Sportartikelmarkt:China schlägt auf

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Könnten bald chinesisch sein: Bisher stellt die finnische Firma Amer Atomic-Skier und Wilson-Tennisschläger her. (Foto: Sydney Low/Cal Sport)

Anta Sports ist eine chinesische Sportmarke, doch die Chinesen kaufen lieber Adidas, Puma oder Nike. Deshalb möchte Anta nun den finnischen Konkurrenten Amer und damit Labels wie Wilson übernehmen.

Von Uwe Ritzer, München

Die Aktion geriet zu einer der spektakulärsten in der Geschichte olympischer Eröffnungsfeiern. Li Ning, ehemaliger Weltklasseturner aus China, schwebte scheinbar steil nach oben unter das Stadiondach, drehte dort mit einer brennenden Fackel in der Hand eine Runde und entzündete das olympische Feuer. Die Spiele von Peking 2008 waren eröffnet. Die große Rundlauf-Show werde garantiert die Geschäfte von Li Nings gleichnamiger Sportartikelfirma durch die Decke schießen lassen, prophezeiten viele. Nike und Adidas würden sich sprichwörtlich warm anziehen müssen, zumindest in China, dem größten Wachstumsmarkt der Branche.

Zehn Jahre später hat sich diese Prophezeiung nicht erfüllt. Die Firma Li Ning gibt es zwar noch, auch wenn sie zwischenzeitlich schwierige Phasen durchleben und Geschäfte schließen musste. Nach wie vor werden in China nicht nur die meisten Sportartikel produziert, sondern auch immer mehr davon verkauft. Die Branche erwirtschaftet dort inzwischen zehn Prozent ihres globalen Umsatzes, und es ist kein Ende des zweistelligen Wachstums in Sicht. Doch dominiert wird der chinesische Sportartikelmarkt nach wie vor nicht von einer lokalen Marke, sondern vom US-Branchenführer Nike und der deutschen Nummer zwei Adidas.

Ihre Geschäfte legten dort zuletzt um jeweils ein Viertel zu. und auch kleinere westliche Marken wie Puma sind in China sehr erfolgreich. Chinesische Hersteller wie Li Ning oder Anta Sports haben zwar ihre Kundschaft gefunden, sind etabliert und in den Großstädten auch im Straßenbild sichtbar. Aber sie sind auch weit davon entfernt, die bekannten westlichen Marktführer zu gefährden.

"Chinesen können keine Marken", sagt ein Experte aus der Sportartikelindustrie, der nicht namentlich zitiert werden möchte, "weil ich meine Partner in dem Land nicht verärgern will." Auch in anderen Konsumgütersparten spielt bislang kein chinesisches Markenunternehmen weltweit eine große Rolle. Doch wenn es schon nicht gelingt, den Nikes, Adidas und Pumas dieser Welt mit eigenen Labels Konkurrenz zu machen, dann will China offenkundig zumindest einige westliche Sportartikelhersteller besitzen und kontrollieren. Dieser Logik folgt das Interesse der Firma Anta Sports aus dem südostchinesischen Jinjiang, den finnischen Konkurrenten Amer Sports zu kaufen, für angeblich vier Milliarden Euro. Es wäre die größte Übernahme in der Branche, seit Adidas 2006 den US-Rivalen Reebok geschluckt hat, für damals 3,2 Milliarden Euro.

Mit Amer würden bekannte Marken wie Wilson (Tennisschläger), Salomon (Wanderschuhe) oder Atomic (Ski) chinesisch. Finanziell will Anta den Deal gemeinsam mit dem asiatischen Finanzinvestor Fountain Vest Partners stemmen. Ein offizielles Übernahmeangebot für die börsennotierte Amer gibt es noch nicht, wohl aber hat Anta dort Interesse angemeldet, wie die Finnen bestätigten. Die Sportartikelwelt würde durch den Deal nicht auf den Kopf gestellt, durchaus aber neu sortiert. Die beiden etwa gleich großen Unternehmen würden gemeinsam eine Firmengruppe mit etwa 5,3 Milliarden Euro Umsatz bilden und damit zur neuen Nummer drei aufsteigen, wenn auch mit großem Abstand hinter Nike (29,5 Milliarden) und Adidas (21,2 Milliarden). Wohlgemerkt weltweit und nicht nur in China.

Der Swoosh von Nike oder die drei Streifen von Adidas gelten als Statussymbole

Dort kauft eine stetig wachsende Mittel- und Oberschicht mit Begeisterung und für immer mehr Geld Sportartikel. Ob tatsächlich für Training und Wettkampf oder aber aus modischen Gründen. Hinzu kommt, dass die Regierung in Peking Sport fördert. Das wiederum spielt den westlichen Marken in die Karten, denn der Swoosh von Nike oder die drei Streifen von Adidas auf Klamotten oder Schuhen gelten als Statussymbole. Für Adidas ist China mit geschätzt vier Milliarden Euro Umsatz inzwischen der größte und dem Vernehmen nach auch profitabelste regionale Markt. Die Nike-Zahlen dürften sogar noch etwas besser sein. Beide profitieren in China davon, dass ihre Produkte auch von den Stars etwa der amerikanischen Basketballliga NBA oder der großen europäischen Fußballligen getragen werden, die in China immer mehr Fans gewinnen.

Um Fußball auch in China zu unterstützen, kooperiert Adidas mit dem Erziehungsministerium des Landes und liefert für 20 000 Schulen Lehrpläne, Ausrüstung und Fortbildungsangebote in Sachen Fußball. Mehr als 17 000 chinesische Trainer hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits ausgebildet. Das alles aus handfestem ökonomischem Interesse: Nirgendwo wächst Adidas schneller und profitabler als in China. Einheimische Hersteller wie Li Ning, vor allem aber die chinesische Nummer eins Anta profitieren zwar ebenfalls von der sprunghaft wachsenden Nachfrage nach Sportschuhen und -kleidung; die Beliebtheit ihrer Marken in der besonders emotionalen Branche ist aus Sicht der chinesischen Kundschaft jedoch geringer als jene von Nike, Adidas und Co.

Li Ning rüstete zeitweise die höchste chinesische Profi-Basketballliga CBA aus, und in den USA tritt NBA-Star Dwayne Wade als wichtigster Werbepartner auf. Auch in Badminton, Tischtennis und beim Laufsport ist Li Ning dem Vernehmen nach gut vertreten. Und auch bei Olympia tauchte Li Ning wieder auf, wenn auch nicht so spektakulär wie der Firmeninhaber höchstpersönlich anno 2008. Bei den Spielen in Rio 2016 rüstete sein Unternehmen aber immerhin das chinesische Team aus. Vier Jahre zuvor war es noch in Adidas angetreten.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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