Spam-Emails:Eine Waffe gegen den elektronischen Müll

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Bisher war der Kampf gegen Spam, also unerwünschte Werbe-Emails, relativ erfolglos. Nun setzt die deutsche Internetwirtschaft auf die "Positivliste" — wer da nicht drauf steht, dessen Post landet in der virtuellen Mülltonne.

Von Antonie Bauer

Harald Summa muss oft nur auf die Uhrzeit schauen, um zu wissen, ob er eine E-Mail lesen möchte. Was etwa zwischen null und vier Uhr morgens ankommt, ist fast zuverlässig Spam: Eine millionenfach verschickte Botschaft, die Viagra, billige Kredite oder Penisverlängerungen anpreist.

Rund 200 bis 300 der unerwünschten Werbungen landen täglich in seinem elektronischen Postkasten. Das ist nicht gerade wenig, aber auch nichts Außergewöhnliches und nicht der Grund dafür, dass der Unternehmensberater dem elektronischen Müll den Kampf angesagt hat.

Doch Summa ist außerdem Geschäftsführer des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (Eco), dessen Mitgliedsfirmen mehrheitlich heftig unter Spam leiden. Deshalb wirbt er nun für die neue Positivliste, mit der die Branche der Landplage Herr werden möchte.

Schäden in Milliardenhöhe

Die elektronische Massenwerbung ist nicht nur lästig, sie richtet Schäden in Milliardenhöhe an.

Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens Radicati Group werden schon heute in Europa täglich 9,78 Milliarden Spams verschickt, das sind 46 Prozent aller E-Mails. 2008 sollen sie bereits 71 Prozent aller E-Mails ausmachen, denn sie wachsen mit jährlich 54 Prozent weit schneller als die "echte" Post.

Für Unternehmen bedeutet das, dass sie ihre Computersysteme aufrüsten und ständig pflegen müssen: damit sie mit dem hohen E-Mail-Aufkommen fertig werden oder damit sie die Spams aussondern. Dazu kommen die Produktivitätsverluste der Mitarbeiter durch die Werbeflut.

Selbst wenn Filter die Spreu vom Weizen trennen, müssen die Nutzer kontrollieren, ob nicht doch wichtige Botschaften in den Spam-Mülleimer gerutscht sind. Und zu guter Letzt schleppen die unerwünschten E-Mails oft noch Viren ein.

Das ergibt in der Summe nach Schätzungen der Radicati Group derzeit in Europa Schäden von 9,2 Milliarden Euro jährlich. Bis 2008 sollen sie auf 85,4 Milliarden Euro im Jahr klettern.

Noch nicht eingerechnet ist dabei ein Problem, das Eco-Chef Summa besonders am Herzen liegt: "Das Medium leidet darunter. Man ist gezwungen, sich Gedanken zu machen, ob das Internet als Kommunikationsmedium noch Sinn macht."

Für seine Branche ist das eine existenzielle Frage, und bei der Antwort will sie sich nicht auf Microsoft-Gründer Bill Gates verlassen, obwohl der eine Lösung des Problems bis zum Jahr 2006 versprochen hat. Doch Summa zweifelt daran, dass Spam technisch in den Griff zu bekommen ist.

Auch vom häufig propagierten Porto auf E-Mails, das pro Botschaft etwa einen Cent kosten könnte und damit die Massenversender am Geldbeutel packen würde, hält er wenig: "Das ginge weder technisch noch organisatorisch. Das würde alles zum Erliegen bringen."

Ein simples Spamverbot "bringt es nicht"

Zu viele Fragen gebe es dabei: "Wo kriegen Sie die Briefmarken her? Was kosten sie? Wer verdient daran?" Genauso wenig bringe ein simples Spam-Verbot, da der meiste Werbemüll aus unbekannten Quellen im Ausland komme.

Ein Jahr lang hat sich eine Arbeitsgruppe der deutschen Internetwirtschaft nun den Kopf darüber zerbrochen, was statt dessen funktionieren könnte. Das Ergebnis: eine Positivliste.

Auf ihr stehen die Direktversender, die einen Verhaltenskodex unterschreiben. Dazu gehört vor allem, dass sie nur an Kunden E-Mails verschicken, die sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben. Internet-Provider leiten die Post dieser Firmen ungehindert weiter, während sie Massen-Mailings anderer Anbieter aussortieren.

In China herrscht noch "wilder Westen" in Sachen Internet

Für den Empfänger bedeutet das allerdings nicht, dass er keine Spams mehr bekommt. "Die Provider dürfen ja nicht einfach was wegwerfen", sagt Summa, genauso wenig wie ein Briefträger Werbepost wegwerfen dürfe.

Aber sie könnten die E-Mails aus dubiosen Quellen gesondert zustellen, in eine virtuelle Mülltonne, die der Kunde nach Belieben durchsuchen oder unbesehen leeren könne. Neben dem Endverbraucher profitieren vor allem die legitimen Direktversender, sofern sich das System durchsetzt: Wenn sie dem Netzwerk angehören, kommt ihre Post beim Empfänger an, statt wie jetzt häufig im Spamfilter hängen zu bleiben.

Eco ist derzeit dabei, erste Verträge mit Internet-Providern und -Versendern zu schließen; der Zuspruch sei groß. Der Prototyp entsteht in Deutschland. In Skandinavien hat man das Modell auch schon vorgestellt, und irgendwann, hofft Summa, werden dann auch die Amerikaner dazustoßen.

"Die Chinesen sind dann die letzten, die es übernehmen - da herrscht noch Wilder Westen im Internet." Und wenn dann eines Tages alle Spams in den Filtern oder virtuellen Papierkörben landeten, dann, so hofft Summa, lohne es sich endlich auch nicht mehr, sie zu versenden.

© SZ vom 6.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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