Simba-Dickie:Schöne, bunte Welt

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Die Spielwarenindustrie profitiert schon lange von Hollywood. Nun will der größte deutsche Hersteller selbst in die Filmproduktion einsteigen.

Von Uwe Ritzer

Geschäfte unterliegen mitunter auf kuriose Weise Einflüssen von außen. So macht die wachsende Zahl von Scheidungs- und Trennungskindern der Spielwarenbranche Freude. "Da müssen dann gleich zwei Kinderzimmer vollgemacht werden", sagt Manfred Duschl. Umgekehrt leiden die Modelleisenbahnbauer daran, dass eine Sammlergeneration allmählich wegstirbt und ihre Erben die hochwertigen und gepflegten Lokomotiven und Wagons teilweise sogar über den Fachhandel verkaufen. "Diese Second-Hand-Ware zieht inzwischen enorm Kaufkraft bei unserer Zielgruppe ab", beklagt Florian Sieber.

Beide, Duschl und Sieber, sind Manager beim größten deutschen Spielwarenhersteller, der Simba-Dickie-Gruppe aus Fürth. Duschl ist dort Finanz-, Florian Sieber der Junior-Chef. Zugleich ist er Geschäftsführer von Märklin. Seine Familie hat den lange angeschlagenen Modelleisenbahnhersteller 2013 aus dem Insolvenzverfahren heraus gekauft. Seit Jahren sammeln die Siebers emsig im In- und Ausland (meistens angeschlagene) Spielzeugmarken wie Märklin und päppeln sie wieder auf. Nun aber will sich Simba Dickie ein völlig neues Feld erschließen. Das Familienunternehmen will ins Filmgeschäft einsteigen.

Die Franken wollen künftig Trickfilme produzieren lassen, bei denen Puppen, Figuren und andere Spielwaren aus ihrem Sortiment die Hauptrolle spielen. Sie sollen über die einschlägigen Kinderkanäle im Fernsehen und im Internet abgespielt werden. "Kinder werden über solche Serien animiert und spielen sie dann nach", sagt Inhaber und Firmenchef Michael Sieber, Florians Vater. Seit vergangenem Jahr klappern er und seine Kollegen Trickfilmproduzenten in China, Kanada, Russland und anderen Ländern auf der Suche nach dem richtigen Kooperationspartner ab. "Wir tasten uns langsam vor und werden nichts über's Knie brechen", sagt Sieber. Aber binnen drei Jahren wolle man einen Kooperationspartner gefunden haben. Je nach Qualität zwischen 8000 und 30 000 US-Dollar pro Minute kostet es nach seinen Angaben, einen Zeichentrickfilm zu produzieren. "Wir sehen ganz klar den starken Trend, dass die Spielwaren- und die Entertainmentbranche immer mehr verschmelzen werden", prophezeit Sieber. "Das ist sicherlich die Zukunft."

Ein Roboter als Star: BB-8 aus dem jüngsten Star Wars-Film verkauft sich als Spielzeug prächtig. (Foto: Mario Anzuoni/Reuters)

Mit der Eigenproduktion von Zeichentrickfilmen kehrt Simba-Dickie gewissermaßen eine Entwicklung um, die ein wesentlicher Grund dafür ist, dass es der Spielwarenbranche so gut geht wie lange nicht mehr: das Geschäft mit Lizenzen. Erfolgreiche Filmfiguren werden von der Industrie mit großem Erfolg in Produkte umgesetzt. So verdankt Lego seinen Boom ganz wesentlich dem Geschäft mit "Star-Wars"-Bausätzen. Simba Dickie gehört zu den Unternehmen, die unter anderem vom Erfolg des Disney-Films "Frozen" profitieren. Die Eiskönigin Elsa und ihre Filmschwester gibt es in allen möglichen Aggregatzuständen, als Puppen, Puzzles, aufgedruckt auf Kleider, Schulmäppchen und vieles mehr. Im vergangenen Oktober etwa erwirtschaftete der Spielwarenfachhandel nach Angaben des Marktforschers NPD Group die Hälfte seines Umsatzes mit solchen Lizenzprodukten.

