Schwieriges Verhältnis zu Deutschland:Buhmann Ackermann

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Erst handelt er, dann wundert er sich: Warum einer der wichtigsten Manager Deutschlands immer wieder ins Fettnäpfchen tritt - und dazu auch noch steht.

Von Lothar Gries

In der mit Samt und Damast geschmückten Frankfurter Festhalle fühlt sich Josef Ackermann sichtlich wohl. Entspannt und scheinbar gut gelaunt tanzt der Vorstandschef der Deutschen Bank an der Seite seiner Frau Pirko in die "Nacht der Sterne".

Im Zentrum der Kritik: Josef Ackermann. (Foto: Foto: dpa)

Unter diesem Motto veranstaltete die Stiftung Deutsche Sporthilfe am vergangenen Samstag den 35. Ball des Sports - ein Höhepunkt der diesjährigen Ballsaison am Main, den sich selbst Bundespräsident Horst Köhler nicht entgehen lässt.

Im Speerwerfen gut

Willig erzählt Ackermann den anwesenden Reportern, dass er in seiner Studienzeit viel Sport getrieben hat. "Besonders gut war ich im Speerwerfen."

Sein Robert-Redford-Lächeln weicht jedoch blitzschnell einer versteinerten Miene. Dafür reicht schon die Bitte, zur Kritik an der angekündigten Streichung von Arbeitsplätzen Stellung zu beziehen.

Bisher hatte die Bank zu der Debatte geschwiegen. Doch nach kurzem Zögern überwindet Ackermann seine Scheu. Zu dem Ziel, die Rentabilität der Bank zu verbessern, gebe es keine Alternative, sagt er schmallippig ins Mikrofon.

Lawine der Empörung

Zwei Tage zuvor hatte der Bankchef auf der Jahrespressekonferenz eine regelrechte Lawine der Empörung losgetreten. Zunächst hatte er verkündet, das Bankhaus habe im vergangenen Jahr einen Reingewinn von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet und damit das beste Ergebnis seit vier Jahren erzielt.

Doch gleichzeitig gab er auch den Abbau von weltweit 6400 Arbeitsplätzen bekannt. Und dies nur einen Tag, nachdem die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland erstmals seit dem Krieg die Marke von fünf Millionen überschritten hatte.

"Verantwortungslos" "unerträglich", "inakzeptabel", poltern seitdem Politiker aller Couleur. Nur ein Jahr, nachdem Ackermann im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess vor Kameras die Finger zum Siegeszeichen spreizte und damit Überheblichkeit zelebrierte, steht der Manager erneut im Mittelpunkt der Kritik.

Arbeitnehmer als Kostenfaktoren

Verurteilt als Buhmann der Nation, der die Anbindung an die realen Probleme der Menschen längst verloren hat und sich eiskalt in den Dienst jener Aktionäre und Börsenspekulanten stellt, die Arbeitnehmer zu Kostenfaktoren herabwürdigen und nur an wachsenden Gewinnen interessiert sind.

Einer, der Tausende von Jobs opfert, um das Ziel einer Rendite von 25 Prozent vor Steuern zu erreichen.

Umstrittene Äußerungen der Bank-Vorstände haben Tradition, seit sich der frühere Chef Hilmar Kopper Mitte der Neunziger zu seinen "Peanuts" hinreißen ließ. Im Skandal um den gescheiterten Baulöwen Schneider hatte er damals offene Handwerkerrechnungen in Millionenhöhe als Kleinigkeiten abgetan.

Als arrogant galt auch die Entscheidung im Jahr 2000, vermögende Privatkunden vom Mutterhaus betreuen zu lassen und die Durchschnittsverdiener in die Tochter Deutsche Bank 24 abzuschieben.

Ackermann also auch solch ein unsensibler Tumb? Studenten der Frankfurter Universität, an der Ackermann seit drei Jahren Bank-Strategie lehrt, behaupten, der Manager lasse "nie den arroganten Banker raushängen".

Auch Wolfgang König, Dekan für Wirtschaftswissenschaften, freut sich über "Professor" Ackermann. "Akademisch ist er hervorragend." Die Universität will den Banker sogar zum Honorarprofessor machen.

"Ideales Ziel"

Wie also ist es möglich, dass Ackermann einen derartigen Zorn auf sich vereint? Der Banker biete für Attacken eben ein ideales Ziel, weil die Deutsche Bank darunter leidet, Branchenprimus zu sein, sagt Frank Roselieb, Leiter des Kieler Instituts für Krisenforschung.

Ackermann, so glaubt Roselieb, ist offensichtlich schlecht beraten worden. "Man kann nicht gleichzeitig Milliardengewinne und einen Stellenabbau bekannt geben. Das hätte zeitversetzt kommuniziert werden müssen", sagt der Krisenforscher.

Dass der Stellenabbau überwiegend hoch bezahlte Investmentbanker im Ausland betreffe, wie die Bank beteuert, spielt dabei keine Rolle.

Vergessen war auch der bereits im Dezember verkündete Abbau von 1900 Stellen in Deutschland. "Vielleicht ist es auch ein Fehler, dass die Unternehmenskommunikation von einem Engländer gesteuert wird", meint der Experte und spielt damit auf den Umstand an, dass der Presse- und Marketingchef der Deutschen Bank, Simon Pincombe, seinen Schreibtisch in London hat.

