Schlupflöcher:Schwieriger als erwartet

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Im Kampf gegen Steuervermeider kommen die Industriestaaten nur langsam voran. Es gibt viel zu viele Schlupflöcher in internationalen Verträgen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Das Protokoll hat akribisch alles vorbereitet für die feierliche Unterzeichnung am Mittwochabend in Paris. Zunächst kommen die Delegationen aus mehr als sechzig Ländern im Hof des Schlosses an, Händeschütteln, Fotos. Dann nehmen sie ihre Plätze im Saal ein. Angel Gurria, Generalsekretär der gastgebenden Organisation der Industriestaaten (OECD), hält eine Rede. Erst danach geht es los mit dem wichtigsten Tagesordnungspunkt. Die Abgesandten der Staaten werden einen völkerrechtlichen Vertrag unterzeichnen, mit dem zentrale Empfehlungen der OECD und der Gruppe der G-20 gegen aggressive Steuergestaltung in bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen umgesetzt werden. Das Übereinkommen, so teilt das Bundesfinanzministerium vorab mit, umfasst 1100 bestehende Abkommen, durch weitere Unterzeichner könnte die Zahl auf 2000 ansteigen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt zudem wissen, die Unterzeichnung des Abkommens sei ein "kraftvolles Signal erfolgreicher globaler Kooperation". Die Staatengemeinschaft sichere das Steueraufkommen in den Ländern und sorge für "eine gerechte Verteilung steuerlicher Lasten". Das Abkommen füge sich ein in die Liste von Maßnahmen der Bundesregierung gegen Steuervermeidung und Steuergestaltung.

Finanzämter sollen gezielt gegen Bürger vorgehen dürfen, die bewusst Lücken nutzen

In dem Vertrag wird festgelegt, wie künftig das Steueraufkommen zwischen zwei Staaten verteilt wird, wenn Bürger oder Unternehmer in beiden Ländern steuerpflichtig sind. Bisher ist es so, dass ein ausländischer Bürger, der in Deutschland Aktien hält, auf die Erträge 25 Prozent Abgeltungssteuer zahlen muss. Über das Bundeszentralamt für Steuern kann er einen Teil dieser abgeführten Steuern zurückfordern. Wie viel genau, ist in Doppelbesteuerungsabkommen festgelegt. Manche Staaten erstatten zehn Prozent, andere den gesamten Betrag. Die Unterschiede verführen Private wie Unternehmer, gezielt nach Steuerschlupflöchern zu suchen und über mehrere Wechsel von einem zum anderen Land letztendlich keine Steuern zahlen.

Der Missbrauch von Steuergestaltungsmodellen soll mit dem unterzeichneten Abkommen mindestens erschwert werden. In Deutschland werden Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern ermächtigt, gegen Steuerpflichtige vorzugehen, die bewusst Steuerlücken suchen. Wenn jemand einen Fonds gründen will in einem Land, wo mehr Steuern erstattet werden als in Deutschland, kann das zuständige Amt seine Zustimmung verweigern. Die neuen Regeln sollen von 2019 an gelten. Berlin will zunächst dreißig seiner Doppelbesteuerungsabkommen an die neuen internationalen Vorgaben anpassen. Dreißig weitere Abkommen, die verhandelt oder aktualisiert werden, könnten folgen.

Der Vertrag zur Umsetzung zentraler Empfehlungen der OECD und der Gruppe der G-20 gegen aggressive Steuergestaltung in bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen ist Bestandteil des sogenannten beps-Projektes (base erosing and profit shifting), das zunächst von etwa 100 Ländern unterstützt wurde. Inzwischen sind es noch mehr als 60 Länder. Herzstück von beps ist eine Liste mit insgesamt 15 Handlungsempfehlungen, darunter sind die gerade verabschiedeten Änderungen an Doppelbesteuerungsabkommen. Die Staaten müssen die Vereinbarungen noch ratifizieren. Die USA machen nicht mit.

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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