Schweres Geschütz gegen Allianz aufgefahren:"Ein Erfolgsmodell sieht anders aus"

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Er schied im Streit aus dem Unternehmen, jetzt rechnet der frühere Allianz-Vorstand Hagemann öffentlich ab.

Das gibt es in der vornehmen Finanzbranche nur ganz selten - und schon gar nicht bei der stolzen Allianz: eine öffentliche Abrechnung durch enttäuschte Führungskräfte. Genau das hat Reiner Hagemann jetzt getan. Dabei ist der 58-Jährige nicht irgendwer.

Der frühere Allianz-Vorstand Reiner Hagemann. (Foto: Foto: dpa)

Er war bis Ende vergangenen Jahres Konzernvorstand beim Münchner Versicherer und betreute unter anderem das sehr ertragreiche Geschäft mit Sachversicherungen. In dieser Funktion war er auch für die selbstständigen Vertreter zuständig.

Streit mit dem Konzernchef

Vor einem Jahr gab Hagemann im Streit seinen Abschied bekannt, ausgeschieden ist er offiziell Ende 2005. Damals hatte er sich mit Konzernchef Michael Diekmann um den Umbau in Deutschland überworfen. Die Pläne wolle er nicht mittragen, hieß es.

Seitdem war es ruhig um den früheren McKinsey-Mann, der 28 Jahre für die Allianz arbeitete, davon elf Jahre im Vorstand. Man sah ihn manchmal in der Öffentlichkeit, ansonsten fungierte er als Berater des Finanzinvestors Cerberus, dem Interesse an deutschen Versicherern nachgesagt wird. Mitgeboten hatte Cerberus etwa beim Verkauf von Gerling.

Doch jetzt hat sich Hagemann, der als emotional und aufbrausend bekannt ist, per Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Wort gemeldet. Er fährt ungewöhnlich schweres Geschütz gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber und gegen Diekmann auf.

"Ich bin erschüttert. Der Imageschaden für das Unternehmen ist gewaltig", sagt er zu den Umbau-Querelen. Diekmann wirft er mehr oder weniger direkt Unfähigkeit vor. "Ich habe den Eindruck, dass manche Manager, die diese Entscheidungen treffen, zu weit vom praktischen Geschäft in Deutschland entfernt sind", fügt er an: "Ein Erfolgsmodell sieht anders aus."

Und Hagemann legt noch nach. Noch nie hätte die Allianz so viele Mitarbeiter und Vertreter an die Konkurrenz verloren wie jetzt. Diese würden dann ihre Kunden mitnehmen. Zudem stünden große Teile der Führungsmannschaft nicht hinter Diekmann und seinen Plänen.

Vor vollendete Tatsachen gestellt

Diese würden ohnehin nur vor vollendete Tatsachen gestellt. "Bei der Allianz geht zurzeit auch eine jahrzehntelang gepflegte Führungskultur in die Brüche", so das Fazit. Er habe den Eindruck, die Allianz wolle sich vom Modell des Finanzdienstleisters mit Versicherung, Bank und Vermögensverwaltung lösen.

Bei der Allianz will niemand die Vorwürfe des ehemaligen Mitarbeiters kommentieren. Ungeklärt ist auch die Frage, ob Hagemann bei seinem Abgang Verschwiegenheitsklauseln unterschrieben hat. Gerätselt wird in jedem Fall, was den promovierten Volkswirt zu seinem öffentlichen Auftritt getrieben haben könnte.

"So was tut man nicht"

"So was tut man nicht", heißt es dazu aus einem anderen Unternehmen. Ob es nun gekränkte Eitelkeit oder sein Temperament gewesen sein könnte, er spricht zumindest einigen Allianz-Mitarbeitern aus der Seele. Denn der von Diekmann eingeleitete Umbau und der Abbau von insgesamt 7500 Jobs sorgt für viel Unruhe und massive Proteste. Viele beklagen den Verlust der alten Sicherheiten. Bislang galt ein Allianz-Job als lebenslange Anstellung.

Das hat vielleicht auch Hagemann, der früher mal als potenzieller Allianz-Chef gehandelt wurde, einst gedacht. Zumindest identifiziert er sich noch stark mit seiner alten Firma. An einer Stelle im Interview spricht er nämlich von ,,unserem Geschäft in Deutschland''. Caspar Busse

© SZ vom 11.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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