Sinn und Unsinn von Subventionen:Unbezahlbar gute Absichten

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Es ist stets dieselbe Leier: Sobald sich ein Politiker einer Subvention nähert, springen aus dem Busch zahllose Begünstigte und rufen um Hilfe. Über den ökonomischen Schaden, den Subventionen anrichten, und die Schwierigkeiten, ihn zu begrenzen.

Von Marc Beise

(SZ-Artikel vom 1.10.2003)— Die Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück wollen die Subventionen spürbar kürzen. Das haben schon viele Politiker gefordert und noch mehr Experten. Der Beifall war immer groß. Subventionen, da sind sich alle einig, sind schlecht und sollten am besten weg. Doch ist das gar nicht so einfach.

Sobald sich ein Politiker sozusagen mit blankgezogener Machete einer Subvention nähert, springen aus dem Busch zahllose Begünstigte samt meist mächtiger Interessenvertreter und gebieten Einhalt: "Dieses hier, mein Lieber, ist nun wirklich alles andere als eine Subvention." Was aber ist eigentlich eine Subvention?

Meistens handelt der Staat in bester Absicht

Allgemein gesprochen, sind Subventionen (lateinisch subvenire = zu Hilfe kommen) zweckgebundene Leistungen von Bund, Ländern oder Gemeinden, mit denen der Staat ein bestimmtes Ziel erreichen will. Direkte Zahlungen oder Steuervergünstigungen können an Private gehen, um ihnen mehr Wohlstand zu ermöglichen (Bau eines Hauses) oder an Unternehmen, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind (Werften, Kohleförderer). Meistens handelt der Staat in bester Absicht.

Subventionen aber sind ökonomisch schädlich, weil sie die Angebotsbedingungen auf Märkten verzerren, die Steuern in die Höhe treiben und das Wirtschaftswachstum schmälern; häufig erfüllen sie auch gar nicht ihren Zweck. Sie sind steuerrechtlich fragwürdig, weil sie zu Ungleichheit führen und zu mangelnder Transparenz. Einzelne Gruppen erhalten, womöglich aufgrund ihrer Macht oder ihrer Kontakte, finanzielle Vorteile, die die Allgemeinheit zu bezahlen hat.

Es geht um viel Geld. 155,6 Milliarden Euro Subventionen jährlich gibt es nach der weiten Definition des Kieler Instituts für Weltwirtschaft - mehr als ein Drittel des Steueraufkommens. Die Bundesregierung, die alle zwei Jahre einen Subventionsbericht verfasst, verwendet einen engeren Begriff und kam 2001 auf 59,5 Milliarden Euro; Subventionen an staatliche Unternehmen oder deren Nachfolger (Deutsche Bahn) sind ebenso ausgeklammert wie jene an Theater oder Krankenhäuser. Koch und Steinbrück haben nun eine mittlere Abgrenzung gezogen und zählen 127,3 Milliarden Euro.

Eine Subvention, fünf Meinungen

Eine Subvention, fünf Meinungen - das lässt sich exemplarisch an der Entfernungspauschale zeigen. Politiker in Flächenländern verwahren sich gegen jede Kürzung, weil sie den Zorn ihrer Pendler fürchten. Aber auch unabhängige Experten wie der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, fordern: Hände weg! Es handele sich, argumentiert der Professor, gar nicht um eine Subvention, sondern um ein Instrument, einem Arbeitnehmer auch weiter entfernte Arbeitsplätze attraktiv zu machen.

Aber: Übernimmt der eine den Job nicht, weil die Fahrtkosten den Gehaltszuwachs aufzehren, kommt vielleicht ein anderer Interessent zum Zuge. Und so lassen sich die Argumente munter weitertreiben.

Umweltpolitisch spricht gegen die Pendlerpauschale die Zersiedelung der Landschaft. Sozialpolitisch ist sie die Möglichkeit, Wohneigentum auf dem (billigeren) Land zu erwerben. Auch steuerrechtlich ist das Thema umstritten. Die einen argumentieren, die Fahrt zum Arbeitsplatz diene dem Beruf, die Aufwendungen müssten also als Werbungskosten (Selbstständige: Betriebsausgaben) absetzbar sein.

Die anderen halten den Weg zur Arbeit für einen Teil der privaten Lebensführung, den man überhaupt nicht berücksichtigen dürfe. Die Arbeit fange schließlich erst am Werkstor an. Ob der Arbeitnehmer sich eine teure Wohnung in der Stadt nehme (deren Miete er auch nicht absetzen kann) oder ins Grüne ziehe und dafür höhere Fahrtkosten habe - das sei allein seine Angelegenheit und nicht die der Allgemeinheit.

Weil aber über beinahe jede Zuwendung so kontrovers gestritten werden kann, haben Koch und Steinbrück ihr Heil in der "Rasenmäher-Methode" gesucht: nur möglichst keine Einzelfalldiskussion. Der Preis des generalisierenden Zugriffs: Die Schnitthöhe ist mit zwölf Prozent ziemlich bescheiden eingestellt.

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