Serie:Von Zacken, Wellen und Abstürzen

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(Foto: N/A)

Wie stark Börsenkurse schwanken, verrät viel über das Gemüt der Anleger.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Es gibt so gut wie nichts mehr an den zeitgenössischen Finanzmärkten, auf das man nicht sein Geld setzen könnte. Manche Finanzinnovation schafft es irgendwann aus einer Nische heraus und wird populär, wie seinerzeit verbriefte Haus- und Privatkredite aus den USA, die wie Brandbeschleuniger die Finanzkrise befeuerten. Anfang 2018 lenkten dramatische Kurseinbrüche an den Börsen in den USA den Blick auf eine andere Kategorie eigentlich obskurer Produkte, die sich schon viel zu weit verbreitet hatten: Finanzingenieure hatten spezielle Wertpapiere gebaut, mit denen Anleger von steigender oder sinkender Volatilität profitieren konnten.

Die Volatilität bezeichnet die Schwankungsbreite von Preisen am Finanzmarkt. Man kann sie sich vorstellen wie eine Art Puls der Märkte, denn je nervöser die Marktteilnehmer handeln und je schwieriger die Preisfindung wird, desto stärker schwanken die Kurse. Längst messen Börsenbetreiber und Datenanbieter die Volatilität in Echtzeit. Werden etwa unerwartete Konjunkturdaten veröffentlicht, steigt sie kurzfristig an. Wächst die allgemeine Unsicherheit deutlich, wie Anfang 2018, schwanken die Kurse umso heftiger.

Zu jener Zeit kam das für viele völlig unerwartet. Die Märkte waren wie sediert von einer Mischung aus guten Unternehmens- und Konjunkturdaten und einer lockeren Geldpolitik der wichtigsten Zentralbanken. Das konnten Anleger beispielsweise am Vix-Index ablesen, der die erwarteten Kursschwankungen im US-Leitindex S&P 500 widerspiegelt. Auf den Vix ließ sich mit speziellen Wertpapieren wetten. Während die Kurse auf breiter Front langsam, aber stetig stiegen, fiel der Vix immer weiter. Anleger wetteten auf eine weiter fallende Volatilität. Und wurden vielfach kalt erwischt: Als der Vix mit einem Mal um mehr als das Doppelte nach oben sprang, verloren manche Wett-Produkte mehr als 90 Prozent an Wert.

Diese Geschichte bewies einmal mehr, dass man sich ohne entsprechende Kenntnisse im Risikomanagement von exotischen Finanzprodukten fernhalten sollte. Gleichwohl ist es aus Anlegersicht wichtig, die Volatilität als Kenngröße im Blick zu haben. Je stärker ein Kurs innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausschlägt, desto riskanter ist ein Investment. Aktionäre von Wirecard oder Tesla sind vertraut mit einem scharfkantigen Kursverlauf, mit plötzlichen Preissprüngen und Abstürzen, mit steilen Wellen und Zacken. Auch für Fondsprodukte gilt: Je chancenreicher ein Investment, desto riskanter ist es, und desto stärker schwanken in der Regel die Kurse.

In den vergangenen Wochen hat einmal mehr eine Phase allgemein stärkerer Schwankungen begonnen. Spekulanten lieben das, sie suchen nach schnellem Profit. Langfristige Anleger schätzen die Ruhe.

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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