1995 über den Publizisten Arnulf Baring kennengelernt; schon bald gefiel Döpfners Konversationsstil bei den Soirees der Hauptstadtsalons. Kurz vor Antritt seines Chefredakteurs-Jobs bei der Welt schickte der schreibende Musikus jedem Aufsichtsratsmitglied des Verlags ein Exemplar des Buchs Personal History der Verlegerin Katharine Graham über ihre Washington Post.

Für Friede Springer schrieb er ein paar Zeilen hinzu. Das kam gut an. Später kaufte sich die Verlegerin in Potsdam ein Haus neben dem Anwesen der Familie Döpfner; sie ist auch Patin des zweiten Sohns ihres Vorstandschefs.

Rasanter Aufstieg

Mit der Karriere ging es rasch voran. Mitte 2000 wurde Mathias Döpfner Mitglied des Konzernvorstands, zuständig für elektronische Medien und Multimedia. In der ersten Pressekonferenz pries er Qivive, eine Firma für Online-Ticketverkauf, die später pleite ging.

Anfang 2002 wurde Döpfner Vorstandschef und stieß sogleich mit einer Forderung über 767 Millionen Euro aus einer Aktienoption seinen einstigen Gönner Kirch in den Abgrund.

Damals wollte der Springer-Chef, der nach eigenem Bekunden von Unterhaltungsfernsehen und Fußball wenig versteht, ganz raus aus jenem TV-Unternehmen Pro Sieben Sat 1, das er heute so gerne besitzen möchte. Er versuchte am Ende - nach Leo Kirchs Pleite - ein Werk zu verwirklichen, von dem Axel Springer immer geträumt hat: das Verlegerfernsehen.

In keinem deutschen Verlag ändert sich so schnell so viel wie bei Springer. Döpfner ist bereits der sechste Vorstandschef nach dem Tod von Axel Springer im Jahr 1985. Er ist freilich der erste, der die Verlegerin an ihren Mann erinnert; irgendwie ein Fall von Reinkarnation.

So ließ sie denn ihrem Top-Manager alle Freiheiten. Es müsse ihm auf Börsenkurs und Ertrag ankommen, sagt die Konzernherrin, die im alten Büro ihres Mannes im 19. Stock des Berliner Springer-Hauses arbeitet und gerne sagt: "Ich bin nur Gast hier."

Was aber kommt nun, wenn da die ganz große Story vom Fernsehen noch vor Sendebeginn endete? Reicht es für das erhoffte Wachstum? Was sind die tollen Aktienoptionen des Vorstands wert, für die Döpfner gesorgt hat?

Auch die digitalen Medien wie Online-Angebote und Investitionen im Ausland gelten als Chance bei Springer. Doch die vielen Zeitschriften und Zeitungen, die der Verlag in Staaten wie Russland, Ungarn oder Polen besitzt, tragen noch nicht viel zum Konzernergebnis bei.

Wo also entsteht im Ausland ein zweites profitables Geschäft neben der Bild-Gruppe, deren ökonomisch erfolgreiche Macher - Chefredakteur Diekmann und Geschäftsführer Christian Nienhaus - in der Hierarchie nach oben drängen?

Sorgsame Inszenierung

Durch die TV-Fusion ist die Gruppe um Bild, die mehr Gewinn macht als die anderen Verlagsaktivitäten, zum Gesprächsthema geworden. Es ging um Kampagnenvorwürfe, reißerische Schlagzeilen, Gegendarstellungen von Politikern, Klagen von Prominenten.

Öffentlich bekundete Döpfner sogar, an den Vorwürfen sei etwas dran: "Es gibt Beispiele, die man kritisieren kann und muss. Das ist unbestritten. Aber ein Trend ist das sicher nicht." Das sagte er beim Spaziergang mit einem Zeit-Reporter.

Es war eine dieser sorgsamen Döpfner-Inszenierungen auf großer Bühne - denn manche erinnern sich noch an die Worte von Springer senior in der früheren Zeit-Reihe "Spaziergänge", er leide morgens beim Lesen von Bild manchmal wie ein Hund. Den äußerlich stets höflich bleibenden Döpfner verraten nur große roten Flecken am Hals, wenn er eine Sache als unangenehm empfindet.

Zerstobene Hoffnungen

Nein, es ist keine gute Zeit für den Springer-Chef, der sich selbst einen "Freiheitlichen" nennt. Der Fernseh-Deal: implodiert. Die von ihm bejubelten steuerrevolutionären Vorschläge des Professors Paul Kirchhof: vergessen.

Die Hoffnung auf eine schwarz-gelbe Bundesregierung: zerstoben. Statt dessen regiert eine große Koalition, die bei ihm zunächst "nur ein Gefühl schaler Kläglichkeit hinterlassen" hat - der er jetzt aber gönnerhaft "die Chance" geben will.

Als Döpfner dies am Dienstag beim Neujahrsempfang sagte, war kein Bundesminister zugegen: Sie arbeiteten auf der Klausurtagung in Genshagen. So konnten sie nicht hören, womit der belesene Verlagschef sich und den anderen nun Mut macht: "Die Lage ist zwar fast hoffnungslos, aber auf keinen Fall ernst."

© SZ vom 12.01.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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