Schuldenfalle SMS:26 Milliarden kleine Rechnungen

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Die SMS ist mehr als nur eine Kurznachricht an Freunde - immer öfter stürzt sie mit halbseidenen Anwendungen vor allem Jugendliche in Schulden. Jetzt fordert Ministerin Künast den Einbau von technischen Sperren gegen überteuerte Angebote.

Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) will gegen teure SMS-Angebote vorgehen, die Jugendlichen überhöhte Handy-Rechnungen bescheren. Die Wirtschaft müsse Möglichkeiten anbieten, Sperren gegen unseriöse Anbieter und ausufernde Kosten zu errichten, sagte Künast am Freitag in Berlin.

Renate Künast will Schulden per SMS einen Riegel vorschieben. (Foto: Foto: dpa)

Pro SMS drei Euro muss nicht sein

Als Beispiel nannte die Ministerin die umstrittenen Chat- oder Flirtlines, bei denen für eine so genannte Premium-SMS zwei oder drei Euro gezahlt werden müssen und anschließend eine möglicherweise automatisch erstellte Antwort zu weiteren Kurzmitteilungen auffordert. 20 Minuten Chatten könne sich so schnell zu horrenden Kosten summieren, warnte Künast.

Wie beim Gesetz zum Schutz vor Trickbetrug durch teure 0190er-Nummern werde ihr Ministerium bei den weit verbreiteten SMS-Diensten "identifizieren, wo Regeln nötig sind", kündigte Künast an.

Branche signalisiert Entgegenkommen

In ersten Gesprächen mit der Branche hätten die Unternehmen bereits Dialogbereitschaft signalisiert. Ein T-Mobile-Sprecher verwies darauf, dass der Marktführer bereits eine Sperre für die fünfstelligen Kurzwahlnummern anbietet.

Dann könnten aber auch "hervorragende Dienste" wie Wettervorhersagen oder Nachrichten nicht mehr genutzt werden, sagte der Sprecher. Einzelnen unseriösen Anbietern, die Kunden mit ungebetenen Mitteilungen belästigten, habe die Telekom-Tochter bereits die Nummern entzogen. "Bei Abzocke sind wir bereit, auch sofort einzuschreiten."

Ein Sprecher des Mobilfunkanbieters O2 empfahl Eltern, ihren Kindern nur Handys mit im Voraus bezahlten Guthabenkarten zur Verfügung zu stellen. So könnten die Kosten besser kontrolliert werden. Dagegen forderte die Mobilfunkexpertin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Carola Elbrecht, "ganz klar gesetzliche Regelungen".

Schutz noch ungenügend

Bislang könne nicht einmal die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation bei Missbrauch einschreiten, weil die betroffenen Kurzwahlen nicht Teil des Mehrwertdienstegesetzes seien. Die Anbieter, die verstärkt auf Musiksendern und in Jugendzeitschriften werben, wollten mit ihren Tricks gezielt die Unerfahrenheit der jungen Leute ausnutzen.

Unseriöse Anbieter, die etwa ohne klare Preisangabe für so genannte Flirt- oder Chatlines werben, seien bereits vom vzbv abgemahnt worden, sagte Elbrecht. Auch ein Musterprozess werde angestrebt. Dies reiche jedoch nicht aus. Vor allem Kinder und Jugendliche, die oft keinen Blick für die tatsächlichen Kosten hätten, müssten stärker vor der Schuldenfalle geschützt werden, forderte die Telekomexpertin.

Es könne "nicht sein, dass der Verbraucher sich dagegen schützen muss, mit SMS bombardiert zu werden". Sie wies darauf hin, dass bei unverlangt eingesandten Kurzmitteilungen, in denen der erhöhte Preis für eine Antwort erst nach mehreren Leerzeilen versteckt sei, möglicherweise gar keine Zahlungspflicht bestehe.

SMS-Boom ungebrochen

Bereits jedes zweite Kind zwischen elf und zwölf Jahren telefoniert laut einer Studie des Instituts für Jugendforschung (IJF) in München bereits mit dem eigenen Handy. Bei 13- bis 22-Jährigen liegt die Zahl der Handy-Besitzer demnach sogar bei 84 Prozent. Zugleich waren bei den 13- bis 17-Jährigen im vergangenen Jahr sechs Prozent verschuldet, bei den 18- bis 20-Jährigen bereits dreizehn Prozent. Dabei stieg vor allem der Anteil der Jugendlichen, die für die Telefonrechnung Schulden machen.

Besonders Kurzmitteilungen sind bei jungen Leuten äußerst beliebt und erfreuen sich immer noch stetig wachsender Beliebtheit. Dem Branchenverband VATM zufolge wurden im vergangenen Jahr insgesamt fast 26 Milliarden SMS in Deutschland versandt.

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