Skihalle:Man gibt sich bayerisch

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In Mecklenburg soll ein Freizeitpark Wintersportfans anlocken, doch nur 90 Kilometer weiter steht die nächste Skihalle - trotzdem flossen Millionen-Subventionen.

Arne Boecker

Hans-Gerd Hanel sperrt den Winter in die Halle. Zunächst lässt er Kühlschläuche, randvoll mit Sole, in den Boden legen. Drumherum wuchert dickes Eis. Darauf packen Hanels Arbeiter Kunsteis. Dann puderzuckert eine knallgelbe Kanone Schnee über den harten Untergrund.

Die Skihalle des neuen "Snow Funparks" in Wittenburg. (Foto: Foto: dpa)

Was die scharfen Kanten der Skier und Snowboards tagsüber wegkratzen, füllen nachts 15 Schneemaschinen wieder auf. Doch ist es ausgerechnet das Wetter, das Hanels Plan fast durchkreuzt.

In Norddeutschland ist es Mitte Dezember viel zu warm. Die Schneekanone bräuchte jetzt beißende Kälte. Ist das vielleicht die Rache des Winters dafür, dass ihn Hans-Gerd Hanel in die Halle sperrt?

Im mecklenburgischen Wittenburg hat vor wenigen Tagen der Snow Funpark eröffnet. Unternehmer Hanel, 55, will mit der Skihalle Wintersportfans ins abgelegene Nordostdeutschland locken. Die Anlage mit der Postanschrift ,,Zur Winterwelt 1'' ist in Deutschland die fünfte ihrer Art.

Nummer vier steht allerdings nur weniger als hundert Kilometer Luftlinie von Wittenburg entfernt im niedersächsischen Bispingen. Für den Investor Hanel könnte das noch zum Problem werden - staatliche Subventionen flossen trotzdem, in Millionenhöhe.

Piste 330 Meter lang

Im Snow-Funpark enden alle Skispuren an einer riesigen Panoramascheibe. Die Wittenburger, die sich auf der anderen Seite die Nasen plattdrücken, schauen rechts auf eine 330 Meter lange und 120 Meter breite Piste, deren letztes Stück sich ihnen stolze 31 Grad zuneigt.

In der Mitte klafft noch eine Baustelle. Weil die Schneekanone in der Winterwärme schwächelt, wird es noch zwei Wochen dauern, bis sich Snowboarder hier über die Kante katapultieren, um sich in der Luft zu schrauben und möglichst wieder auf dem Brett zu landen.

Die Halfpipe soll zum Highlight werden. Weltweit gebe es sie in diesen Ausmaßen kein zweites Mal, sagen sie im Spaßpark. Links schließlich geht es ins Flache, weil hier Anfänger geschult werden; früher nannte man so eine Piste ,,Idiotenhügel''.

Insgesamt stehen für das bergferne Vergnügen 30.000 Quadratmeter zur Verfügung. Kurz nach der Eröffnung ist das Treiben in der leicht diesigen Halle allerdings noch nicht allzu dicht.

Abseits der Pisten ballen sich Kneipen, Bars und Restaurants. ,,Resi's Kuchl'' heißen sie, ,,s'Kupferdachl'' und ,,Bergkristall''. Man versucht, sich hier bayerisch-alpin zu geben.

256-Betten-Hotel

Auch durch die Gastronomie schlendern vorerst mehr Schaulustige und Kältetechniker als Gäste. Im 256-Betten-Hotel des Funparks riecht alles noch sehr neu. Die Damen an der Rezeption müssen ständig darüber Auskunft geben, wann denn die Halfpipe eröffnet wird.

Vor fast drei Jahrzehnten hat sich Hans-Gerd Hanel, der Herr der Wittenburger Halle, in Hamburg mit einer Firma für Klima-, Kälte- und Verfahrenstechnik selbständig gemacht. Inzwischen gehört ihm ,,auch ein bisschen Gastronomie'', wie er sagt.

Mit der Geschichte, wie er sein Skihallen-Abenteuer in Mecklenburg finanziert hat, könnte er ein Buch füllen. Er zählt ein paar Argumente auf, die Geldgeber zunächst abschreckten: ,,Wir reden hier schließlich von einer inhabergeführten Immobilie, die sich im Freizeitbereich behaupten will - und dann auch noch in Mecklenburg-Vorpommern!''

