Schröder-Vertrauter:Staatssekretär Tacke geht zu Energieversorger Steag

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Bundeskanzler Schröder verliert einen seiner engsten Vertrauten in Wirtschaftsfragen. Ein Grund für den Wechsel Tackes in die Industrie sind offenbar die Differenzen mit Staatssekretär Adamowitsch, der Wirtschaftsminister Clement sehr nahe steht.

Von Nina Bovensiepen und Stefan Weber

Der Kanzler-Berater Alfred Tacke (SPD) verlässt die Politik und wechselt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auf einen Spitzenposten beim Stromversorger Steag. Nachfolger des Wirtschafts-Staatssekretärs wird sehr wahrscheinlich der Chefökonom des Bundeskanzleramtes, Bernd Pfaffenbach.

War bereits als einer der Favoriten für das Amt des Bundesbankpräsidenten im Gespräch: Staatssekretär Alfred Tacke. (Foto: Foto: ddp)

Mit Tacke verliert Kanzler Gerhard Schröder (SPD) einen seiner engsten Vertrauten in Wirtschaftsfragen. Als "Sherpa" hat Tacke die Weltwirtschaftsgipfel vorbereitet.

Er hat sich zudem immer wieder um notleidende Unternehmen gekümmert, wie etwa die Frankfurter Chipfabrik, die Mobilfunkfirma Mobilcom oder den Luftschiffbauer Cargolifter.

Karriere eng mit der Schröders verknüpft

Hintergrund für den Wechsel des 53-Jährigen sind offenbar Differenzen mit einem weiteren Staatssekretär im Wirtschaftsministerium: Georg-Wilhelm Adamowitsch steht Minister Wolfgang Clement nahe, während Tackes Karriere seit 1990 eng mit der Schröders verknüpft ist. In Regierungskreisen ging man davon aus, dass der Chefökonom des Kanzleramtes, Pfaffenbach, Nachfolger von Tacke wird.

Ein Regierungssprecher wollte die Vorgänge am Freitag offiziell nicht kommentieren. Er sprach von Spekulationen. Auch Tacke lehnte einen Kommentar ab. Er bestritt aber, dass es zwischen ihm und Adamowitsch "Krach" gegeben habe. Bei der Steag war niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Tacke war immer wieder für politische Spitzenposten im Gespräch, etwa als Wirtschafts- oder Finanzminister, woraus dann aber nie etwas wurde.

Zuletzt war der promovierte Ökonom im April als möglicher Nachfolger von Bundesbank-Präsident Ernst Welteke gehandelt worden. Der Staatssekretär gilt als Pragmatiker und guter Kenner der Energiebranche.

Vor zwei Jahren erteilte er in Vertretung von Wirtschaftsminister Werner Müller die Ministererlaubnis bei der Übernahme der Ruhrgas AG durch Eon. Angeblich umwirbt die Industrie Tacke seit längerem.

Stromanbieter im Umbau

In seinem neuen Job wird Tacke seinem früheren Minister wieder begegnen: Die Steag ist eine Tochter des Essener Chemie- und Bergbau-Konzerns RAG, den Werner Müller führt.

Mit einem Anteil von rund acht Prozent an der inländischen Stromerzeugung ist die Steag AG hinter Eon, RWE, Vattenfall und EnBW der fünftgrößte deutsche Stromversorger.

Vorstandsvorsitzender der Steag ist seit mehreren Jahren Jochen Melchior. Bis vor wenigen Monaten galt die kleinste, aber ertragsstärkste RAG-Tochter als Verkaufskandidat. Seitdem Müller Energie und Chemie zu Kerngeschäften erklärt hat, ist sie neben der Degussa aber ein essentieller Teil des Konzerns.

Der Stromerzeuger wird derzeit kräftig umgebaut: Beteiligungen werden verkauft und Vermögenswerte der RAG übertragen. Die neue Steag soll zum 1. Januar 2005 an den Start gehen. Sie wird 2,2 Milliarden Euro umsetzen und etwa 5000 Mitarbeiter beschäftigen.

Prominente Seitenwechsel

Mit Tacke wechselt erneut ein rot-grüner Spitzenpolitiker in die Wirtschaft. Ex-Wirtschaftsminister Müller hatte seinen Posten als RAG-Chef angetreten, wenige Monate nach der letzten Bundestagswahl.

Auch der frühere Wirtschaftsstaatssekretär Siegmar Mosdorf arbeitet seither bei einem privaten Beratungsunternehmen. Die frühere Grünen-Politikerin Gunda Röstel hatte schon zuvor einen Job bei Gelsenwasser übernommen.

Auch in der Ära von CDU-Kanzler Helmut Kohl gab es prominente Seitenwechsel: Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth führte bis vor einem Jahr Jenoptik. Der einstige außenpolitische Berater von Kohl, Horst Teltschik, ist heute Präsident von Boeing Deutschland.

© SZ vom 4.9.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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