Serie :Preisampel für die Börse

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(Foto: N/A)

Ein viel beachtetes Barometer hilft Investoren, kann sie aber auch täuschen.

Von Victor Gojdka, München

Billig einkaufen? Das wolle viele. Den Kinderriegel am besten also nicht am Ständer für Quengelware an der Kasse kaufen, sondern hinten im Supermarkt. Billig kaufen, das wollen auch viele Anleger an der Börse. Aber was ist billig? Eine Aktie der Deutschen Bank für zehn Euro, acht oder gar vier Euro?

Um für Anleger Orientierung zu schaffen, haben Finanzexperten ein kraftvolles Barometer erdacht: das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV. Es soll Investoren auf einen Blick sagen, ob ihre Aktie gerade teuer oder spottbillig ist. Das Barometer ist also eine Art Preisampel für die Börse - allerdings mit Tücken.

Um das Kurs-Gewinn-Verhältnis zu berechnen, müssen Anleger den aktuellen Aktienkurs des Unternehmens durch den Gewinn je Aktie teilen. Ganz konkret: Eine Aktie kostet gerade 45 Euro, auf jede Aktie entfallen drei Euro des gesamten Unternehmensgewinns. Teilt man den Kurs durch den Gewinn, ergibt sich ein Verhältnis von 15. Der aktuelle Kurs beträgt also das 15-Fache des Gewinns pro Aktie. Die Logik dahinter: Wenn die Geschäfte so wie jetzt weiterliefen, dann müsste man 15 Jahre lang warten, damit die Gewinne den Kaufpreis der Aktie aufwiegen. Im Prinzip verhält es sich mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis wie bei der Mietwohnung: Auch da wollen Käufer wissen, wie oft sie von ihren Mietern die Jahresmiete kassieren müssen, bis sie am Ende den Kaufpreis wieder hereingeholt haben.

Wie können Anleger nun aber erkennen, welcher Kurs an der Börse ein Schnäppchen ist - und welcher ein Mondpreis? Als Faustregel gilt: Je höher das KGV ist, desto "teurer" ist eine Aktie. Je niedriger das Verhältnis ist, desto "billiger". Je nach Branche unterscheiden sich die KGV allerdings deutlich: Europäische Autowerte haben derzeit im Durchschnitt ein KGV von 7,95. Bei Aktien von Lebensmittelkonzernen notiert die KGV-Preisampel bei 28,22. Anleger sollten das Kurs-Gewinn-Verhältnis ihres Unternehmens daher nicht willkürlich vergleichen, sondern eher mit Branchenkonkurrenten.

Ziemlich oft kann das Kurs-Gewinn-Verhältnis allerdings auch trügen. Denn in ihren Berechnungen teilen Experten den aktuellen Aktienkurs meist nicht durch den Gewinn des vergangenen Jahres, der zweifelsfrei feststeht. Sondern durch den erwarteten Gewinn der kommenden zwölf Monate, und solche Prognosen können auch danebenliegen.

Gerade vor einer wirtschaftlichen Eintrübung ist das KGV daher mit äußerster Vorsicht zu genießen. Denn schon morgen könnten die Gewinnaussichten eines Unternehmens abbröckeln und damit auch die KGV-Ampel plötzlich von grün auf rot schalten lassen. Und Anleger vorher in falscher Sicherheit wiegen.

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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