Siemens präsentiert Korruptionsbekämpfer:Lizenz zum Aufklären

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Der frühere amerikanische Agent Michael Hershman soll dem Siemens-Konzern helfen, gegen Korruption vorzugehen. Das Selbstbewusstsein dafür bringt er mit.

Daniela Kuhr

Eines wird sofort klar: Der Mann ist den großen Auftritt gewohnt. "Ich bin nicht hier, um Siemens zu repräsentieren", sagt Michael Hershman ruhig und faltet die Hände vor sich auf dem Tisch.

Der Antikorruptions-Experte Michael Hershman aus den USA soll Siemens helfen, die Schmiergeld-Affäre restlos aufzuklären. (Foto: Foto: dpa)

"Ich bin auch nicht hier, um Siemens zu verteidigen oder zu entschuldigen." Der 61-Jährige macht eine Pause. "Ich bin völlig unabhängig."

Genau das sei Voraussetzung gewesen, damit er diesen Auftrag überhaupt annimmt. Ein Auftrag, von dem der Amerikaner selbst sagt: "So eine Gelegenheit bekommt man höchstens einmal im Leben." Er blickt in die Runde. 40 Journalisten schreiben jedes Wort mit.

Siemens hatte sehr kurzfristig nur mit einem Tag Vorlauf eingeladen, um mit Hershman den Mann zu präsentieren, auf den der Konzern große Hoffnungen setzt. Der Korruptionsexperte soll nicht nur die Schwachstellen bei Siemens aufdecken. Er soll vor allem verhindern, dass sich so etwas wie der Schmiergeld-Skandal wiederholt.

Zuversichtlicher Ermittler

"Ich bin überzeugt, dass eines Tages die gesamte Wahrheit ans Licht kommt und dass alle Personen, die in die Vorgänge involviert sind, identifiziert werden", sagt Hershman zuversichtlich.

In den vergangenen Tagen habe er damit begonnen, sich mit den Vorwürfen vertraut zu machen und das Compliance-Programm von Siemens, also die internen Regeln zur Korruptionsbekämpfung, unter die Lupe zu nehmen. Gemeinsam mit sechs bis zwölf Mitarbeitern aus seinem Team werde er in den kommenden Wochen und Monaten verschiedene Bereiche von Siemens in der gesamten Welt aufsuchen.

Der Konzern habe ihm dabei uneingeschränkte Unterstützung zugesagt. "Es wird keine verschlossenen Türen geben", versichert der Experte.

Terrorexperte der US-Army

Hershman ist selbstbewusst. Er kann auf eine lange Karriere zurückblicken. Ende der sechziger Jahre war er vom Militär-Geheimdienst zum Spezialagenten mit Schwerpunkt Terrorbekämpfung ausgebildet worden.

Nach seiner Zeit beim Militär unterstützte er die Staatsanwaltschaft und den Bürgermeister von New York in ihrem Kampf gegen die Korruption. Einen Namen machte er sich dann als leitendes Mitglied des Senats-Ausschusses zur Aufklärung der Watergate-Affäre.

Vor 23 Jahren gründete er in Washington die Beraterfirma Fairfax Group. Nach eigenen Angaben hat sie mehr als 2000 Kunden in über 80 Ländern. Vor allem Regierungen, aber auch Unternehmen und Finanzinstitute zählen dazu. Zudem sei er seit Jahren in diversen gemeinnützigen Organisationen, wie etwa der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International tätig, betont Hershman.

Skepsis bei Transparency International

Dort allerdings hatte sich die Freude in Grenzen gehalten, als man vernahm, dass Hershman bei Siemens nun für Ordnung sorgen soll. Dabei war es nicht der Auftrag an sich, der störte, sondern ein anderer Umstand: Siemens hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass Hershman Mitbegründer von Transparency International (TI) war - was völlig korrekt ist: Er war Mitbegründer, allerdings nur einer von diversen weiteren.

Doch durch die Betonung von Siemens sei der Eindruck erweckt worden, "dass Hershman seine Aufgabe im Auftrag oder in Abstimmung mit TI wahrnimmt", kritisiert der TI-Vorsitzende Hansjörg Elshorst. Das aber sei "nicht korrekt".

Hershman leite "seit Jahrzehnten eine Firma, die sich zunehmend auch auf Korruptionsbekämpfung spezialisiert hat. Sein Engagement bei Siemens ist also ein rein kommerzielles", stellt Elshorst klar.

Auch bei anderen Korruptionsexperten rief die Berufung Hershmans Erstaunen hervor. "Kein normales deutsches Unternehmen würde so jemanden für diese gewaltige Aufgabe engagieren", sagt ein erfahrener Ermittler, der nicht genannt werden will. "Hier braucht man einen Wirtschaftsexperten." Hershman dagegen habe sich doch eher im politischen Bereich einen Namen gemacht.

Doch das lässt der Amerikaner nicht gelten. Er verweist auf seine langjährige Erfahrung. "Ich will nicht unbescheiden sein, aber ich denke, dass ich in geradezu einmaliger Weise für diesen Job qualifiziert bin", erwidert er gelassen und grinst. Wie gesagt, Hershman ist selbstbewusst.

© SZ vom 21.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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