Sonderaufgabe nach Ablösung als VW-Chef:Pischetsrieder soll MAN und Scania fusionieren

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Der VW-Manager Bernd Pischetsrieder soll nach seiner Ablösung das Zusammengehen der beiden Lkw-Hersteller MAN und Scania voranbringen. Dies sei eine seiner künftigen Sonderaufgaben, erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Aufsichtsrats-Kreisen von VW.

Michael Kuntz

Der Volkswagen-Konzern hatte nach der außerordentlichen Sitzung des Präsidiums seines Aufsichtsrates in einer Pflichtmitteilung lediglich das einvernehmliche Ausscheiden seines Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder zum Jahresende bekanntgegeben.

Der schwedische LKW-Konzern lehnt das Übernahmeangebot von MAN über gut zehn Milliarden Euro als zu niedrig zurück. Nun soll Pischetsrieder in der schwierigen Situation behilflich sein. (Foto: Foto: dpa)

Noch am selben Abend drang jedoch aus dem Gremium an die Öffentlichkeit: "Wir haben intern miteinander besprochen, dass er für Sonderaufgaben zur Verfügung steht."

Dabei soll es sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung um die Aufgabe handeln, die Nutzfahrzeug-Firmen MAN und Scania aus der schwierigen Situation zu führen, in der sie nach der Übernahmeofferte von MAN für Scania stecken. Ein Konzernsprecher von Volkswagen lehnte eine Stellungnahme dazu ab: "Wir kommentieren das nicht."

Sowohl der schwedische Lkw-Konzern als auch sein Aktionär Investor, eine Finanzgesellschaft der Industriellenfamilie Wallenberg, weisen das Angebot von MAN für Scania über gut zehn Milliarden Euro als zu niedrig zurück. Volkswagen ist Großaktionär sowohl bei Scania wie auch neuerdings bei MAN und hat den beiden Unternehmen bis zum Freitag nächster Woche eine Frist für eine gütliche Einigung gesetzt.

Betriebsrat lobt Winterkorn

Bernd Pischetsrieder ist als Aufsichtsratsvorsitzender bei Scania stark in den Übernahmekampf involviert. Dieser hatte durch unbestätigte Berichte an Brisanz gewonnen, wonach MAN beabsichtigt, seinerseits Aktien von VW zu erwerben.

Ein dritter Großaktionär würde zwar von dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) als Gegengewicht zu Porsche begrüßt werden, wäre dem Sportwagenhersteller als Familienfirma von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch aber keinesfalls willkommen. Dies war auch Gegenstand der Sitzung am Dienstag, die mit der Ablösung von Pischetsrieder an der Konzernspitze durch Audi-Chef Martin Winterkorn endete, wie es in den Kreisen heißt.

Winterkorn könnte sich voll auf die im Gang befindliche Sanierung der Kernmarke VW und die Entwicklung neuer Automodelle konzentrieren, wenn sich Pischetsrieder weiterhin um MAN und Scania kümmern würde.

Solange Pischetsrieder nach seiner Demission als Vorstandsvorsitzender weiter für Volkswagen arbeitet, erhält er auch keine Abfindung. Über deren Höhe ist in der Boulevardpresse bereits heftig spekuliert worden. Der Sprecher von Aufsichtsrats-Vize Jürgen Peters, dem Vorsitzenden der IG Metall, erklärte: "Von einer Abfindung ist uns nichts bekannt."

Auf Winterkorn warten schwierige Arbeiten

Der vom Aufsichtsrat erst im Mai auch unter Mitwirkung von Peters beschlossene Vorstandsvertrag läuft früheren Angaben zufolge von Mai 2007 bis Mai 2012 und hat einen Wert von 14,2 Millionen Euro - wenn weiterhin die Vergütung in der Höhe wie für das Geschäftsjahr 2005 gezahlt werden würde.

Das ist keineswegs sicher. Denn der fixe Anteil der Bezüge von Pischetsrieder betrug für das vergangene Jahr nur 835.074 Euro. Hinzu kam eine variable Vergütung von zwei Millionen Euro. Der größere Teil seines Einkommens war also erfolgsabhängig. Es ist daher nicht sicher, dass dieser Teil weiterhin so hoch sein wird wie als Vorstandsvorsitzender.

Auf den künftigen VW-Konzernchef Martin Winterkorn warten schwierige Aufgaben. Er muss den Sanierungsprozess in den westdeutschen Werken von VW mit ihren 100.000 Beschäftigten fortsetzen. Die Belegschaft hat sich zu unbezahlter Mehrarbeit bereit erklärt und arbeitet wieder an fünf statt bisher vier Tagen pro Woche. Nach dieser Vorleistung warten die Mitarbeiter nun auf kostengünstiger herzustellende Autos und die bessere Organisation der Produktion.

Rücktritt als VDA-Vize

Die nächste Sparrunde kommt in den westeuropäischen Werken, aber auch in Brasilien. Winterkorn muss zudem die Absatzprobleme in Nordamerika sowie China lösen und dafür sorgen, dass die spanische VW-Tochter Seat wieder Gewinne macht. Schließlich nähert sich der Prozess gegen den früheren Personalvorstand Peter Hartz. Dann wird der Skandal um Schmiergelder, Sexpartys und Lustreisen für Betriebsräte noch einmal für Schlagzeilen sorgen.

Die Unterstützung der Arbeitnehmervertreter scheint Winterkorn sicher zu sein. Der Volkswagen-Konzernbetriebsrat sieht in ihm einen "adäquaten Nachfolger" für Pischetsrieder. Winterkorn habe als Audi-Vorstandsvorsitzender "unter Beweis gestellt, dass er in der Lage ist, eine erfolgreiche Produktpolitik voranzutreiben", teilte der Betriebsrat mit. Außerdem habe er gezeigt, "dass er ein Unternehmen nachhaltig zukunftsfähig aufstellen kann".

Der Wechsel an der VW-Spitze von Pischetsrieder zu Winterkorn nimmt bereits vor der Bestellung des Audi-Vorstandsvorsitzenden zum VW-Konzernchef durch den Aufsichtsrat bei seiner nächsten turnusmäßigen Sitzung am 17. November konkrete Gestalt an: Am Donnerstag gab Pischetsrieder sein Mandat als Vizepräsident des Verbandes der Automobilindustrie zurück. Nachfolger in dieser Funktion wird aber nicht Winterkorn sondern DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche.

© SZ vom 10.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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