Sprechblasen der Saison:Dem Führungsvolk aufs Maul geschaut

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,Am Ende des Tages'' ist groß in Mode - und verrät einiges über die Nöte der Manager.

Dagmar Deckstein

Wer wissen will, wie es um die Befindlichkeit der Wirtschaft tatsächlich bestellt ist, der ist gut beraten, deren Führungsvolk genau aufs Maul zu schauen. Nicht nur, aber vor allem Bilanzpressekonferenzen sind eine der interessantesten Fundgruben für Sprachcodes, aus denen sich die impliziten, aber aussagekräftigsten Botschaften herauslesen bzw. -hören lassen.

Die Geschäftsberichte mit ihren sinnfreien Hochglanz-Formulierungen... (Foto: Foto: AP)

Die vielen Zahlen, die im Rückspiegel aufs vergangene Geschäftsjahr aufscheinen, die Geschäftsberichte mit ihren sinnfreien Hochglanz-Formulierungen (,,den Erfolg fest im Blick''; ,,klare Performance-Ziele''; ''gut gerüstet durch mutige Investitionsentscheidungen''...) kann man getrost beiseitelegen: Schnee von gestern, präsentiert in Wohlfühl-Sprache, an der Stabsabteilungen und Kommunikationsberater herumgeschliffen haben, bis auch der letzte Hauch von Hinweis auf wahre bis beklagenswerte Zustände im Unternehmensinneren getilgt ist.

Viel interessanter ist das gesprochene Wort der Vorstandsvorsitzenden und ihrer Mitstreiter, das sich oft an solche Reinstraum-Kommunikation anlehnen will, aber doch mehr verrät, als es zu verschleiern trachtet.

Und wenn die immer gleichen signalhaft einschnappenden Wörter geradezu inflationär aus Manager-Mündern quellen, dann ist Hellhörigkeit geboten. Die Bilanzsaison 2005 etwa stand unter der rhetorischen Flagge ,,neu aufgestellt.''

"Wir sind gut unterwegs" - wohin auch immer

Wie die Schachfiguren auf dem Brett warteten Mannschaften und Kapitäne nach Restrukturierungen ohne Ende noch unschlüssig, in welche Richtung es im Global Play nun eigentlich gehen sollte. Ein Jahr später war die Sache schon etwas in Bewegung gekommen.

Landauf, landab schwallte von den Podien der Konferenzsäle in einem fort ans Ohr: ,,Wir sind gut unterwegs.'' Wohin auch immer und wie lange die Reise auf Kurs ,,profitables Wachstum'' dauern würde, wer sollte das schon so genau sagen können. Bloß nicht festlegen, die Kapitalmärkte könnten das wörtlich nehmen und das Management darauf festnageln.

Aus solchen Floskeln spricht nicht zuletzt eine gehörige Portion Managerfrust. Sie wissen, was sie mit Volldruck jeden Tag im Namen der Rendite tun sollen, stehen aber gar nicht dahinter.

Darauf schließen lässt das mystisch verschlüsselte ,,am Ende des Tages'', von dem die diesjährige Berichtssaison widerhallt. Man ist also noch immer nicht ab- oder kaltgestellt, sondern nachhaltig aufgestellt und bestens unterwegs. Am fernen Horizont scheint langsam Land in Sicht, was die Hoffnung nährt, ,,am Ende des Tages'' den Hauptkonkurrenten überholt, den Auslandsanteil verdoppelt, die Umsatzrendite von zehn Prozent tatsächlich erreicht, mehr LKW denn je verkauft zu haben.

Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut

Fragt sich nur, an welchem Tag. Am Tag der Bilanzvorlage? Wohl kaum. Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, selbst für die Welt brauchte es deren sechs. Näher liegt der Verdacht, dass wieder mal Beraterjargon übernommen wurde: ,,Wenn Sie mit unserer Hilfe Ihre Potenziale in Ihrem Unternehmen aufspüren, können Sie am Ende des Tages Ihre Wettbewerbsvorteile voll ausspielen.''

Möglich aber auch, dass man sich innerlich schon darauf eingerichtet hat, bis zum Sankt Nimmerleinstag bestens aufgestellt nur noch unterwegs zu sein und eigentlich gar nie irgendwo anzukommen. So wird es sein, und so klingt am Ende des Tages die Gebetsmühle aller Getriebenen und Geplagten dieser Welt heraus: Herr, lass' Abend werden!

© SZ vom 2.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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