Solvis: Ökofirma, aber richtig:Die Gift-Sparer

Lesezeit: 3 min

Mit Rapsöl, Sonnenkollektoren und Wärmeschutz in die Zukunft: Die preisgekrönte "Nullemissionsfabrik" produziert ökologisch - und Geld wird auch verdient.

Von Meite Thiede

Das Wort ist eigentlich eine Mogelpackung: Die preisgekrönte "Nullemissionsfabrik" in Braunschweig arbeitet natürlich nicht völlig emissionsfrei, aber sie entlässt konkurrenzlos wenig Gift in die Luft. Und sie ist eine seltene Erscheinung in der deutschen Industrie, in der gerade heftig um den Handel mit Emissionsrechten geschachert wird.

Solaranlagen: nur eine der Techniken, die bei Solvis funktioniert. (Foto: Foto: dpa)

Nullemissionsfabrik

Bei der Solvis GmbH & Co. KG, die sich "Nullemissionsfabrik" nennen darf, geht es nicht darum, ob und wann ein paar Prozent weniger Klimagifte ausgestoßen werden. Denn weniger geht einfach nicht mehr.

Geschäftsführer Helmut Jäger erklärt das System so: Die Fabrik bereitet dem Naturkreislauf keinerlei zusätzliche Belastung. Die benötigte Energie kommt von der Sonne und einem Rapsöl-Blockheizkraftwerk. Dieselbe Menge CO2, die die Fabrik in die Luft ausstößt, wird beim Anbau des Rapses, dessen Öl das Kraftwerk verfeuert, wieder gebunden. Der gesamte Zyklus ist damit CO2-neutral. Ohne Vortrag kommt bei Jäger kein Gast davon - ob er nun will oder nicht.

Umweltschutz aus Überzeugung

Der passionierte Umweltschützer hat stets ein Dutzend Folien parat, in denen es um konventionelle und regenerative Energieträger geht. Und eigentlich lassen sie nur einen Schluss zu: Die Menschen müssen den Energiebedarf auf Dauer drosseln und die CO2-Emissionen vermeiden.

Wenn Jäger sagt, dass Erdgas und Erdöl Millionen Jahre zur Entstehung gebraucht haben und wir sie in nur 300 Jahren verbrauchen, und dass 250 Jahre davon schon verstrichen sind, dann denkt man sofort an einen seiner Solarheizkessel. Und das ist natürlich auch der tiefere Sinn des Vortrags. Solvis baut Heizkessel, mit denen man bis zu 50 Prozent Brennstoff und CO2 sparen kann.

Rendite ist nicht alles

Firmengründer Jäger hatte einige Kilometer weiter nördlich von Braunschweig seine Berufskarriere gestartet. Nach dem Elektronik-Studium in seiner Geburtsstadt Bielefeld entwickelte er bei VW Motoren. Aber schon nach zweieinhalb Jahren quittierte er den Job und eröffnete mit Freunden ein Ingenieurbüro.

Nebenbei installierten die jungen Unternehmer Solaranlagen. Das war Anfang der achtziger Jahre, als sich in Deutschland nur wenige intensiv um Umweltschutz und ums Energiesparen kümmerten. Zusammen mit der Uni Braunschweig entwarf Jäger Solarsysteme, und irgendwann spezialisierte er sich auf die Integration von Solartechnik und Heizkesseln.

16 Jahre Solvis

1988 gründete Jäger Solvis, eine mitarbeitergeführte GmbH & Co. KG. Die GmbH, der Komplementär, besteht aus 35 Kollegen, die alle zu gleichen Teilen beteiligt sind. Und das ist wörtlich gemeint: Jäger besitzt zum Beispiel nicht mehr oder weniger Anteile an seiner Firma als seine Pressereferentin.

Daneben gibt es 400 externe Kommanditisten. Die haben Jäger und seine Gründer-Kollegen erst in ihren Familien und im Freundeskreis gesucht, dann wurden Kunden angeschrieben, und schließlich gab es auch Werbung "in der taz und im Öko-Bereich". Natürlich will und muss Solvis auch profitabel arbeiten, aber "unsere Eigentümer brauchen keine 20 Prozent Eigenkapitalrendite", sagt Jäger.

Sein Ziel sind zehn Prozent in zwei Jahren. Jäger hat schon mehr als 15.000 Besucher über Solarenergie aufgeklärt - mal ist der Lion's Club zu Gast in Braunschweig, mal eine Gruppe von Berufsschullehrern. Dass so viele Menschen hierher strömen, liegt aber nicht an den Heizkesseln. Solvis hat als Paradebeispiel für vorbildliches Bauen und Produzieren von sich reden gemacht. "Kurz vor Weihnachten gewinnen wir meistens einen Preis", sagt Jäger. Ende 2002 war es der europäische Solarpreis, Ende 2003 der Energy Globe.

Ärger mit dem Minister

Und dazwischen, im Frühjahr 2003, erhielt die kleine niedersächsische Firma den europäischen Architekturpreis. Er kam wie gerufen, weil es Solvis 2002 ziemlich schlecht ging. Der Umsatz war von 17 Millionen Euro im Jahr 2001 auf elf Millionen Euro im Jahr 2002 abgestürzt.

Der damalige Wirtschaftsminister Werner Müller hatte der gesamten Solarbranche "einen üblen Streich gespielt", sagt Jäger. Müller hatte die Förderung für Solarwärmeanlagen um 70 Prozent reduziert. Daraufhin war der Markt 2002 um 75 Prozent eingebrochen. Solvis war es noch gut ergangen mit einem Absturz um vergleichsweise moderate 30 Prozent.

Aber die Rücklagen mussten aufgebraucht werden; einen Puffer hat die Firma mit ihren 95 Mitarbeitern nun nicht mehr. Der Architekturpreis, der "vorbildliches Miteinander von Architektur und Technik" fördert, hat Solvis in der Auftragsflaute eine Menge Publicity gebracht.

Solvis funktioniert

Aufmerksamkeit ist man bei Solvis gewöhnt. Bundesumweltminister Jürgen Trittin war bereits zweimal hier. Natürlich schmückt sich ein Minister gern mit einem Öko-Projekt, das funktioniert. Und das tut es tatsächlich - dank der Architektur: 70 Prozent Energie werden eingespart durch Wärmeschutz und Rückgewinnung der Abluftwärme.

Bei Solvis liefern 30 Prozent des Bedarfs an Strom und Wärme die Solarkollektoren auf dem Dach und die Photovoltaik, der Rest stammt zu 100 Prozent vom eigenen Rapsöl-Blockheizkraftwerk. Selbst auf dem stillen Örtchen wird gespart: Durch eine Vakuum-Entwässerung werden 70 Prozent weniger Wasser verbraucht, verrät ein Schildchen dem Besucher.

© SZ vom 20.3.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: