Schmidt Groupe:Auf nach Deutschland

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Christian Kockler, 54, kennt den französischen und den deutschen Markt. Seit April 2016 ist er Chef der deutschen Tochter Schmidt Küchen. (Foto: Schmidt Küchen)

In Frankreich ist der Küchenhersteller Schmidt Groupe schon Marktführer. Nun will er expandieren. Doch die Suche nach Franchisenehmern ist hierzulande nicht einfach.

Von Elisabeth Dostert

Das Haus mit der bunten Fassade fällt auf im kleinen Ort Türkismühle im Saarland. Der haushohe Comic zeigt eine Küche. Die Fliesen sind gemalt. Hinter einem Tisch posiert ein Koch mit verschränkten Armen. Auf einem Regal stehen eine Flasche Maggi, ein Topf und eine Nudelrolle. Unter der Dachrinne ist zwischen Vorratsdosen das Schwarz-weiß-Porträt von Hubert Schmidt platziert. Er hat 1934 in diesem Haus die Firma gegründet. Sie sitzt heute im Elsass, aber in Türkismühle fing alles an.

Christian Kockler, 54, führt zügig in das kleine Konferenzzimmer im ersten Stock. "Hier war früher die Küche", erzählt Kockler. Im Erdgeschoss waren Büros. Kockler ist seit April 2016 Chef der deutschen Tochter Schmidt-Küchen und sitzt in der Geschäftsführung der Schmidt Groupe. Er hat die Geschichte gut gelernt. Den Markt kennt er auch. Es gibt viele Küchenhersteller in Deutschland und einen harten Wettbewerb. Die Geschichte von Schmidt ist anders verlaufen als die der Konkurrenten. Sie fing zwar in Deutschland an. Groß geworden ist die Gruppe aber in Frankreich, in einem Markt, der anders tickt.

Hubert Schmidt, der Gründer, baute zunächst Einfamilienhäuser, stieg aber schnell auf Küchenmobiliar um. Mitte der 40er-Jahre fertigte er die ersten Büffets. Das erste Modell trug den Namen Heidi. Seine Büffets verkaufte Schmidt in Frankreich und im Saarland, damals französisches Protektorat. Als die Saarländer sich 1955 in einer Volksabstimmung für die Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland entschieden, sie wurde Anfang 1957 vollzogen, trennte eine Staatsgrenze Schmidt von seinem alten Absatzgebiet. Er machte, was viele saarländische Unternehmer Ende der 50er-Jahre taten, er gründete eine Niederlassung in Frankreich. In einer alten Textilfabrik in Lièpvre im Elsass nahm Schmidt die Produktion auf.

Seinen drei Töchtern vermachte der Gründer jeweils einen Standort. Nicht überall lief es so gut wie im Elsass. Die Vertriebsgesellschaft in Köln stellte schnell den Betrieb ein. Die Société Alsacienne de Meubles (Salm), wie die Gruppe damals noch heißt, wächst unter der Führung von Schmidts ältester Tochter Antonia und Schwiegersohn Karl Leitzgen enorm. Sie übernehmen auch das Werk in Türkismühle, um Ende der 80er-Jahre einen Konkurs zu vermeiden.

1983 produziert Schmidt das letzte Buffet. Gefragt sind nun Einbauküchen: standardisierte Elemente und eingebaute Elektrogeräte. In den 70er-Jahren bringt Salm den ersten Katalog heraus und liefert Fronten nach Wunsch des Kunden. Ende der 80er lanciert die Gruppe die Marke Cuisine Schmidt, ein paar Jahre später die preiswerte Marke Cuisinella. Als Schwiegersohn Leitzgen 1995 stirbt, führt Gründertochter Antonia die Gruppe alleine weiter; 2006 löst Tochter Anne sie als Präsidentin der Gruppe ab. Ihr und ihrer Schwester Caroline gehört das Unternehmen, das im vergangenen Jahr mit gut 1500 Mitarbeitern knapp eine halbe Milliarde Euro umsetzte.

In den vergangenen Jahren sind im Elsass - in Lièpvre und den Nachbarorten Séléstat und Bergheim - fünf weitere Werke entstanden. Die Gruppe finanziere sich aus Eigenmitteln. Gerade entsteht in Séléstat eine Fabrik für Wohnmöbel, mittlerweile stattet die Gruppe auch Wohnzimmer, Ankleiden und Bäder aus. "Es gibt fließende Übergänge zwischen Wohnraum und Küche. Da schätzen die Kunden ein abgestimmtes Mobiliar", sagt Kockler.

Aber Küchen liefern immer noch das Gros der Erlöse. 115 000 Küchen fertigt die Gruppe jährlich, davon 6000 in Türkismühle. "Wir sind die Manufaktur und stellen noch Tischler ein, im Elsass geht es um Menge, die suchen eher Maschinenführer", sagt Kockler. Die Werke arbeiten im Verbund. So pendeln mehrmals die Woche Lkw zwischen Elsass und Saarland. In Türkismühle, wo zehn Prozent der gut 1500 Beschäftigten arbeiten, werden alle Sockel hergestellt sowie Sonderformen, Schränke mit runden Oberflächen zum Beispiel. Eine Küche der Marke Cuisinella kostet einschließlich Elektrogeräte zwischen 4000 und 7000 Euro. Eine Küche der Marke Schmidt beginnt erst bei 8000 Euro. "Richtig wohl fühlen wir uns ab 12 000 Euro", sagt Kockler. Als Zielgruppe für die Marke Schmidt hat er eher Menschen zwischen 35 und 59 Jahren ausgemacht, die sich zum zweiten oder dritten Mal eine Küche kaufen. Cuisinella wendet sich vor allem an Erstkäufer. In Frankreich sei die Gruppe mit einem Marktanteil von fast 40 Prozent - gemessen am Umsatz der Hersteller - der größte Anbieter. Auf den Plätzen folgen Firmen wie Fournier und Menuiseries du Centre. Fournier verkauft seine Küchen unter dem Namen Mobalpa, stellt aber auch Wohn- und Badmöbel her.

Fast 90 Prozent seiner Erlöse erwirtschafte die Schmidt Group in Frankreich. Kockler soll dafür sorgen, dass sich das ändert, und den deutschen Markt erschließen. Das ist nicht ganz einfach. Es gibt ein paar grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Märkten. Vor seinem Wechsel in das Geschäft mit Küchenmöbeln war Kockler sechs Jahre lang Vorstandschef des TÜV Saarland, davor arbeitete er für Rollladenhersteller Lakal. Kockler kennt den französischen und den deutschen Markt. "Die Franzosen geben mehr Geld für die Möbel aus, die Deutschen legen größeren Wert auf die Technik." Seine Händler sagen manchmal, dass die Deutschen das Holz um die Geräte kauften. "Die kommen in den Laden und wollen die Spülmaschine von Miele, den Kühlschrank von Liebherr und den Herd von Neff", erzählt Kockler. Das klingt ein wenig klischeehaft, aber im Klischee steckt auch Wahres.

"Wir brauchen Leute, die gute Unternehmer und gute Verkäufer sind."

Der Vertrieb läuft in Deutschland anders. Die Schmidt Groupe ist hier - gemessen an den Handelsumsätzen - noch ein Winzling mit einem Marktanteil von unter einem Prozent. Der Wettbewerb ist kleinteiliger. Der größte Händler, Ikea, bringt es auf gerade einmal fünf Prozent. Auf Platz zwei und drei folgen Höffner und die österreichische Lutz-Gruppe. Möbelhäuser und Fachhändler in jeder Größenordnung arbeiten mit Einkaufsverbänden wie Begros, Der Kreis, Der Küchentreff oder MHK Musterhaus- Küchen zusammen. Viele der Verbände entstanden in den 70er-Jahren, als auf der grünen Wiese die ersten großen Möbelhäuser aufmachten. Der gemeinsame Einkauf sollte den Fachhandel stärken.

Schmidt will weder an die Möbelpaläste noch an die Einkaufsverbände liefern. Die Gruppe arbeitet ausschließlich mit Franchisenehmern zusammen, die in ihren Studios - weltweit sind es mittlerweile rund 750 - ausschließlich Küchen, Bad- und Wohnmöbel der Gruppe verkaufen. "Wir wollen den direkten Kontakt zum Kunden. Das hat sich bewährt", sagt Kockler. In Deutschland hat die Gruppe bislang 46 Schmidt-Studios, Cuisinella gibt es ausschließlich in Frankreich.

Der Aufbau eines Franchisenetzes ist nicht ganz einfach. "Wir brauchen Leute, die gute Unternehmer und gute Verkäufer sind", sagt Kockler. Geld mitbringen sollen sie allerdings auch noch. 300 000 Euro etwa kostet ein Studio. "Eine Hälfte kommt von uns, die andere muss der Franchisenehmer mitbringen in bar oder als Kredit", sagt Kockler. Zu diesen Bedingungen finden sich nicht genügend Interessenten. "Mit der Finanzierung von Küchenstudios tun sich die Banken in Deutschland offensichtlich schwer", sagt Kockler. Er denkt über andere Wege nach. So könnte Schmidt die Studios selbst gründen, erst einmal einen Geschäftsführer anstellen und nach ein paar Jahren das Studio abgeben. In keinem anderen Land sei der Wettbewerb so hart.

Jüngstes Opfer ist der Hersteller Alno. Aus Geldmangel musste das Unternehmen die Produktion stoppen. Die Insolvenz von Alno sieht Kockler mit gemischten Gefühlen. "Wenn es einer solchen Marke schlecht geht, leidet darunter das Image der gesamten Branche", sagt Kockler.

Andererseits sei Alno in den vergangenen Jahren auch besonders "preisaggressiv" geworden. Das klingt nach Erleichterung über den Wegfall eines Konkurrenten. "Der deutsche Markt ist die größte Herausforderung", sagt Kockler, "aber wenn man es dort schafft, schafft man es überall."

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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