Bei Simba-Dickie steuerten sie im abgelaufenen Jahr gut ein Fünftel des Umsatzes bei. Der lag bei 616 Millionen Euro und damit um 2,3 Prozent über dem des Vorjahres. Der Zuwachs wäre noch deutlich größer, würde Simba-Dickie nicht massiv unter dem schwachen Rubel und dem schwachen Geschäft in Russland leiden, das zu den wichtigsten Absatzmärkten zählte.

Zu den 616 Millionen Euro kommen voraussichtlich 96 Millionen Euro von der Schwesterfirma Märklin, deren Geschäftsjahr erst am 30. April endet. Das wären zwei Millionen Euro weniger als 2014. Beide Unternehmen seien profitabel, sagen die Siebers, "gut, stabil und äußerst solide" stünde man da, sagt Finanzchef Duschl. Konkrete Zahlen nannten beide nicht.

Was Profitabilität angeht, tut sich Märklin naturgemäß weitaus schwerer als die große Schwester Simba-Dickie mit ihren vielen Marken wie Bobby Car, Simba, Eichhorn oder Noris-Spiele. Auch die Märklin-Konkurrenten Roco und Fleischmann meldeten jetzt, wenige Tage vor Beginn der Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg, leichte Umsatzrückgänge. Nach wie vor kommen die Modellbahner nicht vom Fleck. Kein Wunder, meint Michael Sieber. "Was diese Branche jahrzehntelang versäumt hat, kann man nicht in ein paar Jahren revidieren."

"Personalisierte Züge, die Geschichten erleben - warum nicht?"

Vor allem habe sie die Kinder vernachlässigt und sich mit teuren Loks zu sehr auf Sammler konzentriert. Weshalb die Siebers daran arbeiten, Märklin mit günstigeren Einsteiger-Sets für Kinder wieder attraktiv zu machen. Mit einem insgesamt frischeren Auftritt nicht nur im Internet, intensiverem Marketing über die sozialen Netzwerke, einem Online-Shop und verstärkten Aktivitäten im nach Deutschland zweitgrößten Modellbahn-Markt USA arbeiten die Siebers daran, Märklin wieder flott und für jüngere Zielgruppen attraktiver zu machen. Auch hier könnten Zeichentrickfilme bald helfen. "Personalisierte Züge mit Namen, die Geschichten erleben in einer Serie - warum nicht?", sagt Michael Sieber.

Generell wollen die Modellbahner wieder hipper rüberkommen, während der große Rest der Spielwarenbranche schon ziemlich selbstzufrieden nach Nürnberg fährt. Statt um die erwarteten vier Prozent legten die Geschäfte mit klassischem Spielzeug 2015 um sechs Prozent zu. Vor allem das Weihnachtsgeschäft lief gut, bei dem viele Händler traditionell mehr als die Hälfte ihres Jahresumsatzes erwirtschaften. Branchenvertreter gehen von einem Rekordumsatz der Branche knapp über der Drei-Milliarden-Euro-Grenze aus.

Ein anderes Thema dürfte kommende Woche bei der weltgrößten Spielwarenmesse in Nürnberg die Produktion der Zukunft werden. Jahrelang wurden zeitweise weit mehr als 80 Prozent aller weltweit verkauften Spielwaren in China produziert. Das ändert sich immer mehr, weil die Löhne in den entsprechenden Fabriken deutlich ansteigen. Viele Hersteller suchen daher nach Alternativen in anderen asiatischen Ländern oder in Osteuropa. Simba-Dickie ist dabei keine Ausnahme. Das Unternehmen lässt auch in Deutschland und in Spanien, Italien und Frankreich fertigen, wenngleich noch immer 60 Prozent der Ware aus China oder Taiwan kommen.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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