Einen Tag fahren für 23 Euro

Nachdem sich Hanel mit Finanziers aus Deutschland, USA, Frankreich und Kuweit nicht einig wurde, griff eine Bank aus Österreich zu. 74 Millionen Euro hat Hanel in Wittenburg investiert.

17,5 Millionen Euro soll das Land Mecklenburg zugeschossen haben. Die genaue Summe will das Wirtschaftsministerium in Schwerin nicht verraten. Ein Sprecher räumt aber ein, ,,deutlich mehr als zehn Millionen'' seien es schon gewesen.

Investor Hanel ist des Lobes voll über die Stadt Wittenburg und das Land Mecklenburg-Vorpommern. ,,Das Grundstück war preiswert, die Genehmigungen kamen schnell, und beim Baurecht konnte man verhandeln'', sagt er.

Die Skihalle, die von weitem einem schräggestellten Schuhkarton gleicht, ist 65 Meter hoch. ,,Bei diesen Maßen würde das im Westen mit der Genehmigung schwierig'', sagt Hanel.

"Ich will ein Erlebnis verkaufen"

Inzwischen haben die Tube-Rutscher die Piste erobert. ,,Tubes'' sind dick aufgeblasene Schwimmreifen, auf denen sich Wagemutige zu Tal stürzen. Viele kommen dabei ins Rotieren, einige verlieren gegen die Fliehkraft, steigen aber lachend wieder auf.

,,Es geht hier nicht nur um Sport'', sagt der Unternehmer, ,,ich will ein Erlebnis verkaufen.'' Wen es an einem Samstag um 10 Uhr auf die Piste drängt, der bezahlt für sieben Stunden 23 Euro. Ausrüstung auszuleihen, kostet neun Euro.

Ab 21 Uhr wird in den Kneipen des Funparks die Musikanlage weit aufgedreht. Westmecklenburgs Jugend steht in dicken Trauben an der Scheibe und hält sich am Bierglas fest. ,,Kimme und Korn!'', dröhnt es aus der ,,Gletscherstub'n''. Bald schlängelt sich eine Polonaise durch die Lokale.

Kurz nach der Eröffnung darf man feststellen: Als Disco funktioniert der Funpark sehr gut. Hanels Kalkulation ist jedoch darauf angelegt, Wintersportler ganzjährig nach Wittenburg zu holen. 730.000 Besuche braucht er pro Jahr, um das weiße Unternehmen in die schwarzen Zahlen zu führen.

Natürlich hat Hanel vorher Expertisen eingeholt, um die Chancen seiner Geschäftsidee auszuloten. Das Ergebnis hat ihn ermutigt. Mit einer zweistündigen Autofahrt erreichen Wittenburg Wintersportfans aus Bremen, Hamburg, Hannover und Berlin - nicht zu reden von den Touristen, die im Sommer Mecklenburg-Vorpommerns Küsten ansteuern.

Konkurrenz in der Nähe

Hanel, der nette Herr Holle aus Hamburg, muss allerdings die Konkurrenz fürchten: Drei der Skihallen, die es in Deutschland inzwischen gibt, liegen in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, mithin weit genug weg, um Wittenburg keine Gäste wegzuschnappen.

Nummer vier aber ist in Bispingen an der vielbefahrenen A 7. Der niedersächsische Snow Dome, vor wenigen Monaten eröffnet, greift nach derselben Zielgruppe wie der mecklenburgische Snow Funpark. Auch hier hat das Wirtschaftsministerium des Landes Geld gegeben, etwas mehr als fünf Millionen Euro.

In Bispingen sind sie stolz darauf, dass es für Besucher in der Region noch andere Attraktionen gibt, wie die Center-Parcs-Siedlung und die Ralf-Schumacher-Kartbahn. ,,Wir sehen den Vergleich mit dem Funpark in Mecklenburg sportlich'', sagt Bispingens Bürgermeister Detlev Loos.

Als sich abzeichnete, dass Ost und West ähnliche Projekte planen, haben die Beamten in den Wirtschaftsministerien der Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern natürlich miteinander geredet.

Zurückziehen wollte letztlich aber keiner der beiden Investoren; auch die Ministerien können an dem Fördermittel-Wettkampf nichts Verwerfliches erkennen. Mancher Steuerzahler mag dies vielleicht anders sehen.

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