Spiele-Experte:"Renaissance des Brettspiels"

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Wann eine Neuerscheinung Erfolg hat und warum die Klassiker modern bleiben.

Interview von Benedikt Müller

Bernhard Löhlein, 50, entscheidet seit zwölf Jahren in der Jury mit, welche Neuheit zum "Spiel des Jahres" gekürt wird, der wichtigsten Auszeichnung für Gesellschaftsspiele im deutschsprachigen Raum. Als Hörfunkjournalist rezensiert Löhlein regelmäßig Spiele-Neuheiten. In seiner Freizeit leitet der Vater dreier Kinder einen Spieleklub, dessen Mitglieder sich jede Woche ganz analog treffen.

Herr Löhlein, bei Gesellschaftsspielen denken viele an jahrzehntealte Klassiker. Warum halten die sich so gut?

Löhlein: Mit "Mensch, ärgere dich nicht" oder "Monopoly" ist man groß geworden. Der Vorteil dieser Spiele ist, dass man nicht kommunizieren muss, wie sie funktionieren. Großeltern können diese Klassiker problemlos mit ihren Enkeln spielen. In den 80er-Jahren sind sogenannte moderne Klassiker dazugekommen. Spiele wie "Siedler von Catan" oder "Carcassonne" sind deshalb so beliebt, weil sie die Erfahrungen von früher mit neuen Elementen verbinden: Es gibt immer noch Zufallselemente wie Würfel oder Karten. Der Spieler schlüpft aber selbst in eine Figur, trifft eigene Entscheidungen, kann zum Teil mit Mitspielern zusammenarbeiten.

Kann ein Spieleverlag absehen, wie erfolgreich eine Neuerscheinung wird?

Es ist ganz schwierig zu schätzen, ob ein Spiel das Zeug zum Klassiker hat oder nicht. Viele erfolgreiche Entwickler sagen im Nachhinein, sie wüssten nicht, woran es gelegen hat. Manchmal wird ein kleines, unscheinbares Spiel auf einmal zur Perle.

Viele Leute nutzen jede freie Minute für ein Spiel auf dem Smartphone. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Menschen des Spielens überdrüssig werden?

Ich glaube nicht, dass die digitale Spielwelt der analogen das Wasser abgräbt. Das Spielen auf dem Handy ist etwas Pragmatisches. Wenn die Leute in der Bahn oder im Bus mehr Platz hätten, würden sie nicht auf dem Smartphone spielen, sondern ein kleines Brett- oder Würfelspiel auspacken. Die größere Konkurrenz für Gesellschaftsspiele ist das Fernsehen. Immer, wenn eine Gruppe zusammen fernsieht, hätte sie in derselben Zeit auch spielen können.

Verändert die digitale Spielewelt denn die analoge?

Ja, zum Beispiel die Art und Weise, wie man mit Regeln umgeht. Beim digitalen Spiel kann man mit Versuch und Irrtum herausfinden, wie das Spiel funktioniert. Der Computer sagt mir schon, dass es so nicht geht. Deshalb lesen die Leute auch bei klassischen Spielen nicht mehr gerne die Anleitung. Nun bemühen sich die Verlage, die Spielregeln möglichst amüsant und schnell verständlich aufzuschreiben.

Glauben Sie, Ihr Spieleklub wird sich auch in ein paar Jahren noch für analoge Brettspiele treffen?

Auf jeden Fall. Es ist längst von einer Renaissance des Brettspiels die Rede. Denn am echten Spieltisch passiert etwas, was der Computer nicht kann: Der Spieler sieht das verschmitzte Lächeln seines Gegenübers und grübelt, was es wohl zu bedeuten hat. Wenn elektronische Elemente das Brettspiel unterstützen, kann das Analoge vom Digitalen profitieren. Aber die beiden Welten lassen sich nicht immer mischen. Vor allem nicht, wenn es dem Verlag nur darum geht, dass alles blinkt und glitzert.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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