"Ungeschickt"

Auch der Bankenprofessor Wolfgang Gehrke hält die Kommunikationspolitik der Bank für ungeschickt. Bei den kleinen Leuten komme die Botschaft an: Jetzt macht die Bank ordentlich Gewinne, schmeißt aber die Mitarbeiter raus. Das schüre Angst, denn viele Menschen verbänden dies mit dem Abschied von der Sozialen Marktwirtschaft.

Die Bank werde zum Prügelknaben für all die anderen Unternehmen, die das Gleiche gemacht haben. "Da wäre eine Verständniskampagne notwendig gewesen", moniert Norbert Lindhof, Geschäftsführer der Werbeagentur Young & Rubicam.

Ackermann als Opfer verunglückter Kommunikation? "Joe", wie der Manager von Vertrauten auch genannt wird, sei zwar kein "gesegneter Kommunikator", sagt der Vorstand einer anderen Großbank, aber er habe mit seiner Aussage durchaus polemisieren wollen.

Auch die Kosten müssen sinken

Allein durch die Steigerung der Erträge lässt sich die angepeilte Vorsteuerrendite von 25 Prozent eben nicht erreichen. Auch die Kosten müssen sinken.

Und eine Bank, die in Deutschland eine Nettorendite von 17 oder 18 Prozent erreichen will, muss die Messlatte wegen der hiesigen Steuern hoch legen, erklärt der Vorstand, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will.

Ackermann betrachtet viele Dinge aus einem weiteren Blickwinkel als seine Kritiker, sagt ein früherer Mitarbeiter. Er sei zwar ein typischer Schweizer - zielstrebig, geradlinig - aber doch auch ein Entwurzelter, verheiratet mit einer Finnin, entscheidend geprägt von Auslandsaufenthalten. Die polyglotten Investmentbanker in New York und London stünden ihm näher als mancher Mitarbeiter in der Filiale. Daraus speist sich sein Ehrgeiz.

Er will beweisen, dass die Deutsche Bank ähnlich gut dastehen kann wie vergleichbare Konzerne in Europa. Und er will es aus eigener Kraft schaffen, ohne die Fusion mit einem inländischen Konkurrenten. All dies irritiert und setzt Ackermann leicht dem Vorwurf aus, ein vaterlandsloser Geselle zu sein.

Erstmals kein Deutscher

Vielen galt bereits die Berufung Ackermanns zum Vorstandssprecher als Revolution. Erstmals in der Geschichte der Bank steht seit Mai 2002 kein Deutscher mehr an der Spitze des Vorzeigeinstituts. Ackermann stammt aus dem Städtchen Mels im Kanton St. Gallen.

Auch wurde er im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht in der Bank groß, sondern arbeitete viele Jahre bei der Schweizer Kreditanstalt, der heutigen Credit Suisse, in Zürich und New York.

Nachdem es ihm dort nicht gelang, den langjährigen Vorsitzenden Rainer Gut zu beerben, wechselte er 1996 zur Deutschen Bank und bezog einen Schreibtisch in der Londoner Niederlassung. Dort musste er zunächst einmal aufräumen und das marode Investmentbanking vor der Pleite retten - was ihm auch gelang.

Ertragsstarke Investmentbank

Heute gehört die Deutsche Bank zu den größten und ertragsstärksten Investmentbanken der Welt. Im Handel mit Wertpapieren und Devisen rangiert sie sogar unter den ersten drei.

Auch im Geschäft mit Privatkunden erwirtschaftet der Konzern inzwischen Gewinne: eine Milliarde Euro im vorigen Jahr. Ackermann hatte den Bereich, den sein Vorgänger Rolf Breuer einst zum Verkauf vorgesehen hatte, wieder in die Bank integriert und zum festen Bestandteil des Konzerns erklärt.

Seitdem geht es wieder bergauf. Heute, sagt Guido Hoymann, Analyst beim Bankhaus Metzler, stehe die Deutsche Bank besser da als je zuvor. "Das muss man Ackermann auch mal zugute halten."

Meist angespannt und defensiv

Dennoch wirkt der Manager bei öffentlichen Auftritten meist angespannt und defensiv. Immer wieder sieht er sich genötigt, seine Strategie zu rechtfertigen. "Manchmal hat es den Anschein, als ob er nicht versteht, warum man ihm nicht endlich Beifall zollt für die geleistete Arbeit", sagt ein früherer Mitarbeiter.

Dazu hat Ackermann bei seinen unzähligen Umbau- und Aufräumaktionen wohl in zu kurzer Zeit zu viel Porzellan zerschlagen. Von den alten, undurchschaubaren Strukturen, in denen die rechte Hand häufig nicht wusste, was die linke gerade tat, ist nichts geblieben.

Gleichzeitig hat Ackermann in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit ein Viertel der einst 85.000 Arbeitsplätze gestrichen. Auch hat sich die Bank größtenteils aus den früheren Verflechtungen der Deutschland AG verabschiedet.

"Am liebsten bin ich in New York"

Mit Ausnahme von Daimler-Chrysler und Linde wurden alle nennenswerten Industriebeteiligungen veräußert. Und obwohl er seit Jahren in Frankfurt wohnt und dort auch seine Steuern zahlt, ist das beschauliche Mainhattan alles andere als seine Lieblingsstadt. "Am liebsten bin ich in New York", gibt der Banker zu. Das passt.

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